Olpe/Siegen. In Olpe sind Unbekannte in eine Hohlkammer unter der Ronnewinkler Brücke eingebrochen, wo Mauersegler brüten. 15 Vögel kamen ums Leben.
Prof. Dr. Klaudia Witte, Biologie-Professorin der Universität Siegen, ist ebenso entsetzt wie ratlos: „Das sind perverse Kriminelle, und sie haben es ja nicht zum ersten Mal auf unser Projekt abgesehen. Die Tat war geplant. Das müssen Leute aus der Region sein, die sich dort auskennen.“
Was die Biologin so erschüttert, ist völlig rätselhaft: Laut Pressemeldung der Polizei hatten sich noch unbekannte Täter in der Nacht auf Donnerstag, 16. Juli, Zutritt in die Hohlkammer eines Pfeilers der Ronnewinkler Talbrücke verschafft, wo sich die Uni Siegen seit 2007 im Rahmen eines ornithologischen Forschungsprojektes mit Mauerseglern beschäftigt. Vermutlich wurden die Tiere schon durch das Einschalten der Beleuchtung irritiert und flogen orientierungslos in der Hohlkammer umher, doch das war beileibe nicht alles.
Im Innern des Pfeilers wüteten die Täter offensichtlich mit einer unfassbaren Aggression: 15 Vogel-Kadaver der geschützten Art konnten bisher ausgemacht werden, und Prof. Dr. Witte ist ihr Entsetzen über die Brutalität der Täter im Gespräch mit unserer Redaktion anzumerken: „Die älteren Tiere sind offenbar mit Latten erschlagen, die noch flugunfähigen Kleinen zertreten worden.“
Uni Siegen lobt Belohnung für Hinweise aus
Kein Wunder, dass die Universität eine Belohnung ausgesetzt hat für Hinweise zur Ergreifung der Täter. Die bisherigen Ermittlungen haben ergeben, dass die Einbrecher in der Tatnacht das Vorhängeschloss des Schutzgitters mit einem Bolzenschneider durchtrennt hatten, um sich Zutritt zu verschaffen. In der Hohlkammer, in der sich Gerätschaften der Universität befinden, stahlen sie einen Werkzeugkoffer, in dem sich ein Chip-Lesegerät, eine Beringungszange, eine Präzisionswaage, eine Stirnlampe und diverse Kleinteile im Gesamtwert von etwa 400 Euro befanden. Auf die Frage, was ein Nicht-Ornithologe mit solchen Spezialwerkzeugen anfangen könne, vermutet Prof. Dr. Witte nur einen Verkaufsversuch über Ebay, „um zu Geld zu machen“.
Was die Forscherin besonders beunruhigt, ist die Tatsache, dass ihr Forschungsprojekt schon zum fünften Mal Opfer von Einbrechern und Vandalen geworden sei. Ihr ernüchterndes Fazit: „Wir sehen eine klare Steigerung, was das kriminelle Ausmaß der Taten angeht.“ Neben Einbruchsdiebstahl stellt das Töten der unter Artenschutz stehenden Mauersegler eine Straftat nach dem Bundesnaturschutzgesetz dar.
Zwei Forscher auch schon eingesperrt
Die Übergriffe auf das Ornithologie-Forschungsprojekt der Uni Siegen unter der Ronnewinkler Talbrücke haben Geschichte. Der jetzige Anschlag auf das Projekt sei bereits der fünfte Vorfall, wie Prof. Dr. Klaudia Witte bilanziert.
2014 und 2016 ereigneten sich Einbrüche, wobei sich die Täter aber nur an Gegenständen und nicht an den Tieren vergriffen hätten.
Mitte Juni 2018 dann der bisher kurioseste Vorfall, den damals auch die Polizei vermeldete: Zwei zum Forschungsprojekt gehörende Biologen befanden sich gerade im Innern der Talbrückenpfeiler, als sie von unbekannten Tätern eingesperrt wurden. Der Zugang zur Hohlkammer der Brücke ist mit einem Metallgitter und einem Schloss gesichert, doch die Unbekannten hatten den Eingang mit einem Metalldraht verschlossen, so dass sich die Forscher nur mit Hilfe eines weiteren Drahtes aus ihrer misslichen Situation befreien konnten.
Nach einer erneuten Beschädigung des Eingangsbereiches im Jahr 2019 ist der jetzige Vorfall somit der fünfte Übergriff auf das Siegener Ornithologieprojekt.
Trotz der immer wieder vorkommenden Übergriffe wollen sich die Forscher nicht von ihrem erfolgreichen Projekt abbringen lassen: „Wir haben 2007 nach Hinweisen von Ornithologen aus Lennestadt auf die Talbrücke mit 38 Brutpaaren angefangen, heute sind es bereits 61, abzüglich der jetzt getöteten Tiere“, sagt Klaudia Witte. Die kleinen Segler vollbrächten Jahr für Jahr unglaubliche Flugleistungen. Lediglich für die Brut und Aufzucht halten sie sich auf dem Boden auf. Die ersten Jungtiere schlüpfen Anfang Juni, für die europäischen Wintermonate fliegen die Insektenfresser ohne Flug-Unterbrechung nach Afrika und Anfang Mai wieder zurück.
Mauersegler brüten regelmäßig an der Talbrücke
Klaudia Witte: „Sie tun alles in der Luft, schlafen, essen, sogar paaren, von Ende August bis Mitte April.“ Erkenntnisse über das Leben der Mauersegler und ihre Lebensgewohnheiten erhalten die Forscher aus Siegen u. a. mit Hilfe von so genannten Geolocatoren, die für etwa ein Jahr an den Seglern befestigt werden. Mauersegler können bis zu 20 Jahre alt werden. Ein Olper Weibchen, das wie viele ihrer Artgenossen einen Erkennungsring um den Fuß trägt, ist bereits zum siebten Mal zum Brüten zur Talbrücke gekommen.
Bei der Frage, was jemand gegen die possierlichen Dauerflieger haben könnte, das eine solche Aggression auslöst, tappen die Ornithologen noch im Dunkel. Klaudia Witte: „Wir können es uns überhaupt nicht erklären.“
Hinweise nimmt die Polizei in Olpe unter Tel. 02761/92690 entgegen. Die Belohnung für entscheidende Hinweise beträgt 1000 Euro.