Paderborn/Olpe. Jeder Zweite glaubt einer Studie zufolge, dass die Vereine um ihre Zukunft fürchten müssen, wenn Corona auch die nächste Saison ruiniert.

Ein Schützenfest als Videokonferenz? Schwer vorstellbar. Geselliges Beisammensein in grüner Uniform mit einem Glas Bier per Telefonschalte? Kaum denkbar. Die Corona-Krise trifft die Schützenvereine bis ins Mark. Die Erkenntnis kommt nicht überraschend, aber jetzt ist sie auch wissenschaftlich untermauert.

„Die kulturelle Praxis der Schützenvereine ist durch die Pandemie in ihrem Lebensnerv und Wesenskern getroffen, da gerade das Zusammenspiel von Gemeinschaft und Geselligkeit in der Krise nur schwer realisierbar und digital simulierbar ist“, sagt Jonas Leineweber (26) von der Universität Paderborn . Der Wissenschaftler des Kompetenzzentrums für Kulturerbe hat in Kooperation mit der Warsteiner Brauerei bei den Schützenvereinen nachgeforscht, welche Spuren Corona bei ihnen hinterlassen hat. Bisher, muss es wohl besser heißen. Denn das Ende der Krise ist ja noch nicht in Sicht.

Ort der Begegnung fehlt

90 Prozent der mehr als 2200 online Befragten bedauern am meisten den Ausfall des Schützenfests . Ihnen fehlt vor allem der Ort der Begegnung und das Wiedersehen mit Freunden. Trotzdem halten 95 Prozent die Entscheidung für richtig, die Feste wegen Corona ausfallen zu lassen. Bisher sei es noch nicht zu einer Entwöhnung oder gar Abwendung von den Schützenvereinen gekommen, stellen die Wissenschaftler fest. Für jeden vierten Befragten sei die Bedeutung des Vereins sogar gestiegen.

Das bestätigt Martin Tilmann, Bundesoberst des Sauerländer Schützenbundes , der mehr als 340 Vereine repräsentiert. „Wir können noch keinen großen Mitgliederschwund feststellen“, sagt er dieser Zeitung.

Bundesoberst Martin Tillmann
Bundesoberst Martin Tillmann © WP | Privat

Das könnte sich allerdings ändern, sollte die Pandemie auch das kommende Jahr bestimmen . Gut jeder zweite Befragte befürchtet, dass die Vereine in eine Existenzkrise geraten könnten, sollte Corona auch die nächste Schützenfestsaison verhindern. „Ein Jahr kann man verschmerzen, aber dann wird es vor allem für kleine Vereine schwierig“, sagt Tillmann. In der Umfrage räumten nur 18 Prozent ein, dass ihr Verein bisher in finanziellen Schwierigkeiten stecke.

Unter dem Virus leiden aber nicht nur die Vereine selbst , sondern auch die Orte, in denen sie aktiv sind. Eine Mehrheit der Befragten äußerte die Sorge, dass das Gemeinschaftsgefühl in der Gemeinde Schaden nehmen könnte, wenn das Schützenwesen vor dem Virus die Waffen strecken müsse. „Die Angaben zu den Auswirkungen für den gesamten Ort und die Ortsgemeinschaft, in dem die Schützenvereine ansässig sind, lassen erahnen, welche Bedeutung die Vereine gerade in den ländlichen Regionen als Träger kultureller Infrastruktur und gemeinschaftsstiftender Faktor einnehmen“, sagt Leineweber.

Corona als Quelle der Inspiration

Und nun zum Positiven: Die Pandemie könne sich auch als Quelle der Inspiration und Transformation beweisen, stellen die Paderborner Wissenschaftler fest. 33 Prozent der Befragten machen in ihren Vereinen eine gesteigerte Kreativität aus. Vor allem die Digitalisierung habe man dort vorangetrieben. „Gemeinschaft und Geselligkeit sind nicht digital simulierbar“, räumt Leineweber ein. „Da kann man zuschauen, es aber nicht direkt erleben.“ Das müsse die Gesellschaft berücksichtigen, wenn sie darüber nachdenke, wie man das Schützenwesen in der Corona-Krise unterstützen könne.