Hagen. Jetzt spricht sich auch NRW-Minsterpräsident Laschet für den harten Lockdown aus. Was Bürger dazu sagen – auch aus weniger betroffenen Gebieten.
Die Corona-Dynamik entwickelt sich in der Region weiter höchst unterschiedlich: Während in Teilen des Sauerlands die maßgebliche Sieben-Tages-Inzidenz sinkt und sich langsam wieder dem Grenzwert von 50 annähert, bleibt der Wert in der benachbarten Großstadt Hagen weiter extrem hoch. Das befeuert die Diskussion, ob es schon bald einen harten Lockdown mit geschlossenen Geschäften, Schulen und Kitas wie im Frühjahr geben wird. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat sich nun auch dafür ausgesprochen. In der Bevölkerung scheint es dafür durchaus Verständnis zu geben. Da zeigt eine Befragung der WESTFALENPOST.
Die Lage
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Der ländlich geprägte Kreis Lippe bildet die Ausnahme: In den vergangenen Tagen ist dort die Zahl der Neuinfektionen stark gestiegen. Mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von rund 289 führt der Kreis aktuell sogar die NRW-Rangliste an. Doch eigentlich sind es in Nordrhein-Westfalen vor allem die Großstädte, die schon länger als extreme Corona-Hotspots gelten, mit zum Teil schon seit Wochen über der 200er-Marke verharrenden Sieben-Tages-Inzidenzen. Wuppertal, Duisburg, Bielefeld, Mülheim/Ruhr und Solingen gehören dazu. Und auch Hagen.
Mit einem Wert von 220,5 konnte am Dienstag zwar ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum Vortag vermeldet werden. Doch die Lage bleibt äußerst angespannt. Warum bekommt man dort die Virus-Dynamik nicht in den Griff? Die Stadt sagt sehr deutlich, dass dies nicht etwa auf den hohen Migrantenanteil in Hagen zurückzuführen sei. Das sei aus den Daten erkennbar. Zudem werde massiv Aufklärungsarbeit in den einzelnen Migranten-Communities geleistet.
Stattdessen macht man in Hagen Senioren- und Pflegeheime sowie Schulen und Kitas als Treiber der Zahlen aus. Gerade weil man dort beim Auftreten von Fällen sehr viele Testungen im Umfeld vornehme, würden auch weitere Fälle aufgedeckt. Das „ambitionierte Testen“, so Gesundheitsamtsleiterin Dr. Anjali Scholten, sorge dann auch für eine hohe Dynamik.
Für Städte und Kreise wie Hagen, in denen die Sieben-Tages-Inzidenz über 200 liegt, fordert der nordrhein-westfälische Städtetag indes weitergehende Maßnahmen. Der Vorsitzende Pit Clausen (SPD), als Oberbürgermeister von Bielefeld selbst ein betroffenes Stadtoberhaupt, regt für diese Super-Hotspots begrenzt sogar Ausgangsbeschränkungen wie in Bayern an.
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Davon sind andere Teile der Region weit entfernt. Im Hochsauerlandkreis musste in Freienohl am Montag zwar erstmals eine ganze Schule wegen einer Corona-Infektion geschlossen werden, insgesamt ist dort aber die Sieben-Tages-Inzidenz auf 85,1 gefallen – und damit zumindest wieder in Sichtweite der 50er-Marke. Im Kreis Soest liegt der Wert sogar bei 76,2 – und in Olpe bei 67,2. Und damit in ganz anderen Sphären als in Hagen.
Die Bürger-Reaktionen
Trotzdem könnte es schon bald zu landes- oder gar bundesweiten harten Einschränkungen des öffentlichen Lebens kommen. Bei den Menschen in der Region würde solch ein Schritt durchaus auf Verständnis stoßen. Das lässt zumindest eine – nicht-repräsentative – Online-Abstimmung und Befragung der WESTFALENPOST erahnen. Von den rund 1200 Teilnehmern sind 64 Prozent für sofortige schärfere Maßnahmen, 5 Prozent wollen sie erst nach Weihnachten greifen lassen, 12 Prozent nur in Hotspots mit hohen Sieben-Tages-Werten. Und nur 19 Prozent sagen generell Nein zu weiteren Verschärfungen.
Brigitte Krummenohl aus dem besonders betroffenen Hagen hält schärfere Maßnahmen für sinnvoll: „Bis Weihnachten. Und zwar das volle Programm. Dann haben die, die jetzt schon zu haben, wie Restaurants, Fitnessstudios, noch ein Chance, im Januar wieder zu öffnen. Wenn die länger schließen müssen, wird es noch schlimmer.“
Ähnlich argumentiert aber auch Michaela Kleier aus dem weitaus weniger betroffenen Meschede im Hochsauerlandkreis: „Hat im Frühjahr ja auch gut geklappt. Und alle, die jammern, dass sie in ihren Rechten eingeschränkt werden, sind die ersten, die schreien, wenn sie sich mit Corona anstecken.“
Zustimmung auch aus Brilon von Heidi Nickel: „Mit diesem knallharten Lockdown hätte man sofort starten müssen. Vielleicht sähe es bis dato mit den Infektionszahlen schon anders aus.“
Und Hans-Hartwig Hein aus Hilchenbach sagt: „Wenn man den großen Lockdown am 27. Dezember beginnen und den dann so zwei bis drei Wochen beibehalten würde, könnte man die Zahlen herunter bekommen. Und der wirtschaftliche Schaden wäre noch vertretbar.“
Aber es gibt auch entschiedene Ablehnung: Etwa von Philipp Jakob Schumacher aus Siegen: „Ich halte diese Maßnahmen für sehr überzogen gegenüber dem Nutzen. Die Gastronomie, Kleinkünstler und zahlreiche Kulturangebote stehen vor dem Aus.“
Auch Melanie Klawitter aus Iserlohn ist der Ansicht, dass ein verschärfter Lockdown nichts bringt: „Denn auch jetzt sind es meiner Meinung nach nicht die Restaurants, die Kinos, Museen oder Kosmetikstudios, in denen sich die Leute infizieren, sondern die privaten Feiern. Weil einige so egoistisch sind und auf das Wohl der Mitmenschen pfeifen.“