Olpe/Siegen. 16 Mauersegler mussten bei einem brutalen Angriff in der Brücke Ronnewinkel bei Olpe sterben. Die Hintergründe der Tat liegen im Dunkeln.

Der oder die Täter müssen äußerst brutal vorgegangen sein. Sie drangen in die Hohlkammer der Talbrücke Ronnewinkel an der B 54 bei Olpe ein und hinterließen am Brutplatz des Mauerseglers eine Spur der Verwüstung. 16 der artgeschützten Vögel starben. „Jungvögel, die noch nicht flugfähig waren, wurden mutmaßlich tot getreten“, sagt Klaudia Witte, „erwachsene Mauersegler offenbar erschlagen.“ Auf dem Boden entdeckte man eine abgebrochene Latte.

Die Professorin am Institut für Biologie der Universität Siegen, Leiterin eines Forschungsprojekts, das sich seit 2007 dem Mauersegler in der Brücke widmet, versteht auch Tage danach die Welt nicht. „Eine völlig sinnlose Tat“, sagt sie, um alsbald in den Jetzt-erst-recht-Modus überzugehen: „Wir machen weiter, lassen uns nicht abschrecken.“

Fünf Mal Opfer von Einbrechern und Vandalen

Seit Beginn der Studien in der Nähe des Biggesees ist man fünf Mal Opfer von Einbrechern und Vandalen geworden. Klaudia Witte hat keine Erklärung, wer hinter den Taten stecken könnte. Im aktuellen Fall müssten sich der oder die Täter ausgekannt haben: „Den Eingangsbereich findet man nicht einfach so.“

Die Kreispolizei Olpe äußert sich nicht zu den laufenden Ermittlungen. „Es sind Hinweise eingegangen“, sagt eine Sprecherin. Aber der alles Entscheidende war offenbar nicht dabei. Am Montag ging man mit einer weiteren Pressemitteilung an die Öffentlichkeit. Neben der Uni Siegen hat jetzt auch eine Privatperson 1000 Euro Belohnung ausgesetzt: „Wir suchen weitere Hinweisgeber.“

Vögel können 20 Jahre alt werden

Wie die Behörde weiter mitteilte, gefährdet die „Straftat nach dem Bundesnaturschutzgesetz“ das wissenschaftliche Projekt. Klaudia Witte gibt Entwarnung: „Es ist um jeden der 16 getöteten Vögel schade“, sagt sie, „aber die Gesamtbrutkolonie ist nicht gefährdet.“

Dennoch ist es ein empfindlicher Schlag. Jetzt seien es nur noch um die 60 Brutpaare, die sich in der Bundesstraßen-Brücke einfinden. „Auf längere Sicht werden uns nach dem Tod der 16 Vögel etwa 60 Tiere, über mehrere Jahre gerechnet, verloren gehen“, erklärt die Biologin: „Da es sich bei Mauerseglern um langlebige Vögel handelt – sie können 20 Jahre alt werden –, wäre es möglich gewesen, dass sich die getöteten erwachsenen Vögel noch sechs, sieben Jahre in der Ronnewinkler Brücke hätten fortpflanzen können. Und die Jungvögel hätten auch das Potenzial gehabt, den Ort als Brutplatz zu nutzen.“

Siegener Forschungsarbeit in der Fachwelt sehr beachtet

Die Arbeit der Siegener Forscher wird in der Fachwelt sehr beachtet. Mit Hilfe sogenannter Geoloktoren – Datenspeichern in Form eines Mini-Rucksacks an den Tierkörpern – könne man Näheres über Zugrouten und Überwinterungsgebiete erfahren.

Mauersegler seien für die Forschung interessant, weil sie einen extremen Lebensstil hätten, sagt Klaudia Witte. Sie blieben im Jahr gut zehn Monate in der Luft – nur nicht in der Brutphase. „Sie machen alles in der Luft: essen, sich paaren und auch schlafen. Das geschieht, indem sie nur eine Hirnhälfte schlafen legen.“

Anhand der Mauersegler ließen sich „Lebenslaufstrategien“ erkennen: „Also alle Verhaltensweisen und Anpassungen, die den Zweck haben, den eigenen lebenslangen Fortpflanzungserfolg zu maximieren“.

Forschung 2007 gestartet

Wärme kann den Fortpflanzungserfolg offenbar begünstigen. Warum sucht sich dann der Vogel Brutplätze in dieser Region? Klaudia Witte: „Das Sauerland, wie die Nordhemisphäre, hat gegenüber dem Winterquartier in Afrika den Vorteil, dass es dort im Sommer 16 Stunden am Tag hell ist. Das heißt, die Tiere können eine lange Zeit Insekten als Nahrung für die Jungen jagen.“

2003 hatten örtliche Ornithologen in der Brücke 20 bis 30 Nester entdeckt. 2007 wurde das Forschungsprojekt mit 38 Brutpaaren gestartet. „Der Platz unter der Brücke ist für Mauersegler ideal, weil der Raum groß und frei von Ratten ist“, so Klaudia Witte. Während Nagetiere dort nicht hineinkämen, fänden die Vögel durch die 271 Belüftungslöcher den Weg ins Innere – und kämen schnell wieder hinaus, wenn sie Insekten suchen.

Mauersegler steht unter Artenschutz

Matthias Klein vom Olper Kreisverband des Naturschutzbundes Nabu kann das nur unterstreichen: „Ein wunderbarer Brutplatz. Dort sind die Mauersegler eigentlich völlig ungestört.“ Der Vogel steht unter Artenschutz: Durch Häusersanierungen (Klaudia Witte: „Für die Wärmedämmung werden alle Ritzen verschlossen.“) und durch moderne Bauweisen hätten sich die Nistmöglichkeiten an Hohlräumen deutlich verschlechtert.

Klaudia Witte und ein Mitarbeiter waren noch am Dienstagmorgen in der Brücke: „Es sind nur noch wenige Brutpaare da. Der Großteil ist bereits ausgeflogen.“ Dass diese trotz der Tötung ihrer Artgenossen zurückkehren werden und so Forschungsobjekt bleiben können, ist wahrscheinlich: Nabu-Mann Matthias Klein: „Mauersegler fliegen gerne an alte Brutplätze zurück.“

Hintergrund:

Vogel mit großen Flügeln

Nach Angaben von Klaudia Witte, Biologin an der Universität­ Siegen, sind für den Mauersegler charakteristisch: die große Flügellänge für einen eher kleinen Vogel (bis zu 18 Zentimeter pro Flügel), die sichelförmigen Flügel, die relativ großen Augen sowie der Riesenschlund, der sich auftut, wenn der Vogel den Schnabel öffnet.