Hagen. Tänzer können sich nicht aufs Sofa setzen. Wie meistert das Ballett Hagen den Corona-Trainingsstopp? Das verrät Direktorin Marguerite Donlon.
Sie haben es ja schon geprobt. Einzelhaft, Isolation, Quarantäne. Zuhause sind sie geblieben, um ein Gespür dafür zu bekommen. Aber das war nur gespielt, ein Experiment, eine verrückte Idee zur Vorbereitung auf „Schwanensee“. Nun holt das Leben die Kunst ein - und die Hagener Ballett-Compagnie befindet sich real im Homeoffice. Kann das gut gehen?
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„Professionelle Tänzer können nicht einfach Daheim bleiben und warten“, beschreibt Marguerite Donlon, Direktorin des Balletts Hagen, die Situation. „Der Körper ist unser Werkzeug. Wofür wir täglich trainieren, das kann nicht auf Eis gelegt werden.“ Also haben sich die jungen Frauen und Männer, die aus der ganzen Welt an das Theater Hagen gekommen sind, etwas einfallen lassen. Sie üben in ihren Wohnungen, meistens in der Küche.
Tisch oder Stuhl müssen die Stange ersetzen. Und sie vernetzen sich dabei per Videochat untereinander, damit es wenigstens auf diesem Wege ein Feedback und gegenseitige Unterstützung gibt. „Als Company arbeiten wir immer in einer Gruppendynamik im Team“, unterstreicht Marguerite Donlon. „Das gemeinsame Training am Vormittag ist für uns eine private und wichtige Sache. Wenn das plötzlich wegfällt, ist das für die Einzelnen schwer. Die Tänzer sind teilweise noch sehr jung und sehr weit weg von Zuhause.“
Cyber-Training via Instagram
Das tägliche Cyber-Training mit Workouts, Ballettunterricht und choreografischen Workshops teilt die Compagnie übrigens öffentlich. Es wird um 11 Uhr live über den Instagram-Account des Balletts Hagen gestreamt.
Derzeit bereitet die Hagener Company das berühmteste aller Ballette vor: Schwanensee. Mit der unglaublichen Musik von Tschaikowski. Höchste Tanzkunst und eine bittersüße Geschichte, die in der choreographischen Neu-Interpretation von Marguerite Donlon brandaktuell ist. Der geplante Premieren-Termin am 9. Mai wird sich nicht halten lassen. Umso wichtiger ist es der Compagnie, in Form zu bleiben, damit das Werk nach dem Ende der Corona-Spielpause baldmöglichst auf das Programm kann.
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Amber Neumann tanzt den schwarzen Schwan. Nach dem täglichen Athleten-Frühstück (Eier mit gedünstetem Spinat) und dem Training hält es die amerikanische Ballerina nicht mehr in ihrer engen Wohnung, sie zieht hinaus in die weiten Hagener Wälder. „An manchen Tagen laufe ich ein, zwei Stunden, an anderen verliere ich mich für mehr als fünf Stunden in der Natur“, bekennt sie. Das hilft.
Malen, Kochen Schreien
„Natürlich haben die Eltern der Tänzer Angst“, weiß Marguerite Donlon, die selbst Mutter ist. Nun versichern sich die Tänzer täglich mit Videoanrufen, dass es Mama und Papa gut geht.
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Die Unterhaltung mit den weit entfernten Familien und Freunden geben dem Tag Halt. Denn plötzlich müssen lange einsame Stunden jenseits des Trainings sinnvoll gefüllt werden. Die Vorstellungen fallen ja aus. „Ich lerne Zeichnen“, verrät Noemi Emanuela Martone aus Italien. „Bisher habe ich nicht viel gemalt, weil ich mich im Gegensatz zu meinen Schwestern nicht für begabt gehalten habe. Jetzt ist das Malen ist etwas, was ich wirklich genieße, und ich bin sogar richtig stolz auf meine Arbeit.“ Sara Peña aus Spanien hat ein Ritual entwickelt, mit dem sie ihre Angst in Schach hält: „Jeden Tag um 13 Uhr schreie ich meine Frustration heraus, in immer denselben vier Wänden zu sein.“
Strukturen und Disziplin sind hilfreich
Noemi versucht zu erreichen, dass trotz der Isolation die Wochen nicht ineinander verschwimmen. „Das Wochenende ist arbeitsfrei. Ich denke, dass es wichtig ist, die Tage zu unterscheiden“, betont sie. „Also putze ich sonntags meine Wohnung wie eine italienische Mama, koche, backe, und chille.“ Jeong Min Kim aus Südkorea, der weiße Schwan, führt aus diesem Grund vor dem Einschlafen Tagebuch. Federica Mento aus Italien notiert jeden Abend alle Tagesereignisse auf einer Liste, die sie glücklich gemacht haben, „um positiv zu bleiben“.
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„Es ist eine komische Zeit für uns alle“, bilanziert Marguerite Donlon. Die Magie des Tanzens kann sich nur im Team und im Kontakt mit einem Publikum entwickeln. „Wenn die Struktur plötzlich wegbricht, ist es schwer, eine Routine zu finden. Das gilt nicht nur für uns Tänzer, die wir durch unsere Ausbildung ohnehin schon so diszipliniert sind. Wir müssen alle versuchen, eine neue Struktur im Alltag zu finden, für uns selbst, unsere Kinder und die wichtigen Menschen in unserem Leben.“
Papierschwäne für Schwanensee falten
Für Schwanensee braucht das Ballett Hagen viele Origami-Schwände. Marguerite Donlon hat daher ein Video-Tutorial mit einer Anleitung zum Papierschwan-Falten erstellt. „Es wäre schön, wenn das Publikum vielleicht jetzt Zeit hat, Schwäne zu falten, die später sogar auf der Bühne sein können.“
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Echte Schwände gibt es in der Paasmühle in Hattingen, einer Pflegestation für Eulen, Greifvögel und Wasservögel. Dort finden Schwäne Asyl, die durch Angelhaken verletzt oder durch unsachgemäße Fütterung mit altem schimmeligem Brot erkrankt sind. An der Paasmühle sind auch die Ballettfotos entstanden.
Das Video-Tutorial finden Sie unter: wp.de/schwanensee