Dortmund/Hagen. Durch die Corona-Einschränkungen fielen Ausbildungsmessen und Praktika aus. Jetzt droht dem Handwerk ein „Nachwuchsloch“.

Die Corona-Pandemie droht Langzeitwirkung auf das Handwerk zu entfalten. Immer noch sind viele Betriebe auf der Suche nach Auszubildenden – die scheinen aber in der Krise irgendwie verloren gegangen zu sein.

Man habe viel versucht, sagt Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer Dortmund. Zuletzt sogar niedrigschwellige Ansprache über Kanäle wie Whatsapp. Aber nach wie vor sind hunderte Lehrstellen allein in diesem Kammerbezirk weiter unbesetzt. „Das ist ein Rückschlag für die Bemühungen des Handwerks“, sagt Schröder.

Berufsvorbereitung in Schulen fehlt

In den vergangenen 20 Jahren sei die Zahl der Ausbildungsbetriebe lange kontinuierlich gesunken. Gegenüber der Jahrtausendwende bilde nur noch etwa die Hälfte der Unternehmen aus. Ein Lichtblick war 2019 mit über 4000 neuen Ausbildungsverträgen und gut 10.000 Azubis im Kammerbezirk. Das Coronajahr 2020 hat diese Entwicklung gestoppt. „Es ist eine schwierige Situation. Die Wege zu den Jugendlichen sind uns versperrt“, spielt der Präsident darauf an, dass aktuell Kontakte zu Schulen auf Eis liegen. Schröders Befürchtung: „Auch 2021 wird nicht besser.“

Handwerkskammerpräsident Berthold Schröder vergangene Woche bei einer Veranstaltung mit NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann zum Thema Ausbildung.
Handwerkskammerpräsident Berthold Schröder vergangene Woche bei einer Veranstaltung mit NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann zum Thema Ausbildung. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

In Nordrhein-Westfalen seit Jahren etablierte Mechanismen der Berufsvorbereitung mit Berufsfelderkundung und Praktika („Kein Abschluss ohne Anschluss“) funktionieren in dieser Ausnahmesituation offenbar nicht mehr, weil nach wochenlangen Unterrichtsausfällen der Fokus darauf gerichtet sei, die Fach-Lehrpläne zu erfüllen.

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Man kann nicht von einem komplett verlorenen Jahrgang sprechen, schließlich sind mit Stichtag 31. Oktober im Kammerbezirk immerhin 3555 neue Lehrverträge abgeschlossen worden. Dennoch bedeutet dies ein Minus von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und diejenigen Schulabgänger, die potenzielle Kandidaten für das Handwerk waren oder sind, tauchten laut Kammerpräsident auch nicht in Berufskollegs auf, wie dies sonst schon einmal der Fall ist: „Wir wissen gar nicht, wo die Leute geblieben sind!“

Eigentlich beginnt das Ausbildungsjahr im August oder spätestens September. In Ausnahmefällen auch noch danach. Im Bemühen darum, so wenig Nachwuchs wie möglich zu verlieren, ist es noch bis Januar möglich, eine Lehre zu beginnen, ermuntert Schröder alle bislang unversorgten, aber doch interessierten Jugendlichen. „Es ist noch immer möglich, jetzt eine Ausbildung zu beginnen.“

Erhebliche Rückgänge bei der Zahl der Ausbildungsverträge hat die Kammer sogar in der Lieblingsbranche der Jungs, dem Kfz-Handwerk zu verzeichnen. „Dafür gibt es harte wirtschaftliche Gründe. Schließlich hat die Branche erhebliche wirtschaftliche Einbußen erlebt.“ Womöglich hat dies potenzielle Bewerber für eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker verunsichert. Weniger klar sei, warum beispielsweise im Elektrohandwerk viele Stellen offen blieben. Auch Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie Azubis im Lebensmittelhandwerk (Bäckerei) werden noch gesucht.

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Nach wie vor beschäftigt das Handwerk die „Akademisierungsdebatte“. Und nach wie vor mangelt es aus Sicht des Kammerpräsidenten vor allem an gesellschaftlicher Anerkennung für die duale Berufsausbildung. Es falle immer noch schwer, Eltern und Lehrer zu erreichen. Und die seien oft entscheidend, weiß Schröder. Dazu gesellten sich Defizite auf politischer Ebene. Während das Land Nordrhein-Westfalen Milliardenbeträge in Hochschullandschaften gesteckt habe, seien die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten der Kammern lange vergessen worden. Um die duale Ausbildung im Handwerk und der Industrie attraktiv zu machen, müssten aber auch die Bildungszentren für junge Menschen attraktiv sein. Die Dortmunder Kammer habe dafür eine Investitionsoffensive gestartet und modernisiere gerade in Soest für einen zweistelligen Millionenbetrag.

Noch gute Chancen

Die Chancen auf dem Ausbildungsmarkt sind laut Handwerkskammer derzeit groß. Im Kammerbezirk Dortmund sind aktuell noch knapp 400 Lehrstellen ab sofort zu besetzen.

Kontakt zu den Lehrstellenvermittlern unter 0231/5493-333 (auch per WhatsApp möglich) oder per E-Mail: ausbildungsberatung@hwk-do.de Internet: www. hwk-do.de/ausbildung

Auch in der Lehrstellenbörse der die Handwerkskammer Südwestfalen sind noch offene Plätze zu finden: www.hwk-swf.de/lehrstellenboerse

Land und Bund leisten zwar einen Beitrag zur Modernisierung, von der einmal vereinbarten Drittelfinanzierung sei man aber in NRW weit entfernt. „Es geht hier auch um die Frage der Gerechtigkeit“, kritisiert Schröder.