Berlin/Herdecke. Der Berliner Landesbranddirektor Karsten Homrighausen, aufgewachsen in Herdecke, will Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes werden.
Karsten Homrighausen (52), Landesbranddirektor in Berlin, leitet Deutschlands größte und älteste Berufsfeuerwehr. Der dreifache Familienvater, aufgewachsen in Herdecke, wollte sich eigentlich am 24. Oktober auf der Delegiertenversammlung des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) als Nachfolger des zurückgetretenen Schwelmers Hartmut Ziebs zum neuen Präsidenten wählen lassen. Die Versammlung ist inzwischen verschoben worden, soll frühestens im Dezember virtuell stattfinden.
Sie sind in Baden-Württemberg geboren, als Kind nach Herdecke gezogen, haben in Bochum im Fach Chemie promoviert, waren zwei Jahre Referatsleiter im baden-württembergischen Innenministerium, bevor Sie 2018 nach Berlin wechselten. Und Sie haben einen Nachnamen, der in Wittgenstein sehr verbreitet ist. Beste Voraussetzung, um einen Bundesverband zu führen. Oder?
Karsten Homrighausen: Ich muss Sie zunächst enttäuschen: Ich habe keine verwandtschaftlichen Beziehungen nach Wittgenstein. Meine Familie ist nach Herdecke gezogen, als ich drei Jahre alt war. Ich habe dort bis zum 30. Lebensjahr gewohnt. Bevor ich nach Berlin kam, war ich rund 20 Jahre in Baden-Württemberg tätig. Dieser Landesverband begrüßt meine Kandidatur für das Amt des Präsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes, ebenso mein „neuer“ Heimatverband, der Landesverband Berlin.
Der Verband gibt seit vielen Monaten ein verheerendes Bild ab. Die öffentliche Schlammschlacht gipfelte in dem Rücktritt von Hartmut Ziebs. Zuletzt hat die Bundesgeschäftsführerin vor dem Arbeitsgericht gegen den eigenen Arbeitgeber geklagt – wegen Diskriminierung und sexueller Belästigung. Wenn Sie gewählt würden, müssten Sie einen Flächenbrand löschen. Wollen Sie sich im Ernst die Finger verbrennen?
Ich habe mich für dieses Amt nicht wirklich beworben, sondern bin von langjährigen Weggefährten angesprochen worden. Ich sei in Berlin doch gut vernetzt und würde viele Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung kennen. Ich stehe für die ehrenamtliche Aufgabe zur Verfügung, weil ich gelernt habe, dass man seinen Teil dazu beitragen muss, wenn sich etwas verändern soll. Und der Deutsche Feuerwehrverband braucht einen Neuanfang. Er befindet sich in der schwersten Krise seiner Geschichte.
Glauben Sie denn, dass genügend Veränderungsbereitschaft an der Spitze der einflussreichen Landesverbände herrscht?
Sie können davon ausgehen, dass ich mir genau anschauen werde, ob der notwendige Veränderungswille da ist. Wir müssen jetzt, und das ist meine Botschaft, nach vorne schauen und alte Gräben überwinden. Wir müssen uns endlich wieder als Interessenvertretung aller Feuerwehrleute präsentieren.
Was, glauben Sie, qualifiziert Sie für das Präsidentenamt?
Dass ich in dem Konflikt keine aktive Rolle gespielt habe. Ich habe mich herausgehalten, bin in den Organen des DFV nicht vertreten. Ich war kein Teil des Problems, kann aber womöglich ein Teil der Lösung sein, weil ich nach meiner Wahrnehmung von vielen Seiten respektiert werde. Auch als Landesbranddirektor per se, so habe ich es erfahren, wird mir Vertrauen entgegengebracht.
Hartmut Ziebs ist unter anderem darüber gestolpert, weil er rechtsnationale Tendenzen bei der Feuerwehr angeprangert hat. Wie gehen Sie mit dem Thema um?
Jeder, der nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht, hat bei uns nichts zu suchen. Ich will die Feuerwehr entpolitisieren und werde jede Form von Extremismus bekämpfen. Die Ansichten des extremen Flügels der AfD beispielsweise sind mit den Grundwerten der Feuerwehr nicht vereinbar.
Sie liefern das Stichwort: Kürzlich hat der Fraktionsvorsitzende der AfD im thüringischen Landtag, Björn Höcke, der vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird, bei den Verbandstagen der thüringischen Feuerwehr ein Grußwort gehalten. Wie haben Sie den Auftritt Höckes empfunden?
Die Einladung an Höcke und die späteren Rechtfertigungsversuche haben zumindest den Eindruck von Gedankenlosigkeit erweckt.
Zurück zu Ihrem Werdegang: Im Alter von 14 Jahren sind Sie zur Jugendfeuerwehr gegangen. Was waren Ihre Beweggründe?
Das waren wahrscheinlich die gleichen Gründe wie bei vielen Jugendlichen: die Möglichkeit, helfen zu können, eine gewisse technische Affinität und die Faszination großer roter Fahrzeuge. Weil es in Herdecke keine Jugendfeuerwehr gab, habe ich mich übrigens zunächst für drei Jahre der Jugendfeuerwehr Wetter angeschlossen. Wenn man so will, war ich der allererste Jugendfeuerwehrmann in Herdecke.
Und sind bis heute Feuerwehrmann. Was macht für Sie die Sache der Feuerwehr aus?
Feuerwehr ist eine Lebenseinstellung. Man hilft anderen Menschen in Not, unabhängig von beispielsweise der Hautfarbe, der Religion oder der sozialen Herkunft, steht füreinander ein und lebt Gemeinschaft. Man erhält einen ganz konkreten Wertekompass. Nebenbei bemerkt: Wenn die besonderen Werte, für die wir stehen, flächendeckend in der Bevölkerung verankert wären, hätten wir manches Problem nicht. Und lassen Sie mich noch ein Wort zur vieldiskutierten Diversität sagen: Wenn nicht bei uns, wo sonst wird Diversität gelebt? Wir haben Mitglieder vom Akademiker bis zum ungelernten Hilfsarbeiter. Man bekommt bei uns eine ganz weite Sicht aufs Leben.
Die Faszination Feuerwehr scheint für junge Leute nach wie vor ungebrochen. Aber auch Sie wird irgendwann der demografische Wandel ereilen. Wie wollen Sie dem begegnen?
Wir machen uns intensive Gedanken darüber, wie wir die Feuerwehr zukunftsfähig machen können. Es hat sich bewährt, dass Feuerwehren in Deutschland sich dem Thema „Kindergruppe in der Jugendfeuerwehr“ aktiv widmen. Denn: Je früher Kinder und Jugendliche gebunden werden, umso nachhaltiger bleiben sie bei uns.
Sie sind das beste Beispiel. Haben Sie noch Kontakte nach Herdecke?
Unbedingt. Mit Mitschülern meines Abitur-Jahrgangs stehe ich immer mal wieder in Kontakt. Und der stellvertretende Leiter der Herdecker Feuerwehr ist ein persönlicher Freund von mir. Es war eine schöne Zeit in Herdecke, an die ich viele Erinnerungen habe. Zum Beispiel, dass ich als Schüler vier Jahre lang die Westfalenpost und die Westfälische Rundschau in Herdecke ausgetragen habe. Ich musste sehr früh aufstehen, manchmal zu früh in einem solchen Alter.