Hagen. In Korea wird der Mundschutz eingesetzt, um Probleme zu lösen, so bei Luftverschmutzung. Drei Künstler aus Hagen über die Masken-Diskussion

In Deutschland wird teils erbittert über die Mund-Nasen-Bedeckung gestritten. Viele Bürger fühlen sich wegen der Maskenpflicht während der Corona-Seuche trotz der Ansteckungsgefahr in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt. Sie demonstrieren dafür, keinen „Schnutenpulli“ tragen zu müssen. Wie gehen andere Länder mit dem Thema um? Das wollen wir von drei koreanischen Künstlern am Theater Hagen wissen. Jeong Min Kim findet die Frage spannend, denn: „Mich interessiert, warum Europäer vor Corona keine Masken getragen haben?“

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Die hochbegabte junge Tänzerin ist im Februar 2019 aus Südkorea ans Theater Hagen gekommen, ihr erstes Auslands-Engagement hat sie gleich um den halben Erdball geführt, weit weg von Zuhause. In ihrer Karriere möchte sie die Welt kennenlernen. Im Hagener Ballett tanzt Jeong Min Kim große Rollen, den weißen Schwan in „Prolog. Schwanensee. Aufgetaucht“ und die geheimnisvolle Göttin in „Jurema“. „Ich denke, Hagen ist ziemlich gut für den Anfang, ich fühle mich wohl“, sagt sie. Die Corona-Pandemie schränkt ihren Bewegungsradius ein, aber „ich habe eine Nachbarin, eine ältere Dame, ich nenne sie Oma. Wir gehen zusammen in den Wald, wenn ich Freizeit habe.“

Giftiger Chinastaub

Bariton Insu Hwang (links) und Kontrabassist Samuel Lee vom Theater Hagen.
Bariton Insu Hwang (links) und Kontrabassist Samuel Lee vom Theater Hagen. © WP | Michael Kleinrensing

In Korea ist es üblich, in der Öffentlichkeit eine Maske zu tragen, doch nicht aus den Gründen, die Europäer vermuten, etwa als soziales Distanzsignal. „Der Mundschutz gehört nicht zu unserer Kultur“, räumt Jeong Min Kim mit Vorurteilen auf. „Wir nutzen die Maske, wenn wir ein Problem haben, um uns selbst und andere zu schützen.“

Dieses „um andere zu schützen“ zeigt recht deutlich, wie hoch der Stellenwert der Rücksichtnahme in den dicht bevölkerten Regionen Asiens ist. Ein weiterer Aspekt ist die Luftqualität. Wenn der Wind im Frühjahr den mit Umweltgiften verseuchten Chinastaub aus den Wüsten der Mongolei, Nordchinas und Kasachstans über Korea bläst, dann wappnet sich die Bevölkerung mit speziellen Atemschutzmasken. Zur Corona-Infektions-Vorbeugung werden hingegen überwiegend KF94-Masken verwendet.

Menschen verwenden schmutzige Masken

„Mein Problem ist, dass ich mich bei kaltem Wetter sehr schnell erkälte, deshalb führe ich immer eine saubere Maske mit“, erläutert die Ballerina. „Wenn ich eine Krankheit habe, muss ich mich selbst und meine Umgebung schützen, das ist der Grund, warum wir sie tragen.“ Der Mundschutz bewährt sich ebenfalls bei Heuschnupfen und wird vorbeugend eingesetzt, damit man mit empfindlichen Bronchien keine kalte Luft einatmen muss und die Atemwege feucht bleiben. Jeong Min Kim trägt ihre Masken in einer eigenen Box bei sich oder kauft einzeln verpackte Einwegmasken in der Apotheke. „In Europa beobachte ich oft, dass die Leute schmutzige Masken verwenden, die sie in der Hosentasche verstauen.“

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Auch für Insu Hwang und Samuel Lee ist das Maskentragen eine Selbstverständlichkeit. Insu Hwang ist als neuer Bariton im Ensemble des Theaters mit seiner Familie im Sommer nach Hagen gezogen; Samuel Lee spielt seit einem Jahr als Kontrabassist im Philharmonischen Orchester Hagen. „Im normalen Alltag würden die Leute nicht gucken, ob einer den Mundschutz trägt oder nicht“, berichtet Insu Hwang von seinen Erfahrungen in Seoul. „Jetzt in dieser Krise schauen sie allerdings schon, da sind alle sehr streng und passen untereinander auf, dass jeder die Maske trägt.“

Mit Maske kann man keine Lippen sehen

Für den Sänger und den Musiker hat die Bedeckung durchaus einige Nachteile. Samuel Lee: „Schade, dass wir sowenig voneinander sehen können, aber es handelt sich um eine wichtige Maßnahme in dieser Zeit.“ Insu Hwang ergänzt: „Es ist für Ausländer besonders schwer, Deutsch mit Maske zu verstehen, weil man die Lippen des Gegenübers nicht sehen kann.“ Wegen Corona kann der junge Bariton die Bühne noch nicht so erobern, wie er möchte, denn das Theater spielt ja derzeit keine Vorstellungen. Er freut sich auf den „Liebestrank“ im Januar. Und er hofft auf Verdi- und Wagner-Partien: „Bei Verdi fühle ich mich ganz Zuhause. Später würde ich gerne viele Wagner-Rollen versuchen, dafür bin ich jedoch noch zu jung.“

Gegen die Kälte ankämpfen

Der Tanz lebt vom Körperkontakt der Protagonisten, daher zwingt Corona das Ballett zu einem neuen gestischen Vokabular. In Ensembleszenen agiert die Compagnie zum gegenseitigen Schutz mit durchsichtigen Kunststoffmasken, „das ist wegen der körperlichen Herausforderung extrem anstrengend“. Der Ballettsaal, wo geprobt wird, verfügt über gegenüberliegende Fenster, gelüftet wird ständig. „Das ist superkalt“, sagt Jeong Min Kim und kuschelt sich in ihren flauschigen Mantel, „es ist für uns nicht leicht, uns unter solchen Bedingungen aufzuwärmen, wir kämpfen jeden Tag gegen die Kälte an.“

Dennoch hört man keinen Protest und keine Klagen über fehlende Auftritte oder abgesagte Flüge in die Heimat zu den Eltern von den Künstlern. Jeong Min Kim ist davon überzeugt, dass es gegen Corona auf jeden einzelnen ankommt. „Meine Meinung ist: Wir müssen die Maske tragen. Nicht meinetwegen, sondern wegen der Menschen um mich herum. Das ist jetzt wirklich die Überlebensnotwendigkeit.“