Hagen/Sauerland/Halle. Der Corona-Impfstoff wird bald wohl auch in Westfalen produziert. Was das Unternehmen dazu sagt und wie die Region Impfzentren vorbereitet.

Den Impfstoff gegen das Coronavirus zu entwickeln, ist eine wissenschaftliche Herkules-Aufgabe. Aber auch die Verteilung wird zum organisatorischen Kraftakt. Und der muss vor Ort bewältigt werden. Die Krisenstäbe in den Landkreisen und Großstädten der Region beginnen mit den Vorbereitungen. Vieles ist noch unklar, doch bei machen Dingen lichtet sich auch der Nebel. Ein Überblick.

Wo soll geimpft werden?

Die NRW-Landesregierung hat angekündigt, dass es mindestens 53 Impfzentren im Land geben soll – und zwar in jedem Landkreis bzw. jeder kreisfreien Stadt zumindest eines. Wo sie genau entstehen sollen, ist noch nicht bekannt. Am kommenden Montag will NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann mit allen Landräten und Oberbürgermeistern über das Thema sprechen. Die Krisenstäbe vor Ort suchen aber schon jetzt nach geeigneten Standorten.

Etwa im Märkischen Kreis: Das Gebäudemanagement prüfe unter anderem Turnhallen, bestätigt Sprecher Hendrik Klein. „Wegen der Größe unseres Kreises – 1061 Quadratkilometer – sollte sich das Impfzentrum in zentraler Lage befinden. Es muss räumliche Kapazitäten und genügend Parkplätze haben, damit die Menschen mit ihren Pkw vorfahren können.“ Auch beim Hochsauerlandkreis, so Sprecher Martin Reuther, ist man mit der Frage beschäftigt, wie der Impfstoff verteilt werden kann. Am Ende müssen in den einzelnen Kreisen und Städten immerhin Hunderttausende Menschen geimpft werden. Geht man von einer Impfquote von 70 Prozent aus, wären es allein in den zwölf Kreisen und Großstädten im Regierungsbezirk Arnsberg rund 2,4 Millionen Menschen. Auch Krankenhausstandorte könnten sich als Impfzentren anbieten. So sagt etwa Sandra Lorenz, Pressesprecherin des Helios-Klinikums in Schwelm: „Generell befürworten wir die Einrichtung eines Impfzentrums des Gesundheitsamtes und können uns dies etwa in Form von Containern oder Zelten im nahen Umfeld unserer Klinik vorstellen.“

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Wo kommt der Impfstoff her?

Er könnte auch ganz aus der Nähe kommen: Der von BionTech und Pfizer entwickelte Impfstoff gegen das Coronavirus wird vermutlich auch in Westfalen produziert werden: in Halle am dortigen Standort des US-amerikanischen Pharmaunternehmens Baxter Oncology, dessen Kerngeschäft derzeit die Produktion von Krebsmedikamenten ist. Auch wenn Personalchef Jürgen Fleischer dies im Gespräch mit dieser Zeitung derzeit „weder bestätigen noch dementieren“ kann. Eine mögliche Kommunikation darüber, so Fleischer, obliege dem Mutterkonzern als börsennotiertem Unternehmen und dem eigentlichen Eigentümer des Impfstoffs. „Wir würden im Fall der Fälle lediglich in dessen Auftrag produzieren.“ Weil die verschiedenen Hersteller nicht genügend Produktionskapazitäten hätten, müsse man Alternativen finden. Grundsätzlich böten sich da Hersteller an, die Medikamente produzierten, die wie Impfstoffe in die Haut injiziert werden. So wie bei den Krebsmitteln aus Halle-Künsebeck.

Sollte Ostwestfalen Produktionsstandort für einen Corona-Impfstoff werden, müssten Fleischer zufolge in dem Werk nur „überschaubare technische Umbauten an den Anlagen“ vorgenommen werden. „Grundsätzlich hätten wir das Knowhow, die wissenschaftliche Expertise, die technischen Gerätschaften und die Kenntnisse über pharmazeutische Regularien, um einen Impfstoff herzustellen.“ Übrigens: Anfang 2021 will Biontech auch in Marburg im nahen Hessen selbst den Impfstoff in einem eigenen Werk herstellen. Und zwar 250 Millionen Dosen im ersten Halbjahr.

Wer wird impfen?

Ob auch die niedergelassenen Hausärzte in den Impfzentren eingesetzt werden, ist noch unklar. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) verweist darauf, dass im Moment alles noch „sehr theoretisch“ sei: „Erst wenn die Standorte der Impfzentren feststehen, wird es konkreter. Dann können wir sehen, wie die Kommunen das umsetzen wollen und ob sie Hilfe von der KVWL benötigen.“

Warum werden Impfzentren eingerichtet und der Impfstoff nicht direkt an Ärzte oder Krankenhäuser verteilt?

Die Impfung setzt eine reibungslose Logistikkette voraus, so das NRW-Gesundheitsministerium: „Da zumindest der Biontech-Impfstoff bei minus 70 Grad gekühlt werden müsste. Darüber hinaus kann in Impfzentren eine hohe Zahl von Menschen geimpft werden.“ Zudem erleichterten Impfzentren die „notwendige Priorisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen bei der Impfstoffverabreichung“. Neben den Impfzentren sollen auch mobile Teams eingesetzt werden, die etwa in Seniorenheimen impfen.

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Wer wird denn zuerst geimpft?

„Wir können heute noch nicht mit letzter Gewissheit sagen, welche Bevölkerungsgruppen zuerst geimpft werden können“, sagt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. „Ein besonderer Fokus liegt aber zunächst auf den vulnerablen Bevölkerungsgruppen.“ Sprich: auf den besonders gefährdeten Risikogruppen. Und natürlich steht auch das Klinikpersonal ganz oben auf der Liste. So ist zum Beispiel schon dem Marienkrankenhaus in Siegen angekündigt worden, dass noch in diesem Jahr Impfdosen direkt geliefert werden könnten. Ähnlich auch im Klinikum Hochsauerland: „So soll dem medizinischen Personal eine zeitnahe Impfung und somit ein zusätzlicher Schutz ermöglicht werden, wobei von zwei Impfungen ausgegangen wird“, sagt Sprecher Richard Bornkeßel. Eine entsprechende Information habe die Geschäftsführung bei einer Telefonkonferenz mit dem HSK-Gesundheitsamts erhalten.