Meschede/Olpe. Junge Musiker haben derzeit viel Zeit zum Üben. Die Musikschulen experimentieren mit digitalen Unterrichtsformaten. Unumstritten ist das nicht.

Wer ein Instrument spielen will, braucht das Vorbild eines anwesenden Lehrers. Ob an Musikschulen Cyber-Unterricht überhaupt möglich und sinnvoll ist, darüber streiten sich die Gelehrten. Doch was macht die Coronakrise aus diesen Diskussionen? Und wie halten kleine Flötisten und Pianistinnen derzeit den Kontakt mit ihren Lehrern?

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„Gewisse Sachen gehen, andere Sachen gehen nicht“, bilanziert Ingo Samp, Trompeter, Dirigent und Pädagoge an der Musikschule Olpe, die ersten digitalen Erfahrungen. „Es ist besser als nichts. Ich habe meinen Schülern digitalen Unterricht auf freiwilliger Basis angeboten. Einige nehmen das gerne an“, sagt Samp. „Das läuft in begrenztem Rahmen ganz gut.“

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Was funktioniert, sind die Grundlagen: Tonleiterspiel, die Arbeit am Tonumfang und an der gleichbleibenden Tonqualität in jedem Trompetenregister. Was nicht gut funktioniert, sind musikalische Aspekte wie Dynamik und Artikulation sowie technisches Rüstzeug wie Ansatz und Haltung.

Motivation, am Instrument dranzubleiben

Den Vorteil des digitalen Unterrichts sieht der 47-Jährige in der Motivation, am Instrument dranzubleiben, jetzt, wo viel Zeit sinnvoll gefüllt werden will. Dass Video-Tutorials den Musiklehrer überflüssig machen, fürchtet der Attendorner nicht. „Der Musikschüler braucht immer noch den Lehrer im gleichen Raum, er muss sehen und hören, wie es live klingt und wie er es live nachmachen kann. Dafür gibt es keinen Ersatz.“

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Jörg Klüser ist Leiter der Musikschule Olpe und Oboist. Den Unterricht aus dem Homeoffice von Smartphone zu Smartphone sieht er skeptisch. „Ich habe unseren Lehrern lediglich geraten, den Kontakt zu den Schülern zu halten, die Grundversorgung muss gesichert sein.“ Klüser setzt darauf, dass im Alten Lyzeum in Olpe demnächst WLAN verfügbar sein wird. „Meine Idealvorstellung ist, dass im Haus jeder Unterrichtsraum eine Kamera und ein Stativ erhält, dann kann man das gescheit machen.“ Der Musikschulleiter fürchtet, dass einige Kinder im Cyber-Universum nicht gleichbehandelt werden, da nicht alle die gleichen Voraussetzungen mitbringen.

Erkenntnisse aus der Krise

„Es geht nicht nur darum, ein Smartphone zu haben, es geht um eine Art Bildung, die man braucht. Immer, wenn etwas Neues kommt, besteht die Gefahr, dass es nicht alle erreicht“, beschreibt auch Marcos Kopf, stellvertretender Leiter der Musikschule des Hochsauerlandkreises, ein Problem der Digitalisierung. „Wir haben ganz große Sorgen, dass es manchen Schülern nicht gelingen wird, Strategien dafür zu entwickeln. Diese Schüler zu erreichen, das wird uns in den nächsten Jahren den Kopf zerbrechen.“

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Die Musikschule des Hochsauerlandkreises arbeitet bereits seit anderthalb Jahren an einem Konzept zur Digitalisierung. „Das ist ein großer Prozess, das hilft uns derzeit sehr“, schildert der Dirigent und Pianist Kopf. Jetzt rüstet man sich bereits für die Zeit nach Corona. „Ich kann optimistisch sagen, dass wir dieser Krise einige Erkenntnisse abgewinnen. Die Arbeit strukturieren wir in zwei Teile. Erstens: Die Übertragung des Workflows. Was geht noch? Was geht nicht? Was geht nicht mehr? Zweitens erstellen wir einen pädagogisch-didaktischen Plan für jeden Schüler und jede Unterrichtsform. Wir fragen uns: Wie können wir diese Zeit überbrücken? Welche Plattformen brauchen wir? Wie werden Inhalte behandelt, pädagogische Pläne digitalisiert?“

Andere Länder sind weiter

Die geographische Situation ermutigt zum digitalen Lernen, denn die Musikschule HSK arbeitet an 80 Einsatzorten auf einer Fläche so groß wie das Saarland. „Abstände zu bewältigen, das kommt uns nicht komplett neu vor, das ist eine Herausforderung, die wir kennen.“ Kopf ist gebürtiger Argentinier. Dort ist die Digitalisierung der Schulen weit fortgeschritten. „In Buenos Aires gibt es bereits die Struktur, die haben digitale Klassenräume, die immer besetzt sind. Wir sind auf einem guten Weg, diese neue Welt zu erfassen, aber das braucht Zeit.“

Gute analoge Arbeit als Voraussetzung

Wichtig ist dem 40-Jährigen, dass man die Digitalisierung weder vergöttert noch verteufelt. „Das was wir tun, geht nur, weil wir eine gute methodische und künstlerische Arbeit von Mensch zu Mensch analog gemacht haben.“

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Vor einigen Tagen haben sich 25 Musikschulleiter aus der ganzen Region in Arnsberg zu einer digitalen Konferenz getroffen. „Das gab es noch nie“, sagt Marcos Kopf. „Wir waren alle ganz angetan. So können wir auch auf Verbandsebene ein bisschen näher zusammenrücken.“