Olpe. . Das Innere der Talbrücke Ronnewinkel ist der reinste Kreißsaal. 50 Mauerseglerpaare brüten dort, bevor sie nach Afrika fliegen.

  • Experten der Uni Siegen erforschen Flugrouten der Vögel
  • In Mini-Tornistern werden die wichtigsten Daten gespeichert
  • Bis zu 1000 Kilometer am Tag sind keine Seltenheit

Kaum zu glauben, aber wahr: Wer über die Ronnewinkeler Talbrücke fährt, rollt über das Dach eines Kreißsaals. In den 16 jeweils gut 40 Meter langen Brückenkammer brüten rund 50 Mauerseglerpaare, um dann nach Afrika zu fliegen und sich im Jahr darauf erneut in dem 372 Meter langen Stahlbetonbauwerk über dem Biggesee einzunisten.

„Für den weiten Weg von Westafrika zurück nach Olpe benötigen die Schnellsten nur fünf Tage“, sagt Arndt Wellbrock. Der Diplom-Biologe ist Doktorand an der Uni Siegen, arbeitet dort seit 2010 in der Fachgruppe Ökologie und Verhaltensbiologie, schreibt seine Doktorarbeit über die Mauersegler und hat die Ronnewinkeler Talbrücke zu seiner Forschungsstation erkoren.

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Bevor die Mauersegler ab Ende April wieder in Olpe eintrudeln und durch die insgesamt 271 Lüftungslöcher ins Brückeninnere fliegen, muss Wellbrock die im Winter ausgelagerte Forschungsausrüstung wieder aufgebaut haben. „Wir haben Infrarot-Kameras, mit denen wir rund 20 Nester beobachten können, und zusätzlich eine Art Antennensystem“, betont der 38-Jährige. Diese Antennen sind Kupferspulen, die ein Signal an Wellbrocks Laptop senden, wenn ein Mauersegler ein Nest in Beschlag nimmt: Ringe mit aufgeklebten Chips an den Füßen der Vögel machen’s möglich.

„Material zum Wiegen der Küken brauchen wir natürlich auch“, so der Diplom-Biologe. „Ich gehe die Nester ab, wiege die Küken und bringe sie wieder ins Nest zurück.“

Tornister im Miniaturformat

Highlight des Datenerfassungssystems in der stockfinsteren Kinderstube der Mauersegler sind aber die Rucksäcke (Geolokatoren). Mit diesen gerade einmal 0,7 Gramm wiegenden Mini-Ranzen sammeln die Mauersegler bei ihrem Flug nach Afrika und wieder zurück Daten, die Aufschluss über ihre Flugrouten und Zielplätze geben. In der Ronnewinkeler Talbrücke werden die Memory-Tornister dann ausgelesen. „Diese Rucksäckchen dürfen nur maximal fünf Prozent des Körpergewichts eines Mauerseglers wiegen“, erklärt Arndt Wellbrock. Daher sind sie auch nicht mit einem GPS-Sender versehen, der eine Echtzeit-Verfolgung der Flugroute ermöglichen würde. „So etwas wäre zu schwer“, so der 38-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wenn ein Vogel also nicht zurückkommt, gibt’s keine Daten.“

Arndt Wellbrock und die Mauersegler

Der Geolokator ist umgeschnallt. Mit dem Rucksäcklein geht's für den Mauersegler in Richtung Afrika.
Der Geolokator ist umgeschnallt. Mit dem Rucksäcklein geht's für den Mauersegler in Richtung Afrika. © Arndt Wellbrock
Arndt Wellbrock ist ans Tageslicht geklettert. Unter der Brücke hält er einen Mauersegler in den Händen.
Arndt Wellbrock ist ans Tageslicht geklettert. Unter der Brücke hält er einen Mauersegler in den Händen. © Ilka Kureck
Die Mauersegler-Küken im Nest sind nun flügge. Schon bald werden sie die Ronnewinkeler Talbrücke verlassen.
Die Mauersegler-Küken im Nest sind nun flügge. Schon bald werden sie die Ronnewinkeler Talbrücke verlassen. © Arndt Wellbrock
Die Forscher streifen den Mauerseglern mit vereinten Kräften die Datentornister über.
Die Forscher streifen den Mauerseglern mit vereinten Kräften die Datentornister über. © Ilka Kureck
Mauersegler beim Brüten. Um das Nest herum ist ein Sensor angebracht, der anzeigt, wenn ein Vogel es in Beschlag nimmt.
Mauersegler beim Brüten. Um das Nest herum ist ein Sensor angebracht, der anzeigt, wenn ein Vogel es in Beschlag nimmt. © Arndt Wellbrock
Mauersegler bleiben ihren Reisezielen in Afrika treu.
Mauersegler bleiben ihren Reisezielen in Afrika treu. © Uni Siegen
Doktorand Arndt Wellbrock mit einem jungen Mauersegler.
Doktorand Arndt Wellbrock mit einem jungen Mauersegler. © Universität Siegen/Björn Bowinkelmann
Mauersegler in Olpe in einem Brückeninnenraum.
Mauersegler in Olpe in einem Brückeninnenraum. © WP
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Während Wellbrock in der Hochsaison seiner Forschungen von Freiwilligen unterstützt wird, ist er bei der komplizierten Aufgabe, den Mauerseglern Rucksäcke anzulegen, auf ganz besonders kompetente Hilfe angewiesen. Mauersegler haben zwar keine scharfen Schnäbel, aber ihre Krallen sind alles andere als hautfreundlich. Ein Fall für die „Chefin“: Zusammen mit dem Doktoranden streift Prof. Dr. Klaudia Witte, Leiterin der Arbeitsgruppe Ökologie und Verhaltensbiologie, den 40 Gramm wiegenden Probanden die Datenrucksäcklein über.

