Hagen. Fast 150 Bürger kamen zu Impfterminen, die es gar nicht gab. Wie die Verantwortlichen dies erklären und wie die Bürger nun vorgehen sollen.

Kann das wirklich sein? Dass fast 150 Menschen an zwei verschiedenen Orten der gleichen Fehleinschätzung aufgesessen sind fast zur gleichen Uhrzeit Impftermine wahrnehmen wollten, die es gar nicht gab? Und das, wo doch seit Montag vergangener Woche gut 49.000 Menschen in Westfalen-Lippe die erste der beiden Impfungen gegen Corona in den Impfzentren bekommen haben. Und zwar in den allermeisten Fällen ohne ein solches Termin-Chaos.

Vanessa Pudlo, die Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, die für die Terminvergabe verantwortlich ist, weiß, dass das, was sich am Wochenende in Lüdenscheid und Ennepetal abgespielt hat, schwer zu erklären ist. Vor dem Impfzentrum des Ennepe-Ruhr-Kreises warteten am Sonntag 60 Menschen auf den 15.20-Uhr -Termin, obwohl nur drei Impfungen für diesen Termin möglich waren. In Lüdenscheid waren für 14 Uhr zwölf Impftermine vorgesehen, es kamen aber rund 90 Bürger – alle in dem festen Glauben, dass sie einen Termin gebucht hatten.

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Auch zwei Tage danach habe die KVWL, so Vanessa Pudlo, keinerlei Erkenntnisse, dass die Termine tatsächlich mehrfach überbucht worden seien. „Das hätten wir gemerkt, weil ja die entsprechenden Listen an die Impfzentren weitergegeben werden.“ Eine hundertprozentige Erklärung habe man nicht. Aber die KVWL sieht weiter den wahrscheinlichsten Grund in einer missverständlichen Aussage des Online-Buchungssystems zu Beginn der Impftermin-Vergabe.

Falsche Anzeige bei Online-Buchung

Den über 80-jährigen Bürgern habe das System damals vermeintlich freie Impftermine angezeigt, die aber in Wahrheit schon besetztgewesen seien. Als man diese angeklickt habe, sei die Meldung aufgeploppt: „Termin bereits vergeben /Termin bereits gebucht.“ Dass, so Vanessa Pudlo, hätten viele wohl falsch verstanden und interpretiert, dass der Termin nun für sie erfolgreich gebucht worden sei. „Man muss bedenken, dass die Bürger bis dahin schon einen Teil des Anmeldevorgangs hinter sich und eine sechsstellige PIN-Nummer erhalten hatten“, so Vanessa Pudlo.

Die Bürger hätten ja nicht wissen können, dass eigentlich noch eine Bestätigungsmail hätte folgen müssen, sagt die KVWL-Sprecherin: „Wir gehen davon aus, dass die Bürger fest davon ausgegangen sind, dass der Anmeldevorgang damit abgeschlossen ist.“ Und da auch die Telefon-Hotline auf das gleiche Online-Buchungssystem zurückgreife, könne man nicht ausschließen, dass auch dort Mitarbeiter falsche Informationen übermittelt hätten. Eine Bestätigungsmail sei bei der telefonischen Buchung auch nicht zwingend vorgeschrieben: „Die kommt nur, wenn man die E-Mail-Adresse zusätzlich angibt.“

Und tatsächlich: Auch in den Lokalredaktionen unserer Zeitung kamen in den vergangenen Wochen Bürger-Beschwerden an, die sich über die Meldung „Termin bereits vergeben/Termin bereits gebucht" nach einer längeren Online-Odyssee beschwerten. Offensichtlich hatten die meisten aber verstanden, dass der Termin vergeben war. Offen bleibt also die Frage, warum gerade für die beiden Sonntags-Termine so viele Menschen die Meldung missverstanden haben sollen.

Auch die Kassenärztliche Vereinigung kann das letztlich nicht erklären. „Ähnliche Fälle sind aber auch aus den Impfzentren in den Kreisen Recklinghausen, Borken und Steinfurt bekannt“, so Vanessa Pudlo. „In der Regel konnten die Bürger trotzdem vor Ort geimpft werden, weil Impfbestände, die übriggeblieben sind, genutzt wurden.“ So auch in Lüdenscheid. Sollte dies nicht möglich sein, so müssten vor Ort Lösungen getroffen werden, wie etwa in Ennepetal, wo der Kreis nun den Betroffenen neue Termine gibt.

Die missverständliche Anzeige gebe es inzwischen nicht mehr, sagt die KVWL-Sprecherin. Der IT-Dienstleister habe versichert, dass mittlerweile nur noch wirklich freie Termine angezeigt würden. Allerdings könne man nicht garantieren, dass es in anderen Impfzentren noch zu ähnlichen Problemen wegen der Buchungsprobleme zu Beginn kommen könne.

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Wie sollen sich Bürger nun also verhalten, die schon einen Impftermin haben? Müssen sie noch einmal alle Unterlagen prüfen lassen? Nein, sagt Vanessa Pudlo: „Um nicht noch mehr Verwirrung und Verunsicherung zu stiften, bitten wir die Bürger, ihren Termin so wahrzunehmen, wie sie ihn – vermeintlich – gebucht haben.“ Vor Ort würden dann im Zweifel Lösungen gesucht: Ob mit Rest-Impfstoff wie in Lüdenscheid oder neuen Terminen wie in Ennepetal.

Weitere Terminvergabe noch unklar

Ob die künftige Impfterminvergabe für die viel größere Gruppe der 70- bis 80-Jährigen oder noch jüngeren Altersgruppen weiter über die KVWL oder doch über andere Systeme laufen soll, ist noch unklar. Das Vorgehen sei noch „in Erarbeitung“, so das NRW-Gesundheitsministerium auf Anfrage. Wann das Ergebnis verkündet werden könne, sei „derzeit noch nicht absehbar.“