Das Warten auf Versöhnung ist häufig mit viel Geduld verbunden. Pfarrerin Kerstin Grünert aus Erndtebrück erzählt, wie sie selbst damit umgeht.

Das Warten auf Versöhnung? Als Allererstes sage ich dazu als Pfarrerin und Theologin, dass ich auf die Versöhnung mit Gott nicht mehr warten brauche. Bei dem Weihnachtslied „Oh, du Fröhliche“ heißt es ja zum Beispiel in der zweiten Strophe: „Christ ist erschienen, uns zu versühnen.“ Damit ist die Sache sonnenklar: Zwischen Gott und Mensch ist die Versöhnung schon passiert.

Dann fängt das Problem aber an: Unter Menschen ist das natürlich anders. Versöhnung ist hier immer ein hartes Stück Arbeit. Ich muss zum Beispiel schon versöhnt mit mir selbst sein. Und das ist total schwierig. Wann ist man schon mit sich selbst zufrieden oder gar versöhnt? Und erst wenn ich das bin, kann ich ja auf andere Menschen zugehen und mich versöhnen.

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Versöhnen ist für mich auch noch mal etwas anderes als sich zu vertragen. Sich zu vertragen bedeutet, dass alles wieder gut ist. Aber ob dann wirklich alles vergeben und vergessen ist, ist die andere Sache. Hier ist die Frage: Kann man überhaupt richtig versöhnt sein? Gibt es nicht immer ein Haar in der Suppe, das man findet? Vertragen ist für mich eine Aktion, Versöhnung ein Zustand.

Auch als Pfarrerin bin ich nicht immer mit allen versöhnt. Obwohl ich ja wissen müsste, wie es geht. Ich erwarte von mir immer das absolut Gute – und ich denke, dass das auch die Menschen um mich herum von mir erwarten. Das machen sie vermutlich gar nicht. Aber das ist der Selbstanspruch, der auch die Versöhnung mit mir selbst manchmal schwer macht.

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Konkret spielt das Warten auf Versöhnung bei mir beim Predigtschreiben immer wieder eine Rolle. Aber auch in Seelsorgegesprächen. Versöhnung ist da allerdings nicht mit den Händen zu fassen, sondern etwas Abstraktes. Ich erlebe sie nicht in dem Sinne, dass sich zwei Menschen um den Hals fallen. Das passiert eher in einem Gespräch, wenn sich bei meinem Gegenüber etwas löst.

Vom Warten. Geschichten im Advent: Das Wort Advent hat seinen Ursprung im Lateinischen. Es bedeutet: Ankunft. Mit einer Ankunft verbunden ist: das Warten, auch das Erwarten. Diese Wörter stehen im Zentrum unserer Adventsserie. Jeden Tag erzählt uns ein Mensch, der wartet, seine Geschichte. Immer andere Menschen, immer ein anderes Warten: vorfreudig, ängstlich, traurig, lustig., tragisch, banal. So warten wir mit Ihnen auf das Weihnachtsfest.