Finnentrop. Außer großen Ankündigungen ist nichts gewesen, sagt Ferdinand Funke, stellvertretender Vorsitzender des Waldbauernverbandes NRW, im Interview.

Viele Waldbauern in NRW befinden sich in einer existenziellen Krise. Das Erbe seiner Kinder sei schon verloren, sagt Ferdinand Funke, stellvertretender Vorsitzender des Waldbauernverbandes NRW. Ein Jahr nach dem nationalen Waldgipfel zieht der Finnentroper ernüchtert Bilanz.

Am 25. September jährt sich der nationale Waldgipfel, der NRW-Waldgipfel folgte am 11. November. Seitdem ist doch bestimmt viel passiert, oder?

Ferdinand Funke: Aus Berlin ist außer großen Ankündigungen beim Waldbesitz nichts angekommen. Zugesagt waren 700 Millionen Euro, aber das Geld aus Berlin ist nicht da.

Warum nicht?

Fragen Sie die Politik.

Und aus Düsseldorf?

Da klappt es besser. Für die Aufarbeitung des Schadholzes gibt es bis zu acht Euro pro Festmeter, die Wiederaufforstung wird mit 80 Prozent bezuschusst.

Dann ist doch alles in Ordnung.

Leider nicht. Die verdammte Bürokratie macht uns das Leben schwer. Der kleine Waldbauer blickt bei den seitenlangen Förderanträgen gar nicht mehr durch. Im Gegenteil: Er wird abgeschreckt. Wenn er deswegen die Flinte ins Korn wirft, heißt es: Der will das Geld doch gar nicht. Die Landesregierung versteckt sich hinter den Vorschriften der Finanzbehörden.

Wie geht es Ihnen persönlich?

Ich besitze 55 Hektar Wald, damit gehöre ich eher zu den kleineren hauptberuflichen Waldbauern. Zehn Hektar hat der Borkenkäfer bereits vernichtet. Damit ist das Erbe für meine Kinder schon zerstört. Als nächstes ist meine Altersvorsorge weg. So geht es vielen Waldbesitzern; der Wald ist ihre Sparkasse. Sie, ihre Familien und ihre Betriebe gehen bald am Stock. Dieses soziale Problem wird aber von der Politik völlig unterschätzt. Der kleine Waldbesitzer ist zu sehr auf sich allein gestellt. Ich habe dem NRW-Ministerpräsidenten das vor drei Wochen auch geschrieben. Leider hat er nicht geantwortet.

Kahle Fichten sind im Sauerland keine Seltenheit mehr.
Kahle Fichten sind im Sauerland keine Seltenheit mehr. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Aber Sie können das Holz doch verkaufen.

Die Preise sind im Keller. 40 Prozent gehen an heimische Sägewerke, für 40 Euro pro Festmeter. 60 Prozent werden im Container nach China verschifft, für 30 Euro. Und wir reden hier nur von den Sahnestücken aus den Bäumen. Allein meine Aufarbeitungskosten liegen bei 25 Euro. Da kann man nichts verdienen. Uns brechen die Einnahmen weg, aber wir sollen den Waldumbau schaffen.

Was werfen Sie der Landesregierung konkret vor?

Umweltministerin Heinen-Esser hört beim Thema Insektizide mehr auf die Umweltverbände als auf die in ihrer Existenz bedrohten Waldbauern. Ich würde gern versuchen, den Borkenkäfer mit Pflanzenschutzmitteln zu bekämpfen, die ich auf die Bäume sprühe. Das ist aber verboten. Ich sage: Lasst es uns auf einer Versuchsfläche doch wenigstens mal ausprobieren.

Der Wald ist auch Kulturlandschaft. Wie verändert der Borkenkäfer Südwestfalen und das Sauerland?

Das Sauerland wird braun. Denn die Mittelgebirge sind besonders stark betroffen. Die älteren Fichtenbestände werden komplett verschwinden. Die abgeholzten Flächen werden aussehen wie riesige Steppen, wenn nicht schnell wieder aufgeforstet wird.

Haben Sie Zweifel daran?

Ja, viele Kollegen schieben Frust wegen der zahlreichen Vorschriften und Auflagen und der immensen Kosten.

Aber Ministerin Heinen-Esser hat doch vor kurzem Erleichterungen verkündet.

Ach ja? Allein das Papier zu den neuen „Maßnahmen zur beschleunigten Antragsbearbeitung der Förderrichtlinie Extremwetterfolgen“ besteht aus fünf Seiten. Es sollte hier doch um praktische Hilfe gehen – und nicht darum, ob jedes Komma an der richtigen Stelle steht.

Die Borkenkäferplage dauert nun schon fast drei Jahre, wann ist der eigentlich mal satt?

Wenn ich das wüsste. Wir haben den Höhepunkt der Krise noch gar nicht erreicht. Wir brauchen einen wechselhaften Winter mit starkem Frost und milden Temperaturen. Und natürlich sehr viel Niederschläge. Dann kriegt der Käfer Probleme.

Haben Sie selbst schon aufgeforstet?

Ja, ich habe schon im Frühjahr den ersten Hektar Douglasie und Lärche angepflanzt. Die sind widerstandsfähiger. Hat mich 4000 bis 5000 Euro gekostet.

Warum keine Buche?

Da geht der Borkenkäfer doch auch rein. Sogar Eichenwälder sterben, und selbst die trockenresistenten Linden verlieren den Überlebenskampf.

Kritiker werfen den Waldbauern vor, sie seien für die Misere selbst verantwortlich, weil sie früher auf Fichten-Monokulturen gesetzt haben­.

Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Die Gesellschaft war es doch, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Fichte haben wollte, um das Land schnell wieder aufzubauen. Der Anbau der Fichte wurde bis in die 1980er Jahre vom Staat noch gefördert. Außerdem besteht unser Wald schon heute zu 60 Prozent aus unterschiedlichen Laubhölzern.

Lasst den Wald doch einfach in Ruhe, fordern Umweltschützer.

Wir sprechen hier von einem Wirtschaftswald. Wenn ich die Fichten jetzt liegen lasse, wachsen bedingt durch die Naturverjüngung höchstens Fichten wieder nach. Einen Mischwald kann ich so nicht erreichen. Nur bewirtschaftete Wälder mit regelmäßiger, in Deutschland üblicher nachhaltiger forstwirtschaftlicher Nutzung binden dauerhaft Kohlendioxid. Die immergrünen Nadelbaumarten sind es, die ganzjährig Photosynthese betreiben und damit unsere Luft zum Atmen reinigen und als Wasserspeicher dienen.

Was erwarten Sie von Bund und Land?

Die Waldbesitzer benötigen für die nächsten 30 Jahre Unterstützung, denn so lange wird ihnen ein großer Teil ihres Einkommens fehlen. Die Gesellschaft muss anerkennen, welche wichtigen Funktionen der Wald erfüllt. Das muss vergütet werden, damit wir die Wälder mit Optimismus wieder aufbauen können.