Iserlohn/Arnsberg. Die Coronakrise trifft das Handwerk gerade unterschiedlich hart. Am Ende aber werden alle Betriebe zu kämpfen haben, glaubt Jochen Renfordt.
Sein erstes Jahr als Präsident der Handwerkskammer Südwestfalen wird Jochen Renfordt ganz sicher nicht vergessen. Im November vergangenen Jahres übernahm der 55-jährige Letmather (Iserlohn) den Job von Willy Hesse. Ein Abendtermin jagte danach den nächsten. Eine Reise mit dem Westdeutschen Handwerkskammertag nach Israel.
„Jeder Deutsche sollte einmal Yad Vashem gesehen haben“, findet Renfordt. Daraus wird vorerst nichts. Coronakrise. Die für März geplante Meisterfeier – verschoben auf Ende September. Der erste Besuch der Internationalen Handwerksmesse in München als Präsident. Abgesagt. Abendtermine gibt es jetzt nicht mehr, aber „es ist deutlich unruhiger als gedacht“, sagt der Maler- und Lackierermeister.
Lob für die Regierung
Mit Hauptgeschäftsführer Meinolf Niemand stimmt er sich permanent ab, zwei Mal am Tag. Die Lage: „Im gesamten Handwerk eher schlecht. Und wer im Gesundheitswesen tätig ist wie Friseure und Kosmetiker etwa, für den sieht es ganz übel aus!“ In Gewerken wie seinem eigenen läuft es dagegen zurzeit noch recht ordentlich. Dachdecker, Installateure, Zimmerer und Malermeister haben weiter zu tun.
Aber auch bei ihnen werde sich Corona auswirken. Wenn erst Aufträge ausbleiben, weil Eigentümerversammlungen nicht stattfinden, auf denen Sanierungen beschlossen werden. Spätestens aber, wenn die Auswirkungen der Virus- zur Wirtschaftskrise sichtbar werden. Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Kaufkraftverlust. „Das dicke Ende kommt. Das ist klar“, sagt der Kammerpräsident.
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Renfordt lobt die Regierungspolitik ausdrücklich für die Soforthilfen für kleine Unternehmen und Soloselbstständige, die vom Bund für Unternehmen bis zehn Beschäftigte in den nächsten Tagen als Zuschuss gewährt werden sollen und vom Land für Unternehmen bis 25 Mitarbeiter ergänzt werden: „Das ist auf jeden Fall der richtige Schritt. Die Weichen werden richtig gestellt.“ Wichtig wäre, dass kleine und mittelgroße Betriebe so viel Unterstützung vom Staat bekommen, dass sie ihre Fachkräfte halten können. Dazu gehören nach Renfordts Ansicht auch steuerliche Erleichterungen wie eine Streckung der Umsatzsteuervorausmeldung und „die Abschaffung der Vorauszahlung für Sozialbeiträge.“
Kurzarbeitergeld aufstocken
Diese Vorauszahlung mache ohnehin nur Probleme, weil sie selten exakt stimme, bei zu großer Abweichung der Unternehmer aber Strafzinsen zahlen müsse. Nicht zuletzt sei es notwendig, „die finanzielle Lücke beim Kurzarbeitergeld zu schließen“, fordert Renfordt für die Betroffenen. 60 beziehungsweise 67 Prozent (mit mindestens einem Kind) vom Nettolohn seien auf Dauer zu wenig. „Das hält keiner drei Monate durch.“ Einige Geldinstitute haben hier zumindest bei Kreditbelastungen bereits Tilgungsaussetzung in Aussicht gestellt.
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Es gibt viele Baustellen für den neuen Präsidenten. Eine mit vielen Fragezeichen ist die der Ausbildung. Wann können die Auszubildenden ihre Prüfungen ablegen? Was ist mit den Schulabgängern, die im August eine Lehre beginnen wollen? „Das ist das nächste Drama. Ich habe heute noch keine Antworten darauf“, sagt der Handwerkskammerpräsident.
Um Unternehmen und Beschäftigten im Handwerk möglichst viele Fragen zu beantworten und sie bestmöglich durch die aktuelle Krise zu begleiten, hat die Kammer einiges umorganisiert. Beschäftigte werden vom Ausbilder zum Berater fit gemacht. Einige nehmen von sich aus jetzt ihren Urlaub, um da zu sein, wenn es wieder voll losgeht. „Ich bin wirklich stolz auf unsere Beschäftigten in der Handwerkskammer. Sie krempeln die Ärmel hoch, arbeiten die Wochenenden durch“, sagt Jochen Renfordt.
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Dass es in der „Handwerkerverwaltung“ in dieser schweren Krise so gut läuft, ist für den neuen Präsidenten immerhin eine positive Überraschung in Krisenzeiten. Das sei auch bei den anderen Kammern so. In Dortmund, in Düsseldorf, in ganz Nordrhein-Westfalen.
Blitzumfrage
Die Handwerkskammern in NRW haben eine Corona-Blitzumfrage unter ihren Mitgliedern gestartet. Jeder zweite Betrieb in Nordrhein-Westfalen – 47 Prozent – ist von den Auswirkungen betroffen. Am stärksten trifft das auf das Lebensmittelhandwerk zu. Hier berichten bereits rund drei Viertel der Betriebe von negativen Auswirkungen. Am besten hält sich zunächst noch das Bauhauptgewerbe, wo aktuell erst 21 Prozent der Unternehmen Beeinträchtigungen verspüren. An der Umfrage haben landesweit 5.548 Unternehmen teilgenommen haben.