Hagen. Der Prozess gegen Anhänger der Bandidos ist in Hagen gestartet. Anklageschrift und Erklärung der Verteidigung verraten spannende Details.

Kuttenverbot und massive Polizeipräsenz: Mit erheblichen Sicherheitsvorkehrungen, aber sehr ruhig ist am Montagmorgen der Prozess gegen sechs Mitglieder und Anhänger der Bandidos gestartet. Es geht um den so genannten Hagener Rockerkrieg zwischen den Bandidos und den seit mehr als 45 Jahren in Hagen ansässigen Freeway Riders.

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Die Staatsanwaltschaft wertet die Bandidos als kriminelle Vereinigung, deren Ziel es gewesen sei, ihren Machtanspruch auch mit strafbaren Handlungen und Gewalt durchzusetzen. Unter anderem geht es in dem Prozess um zwei versuchte Tötungsdelikte, in beiden Fällen sollen Schüsse auf Mitglieder der Freeway Riders abgegeben worden sein. Zu den konkreten Vorwürfen hat sich am Montag noch keiner der Angeklagten geäußert. In den Wortmeldung von Staatsanwältin Julia Frehse und Verteidiger Reinhard Peters wurde aber deutlich, wie unterschiedlich der gesamte Komplex bewertet wird.

Hatten Bandidos Spitzel bei den Freeways?

Die Staatsanwältin und ihr Kollege Axel Nölle zeichneten in ihrer Anklage das Bild einer straff organisierten Einheit, die mit Befehl und Gehorsam und teils militärischen Begriffen Straftaten anordnete, die ein Ziel hatten: die konkurrierenden Freeway Riders und auch andere Motorrad- und Rockergruppen zu vertreiben. Laut Staatsanwältin Frehse herrschte in der heißen Phase des Rockerkriegs in Hagen im Jahr 2018 ein regelrechtes Überwachungssystem. Mitglieder oder Sympathisanten, und sei es , dass ein Aufkleber auf dem Auto darauf hindeutete, wurden sofort anderen Bandidos gemeldet, um diese einzuschüchtern. Insbesondere im Visier: die Freeway Riders. Da der damalige Präsident des Bandidos-Chapters früher selbst bei den Freeways war, soll er dort noch einen Spitzel gehabt haben, der Interna weitergab. Zudem soll es eine Lichtbilder-Datei mit Fotos der Freeway-Riders-Mitglieder gegeben haben, so dass die man die ausfindig machen konnte.

Verteidiger: Bandidos „keine kriminelle Vereinigung“

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Rechtsanwalt Reinhard Peters, der in zahlreichen Verfahren Bandidos vertritt, zeichnete dagegen ganz anderes Bild. In einer generellen Erklärung ging er auf die Geschichte der Rockerbewegung ein, machte deutlich, dass diese sich eigene Regeln gegeben hätten, die aus Perspektive eines bürgerlichen Lebens völlig unverständlich und zum Teil auch rechtsstaatlich zumindest fragwürdig seien. Aber diesen Regeln hätten sich die Mitglieder freiwillig unterworfen. „Man kann ganz sicherlich von einer Subkultur sprechen, aber nicht von einer kriminellen Vereinigung.“

Denn wenn man genau schaue, dann gebe es auch andere Gruppen, die ähnliche Regeln hätten: etwa die schlagenden Burschenschaften oder die Ultras in der Fußball Szene. Auch diese würden aber nicht als kriminelle Vereinigung gewertet. Im Hagener Rockerkrieg komme hinzu, dass einige der Protagonisten auf den verschiedenen Seiten einst miteinander befreundet gewesen sein. Einige der nun angeklagten Bandidos waren früher selbst bei den Freeway Riders. Daraus hätten sich Konflikte ergeben, die sicher auch mit Gewalt ausgetragen worden seien. „Aber es gab niemals einen Alleinvertretungsanspruch“, so Anwalt Reinhard Peters. „Und umbringen wollten die Beteiligten ganz sicher nicht gegenseitig. Das wird das Verfahren zeigen.“ Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.