„Vorher“, so der Siegener Forscher, „müssen die Vögel natürlich gewogen werden.“ Sind sie zu leicht, fliegen sie ohne Zusatzgewicht nach Afrika. Arndt Wellbrocks Brückentage in Ronnewinkel haben Erstaunliches ans Tageslicht gebracht. Mauersegler brüten zwar zusammen, doch danach fällt das Bündnis auseinander

„Vögel aus derselben Brutkolonie überwintern nicht an einem Ort, sondern fliegen unabhängig voneinander nach Afrika“, so der 38-Jährige. „Sie fliegen nicht unbedingt allein, aber nicht zusammen mit ihrem Brutpartner.“ Selbst die Küken halten nicht viel von familiären Bindungen. Wellbrock: „Gut gefütterte Kinder fliegen unabhängig von den Eltern aus.“

Doktorand an der Uni Siegen

Arndt Wellbrock forscht an der Universität Siegen als Doktorand in der Arbeitsgruppe „Ökologie und Verhaltensbiologie“ unter der Leitung von Prof. Dr. Klaudia Witte am Institut für Biologie.

Treuer verhalten sich die Vögel dagegen bei ihren Reisezielen. Mauersegler, deren Aufenthaltsorte in zwei aufeinander folgenden Jahren nachverfolgt wurden, suchten die gleichen Wintergebiete wie im Vorjahr auf.

Wie die Auswertung der Ronnewinkeler Daten ergeben hat, sind die Luftakrobaten bis nach Mosambik, Tansania und Südafrika geflogen. Und beim Frühjahrsflug zurück an den Biggesee haben sie zuerst in Westafrika Energie getankt, bevor sie das tausende Kilometer entfernte Ronnewinkel ansteuerten. „Bei der Route sind die Mauersegler flexibel“, sagt Arndt Wellbrock. Sie fliegen nicht geradewegs in Richtung Olpe, sondern auch schon mal über Kroatien und Italien.

Bummeln ist dabei aber nicht ihre Devise. „Mauersegler“, so der Siegener Forscher, „können am Tag mehr als 1000 Kilometer zurücklegen - das hängt ganz von den Witterungsbedingungen ab.“

Aufzuchtstation für Mauersegler

In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt.
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
Die Mauersegler warten auf die Fütterung.
Die Mauersegler warten auf die Fütterung. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
Das Futter für die kleinen Mauersegler: Insekten.
Das Futter für die kleinen Mauersegler: Insekten. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
Mit einer Pinzette bekommen die kleinen Mauersegler ihre Nahrung.
Mit einer Pinzette bekommen die kleinen Mauersegler ihre Nahrung. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
Der kleine Mauersegler lässt es sich schmecken.
Der kleine Mauersegler lässt es sich schmecken. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
Der Hunger ist schon sehr groß.
Der Hunger ist schon sehr groß. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt.
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt.
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt.
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt.
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt.
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt.
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt.
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt.
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt.
In der Aufzuchtstation für Mauersegler bei Inge Püschel in Mülheim werden die kleinen Vögel aufgepäppelt. © Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services
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Arndt Wellbrock ist jetzt schon gespannt, wie viele Brutpaare er im nächsten Jahr in der Talbrücke Ronnewinkel vorfinden kann. „In diesem Jahr waren es 53.“ Die Brücke ist auch deshalb so beliebt bei den Marathon-Fliegern, weil sie sich gerne in der Nähe von Gewässern aufhalten.

Nahrung in Hülle und Fülle

Am Biggesee gibt’s nicht nur reichlich zu trinken, sondern vor allem jede Menge Essbares: Mücken und andere Insekten stehen bei den Mauerseglern ganz oben auf der Speisekarte. Die fischen sie im Flug aus der Luft. Ein kleines Päuschen auf dem Biggerandweg gibt’s übrigens nicht. Wellbrock: „Mauersegler landen nie am Boden, sie sind immer in der Luft.“ Und das bis zu zehn Monate im Jahr. Selbst die Suche nach Baustoffen für ihre Nester erledigen sie fliegend: Die Mähtraktoren wirbeln genügend brauchbares Material auf.