Hagen/Siegen. Die Anklage war schnell, doch einen Prozess gibt es seit drei Jahren nicht: Woran es im Fall des vermeintlich betrügerischen Hundehandels hapert.

Sieben mutmaßliche Straftäter sind im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen von den Oberlandesgerichten (OLG) aus der Untersuchungshaft entlassen worden, weil die untergeordneten Gerichte zu langsam gearbeitet haben. Aber das sind nach Angaben von NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) bei rund 7500 U-Haftbefehlen tatsächlich nur 0,09 Prozent aller Fälle.

Zum Skandal dürfte diese Zahl also nicht reichen. Und dem Justizministerium sind auch keine schweren neuen Straftaten bekannt, für die diese zwangsläufig freigelassenen Untersuchungshäftlinge verantwortlich gewesen sein könnten. Und dennoch stellt sich auch in unserer Region die Frage: Wie schnell können Gerichte arbeiten? Warum dauert die Aufarbeitung von angeklagten Straftaten so lange?

Schnelle Anklage im Hundezüchter-Fall von Kreuztal: Doch dann stockt es

Ein Beispiel: das so genannte Hundezucht-Betrugsverfahren aus Kreuztal. Massenweise sollen Tiere von einem dortigen Hundezuchtbetrieb unter falschen Voraussetzungen verkauft worden sein. Zudem geht es um Verstöße gegen das Tierschutzgesetz in mehr als 100 Fällen. Die Hunde waren als aus deutscher Zucht kommend angepriesen worden, sie sollen aber in Wahrheit aus Osteuropa stammen.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Hagen war schnell erhoben: Im April 2017, knapp fünf Monate nach einer Aufsehen erregende Razzia in Kreuztal-Buschhütten im Kreis Siegen-Wittgenstein wurden ein Hundezüchter aus Kreuztal, dessen Ehefrau, Sohn und Tochter, eine Freundin der Familie, eine Tierärztin aus Hessen, eine Züchterin aus Bayern und ein Welpenhändler, der zeitweise im Raum Hagen lebte, wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges angeklagt.

Immer neue Anträge des Züchters verzögern das Verfahren

Fünf Monate, zwischen der Razzia und der Anklageerhebung, saß der Hundezüchter in Untersuchungshaft, nicht viel kürzer seine Tochter. Ob sie jemals noch einmal einrücken müssen, ist völlig offen. Die Anklage ist zwar bereits drei Jahre alt, doch noch immer ist nicht klar, ob es zu einem Prozess kommen wird. Das liege aber nicht an der Arbeitsbelastung des Landgerichts Hagen, so dessen Sprecher Bernhard Kuchler: „Der bisherige Zeitablauf hat mit dem Verhalten des Angeklagten zu tun.“ Sprich: Mit immer neuen Anträgen trägt der 68-Jährige dazu bei, dass die Richter noch immer keine Entscheidung getroffen haben, ob sie die Anklage überhaupt zulassen werden. Die Voraussetzung, damit es überhaupt zu einem Prozess kommen kann.

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Das ist das gute Recht eines Angeklagten im so genannten Zwischenverfahren, in dem es um die Zulassung einer Anklage geht. Und aus Sicht des Angeklagten gibt es Entscheidendes zu klären. Denn die Käufer der Welpen hatten ja für das gezahlte Geld einen Gegenwert bekommen, sprich: einen Hund. Laut Hauptangeklagtem zu einem relativ günstigen Preis. War es also überhaupt Betrug? Ein Gutachten soll nun klären, was ein Hund aus polnischer Zucht wirklich wert ist.

Eine mögliche Verjährung von Vorwürfen kommt langsam in Betracht

Trotzdem: Im vergangenen Oktober hätte es eigentlich losgehen sollen, Termine waren schon angesetzt. Doch dann stellte der Hauptangeklagte auch Befangenheitsanträge gegen die zuständigen Richter. Diese wurden zwar letztlich abgelehnt, doch die Entscheidung dauerte. „Die Richter können so lange nicht weiterarbeiten, bis nicht über den jeweiligen Antrag entschieden ist“, so Gerichtssprecher Kuchler.

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Nun soll es einen neuen Anlauf geben. Derzeit werden neue Termine mit den Beteiligten besprochen - allerdings geht es nicht vor August 2020 los. Und damit rückt langsam auch die Frage einer möglichen Verjährung in den Vordergrund. Die Anklagevorwürfe datieren von 2010 bis 2016. Aktuell lautet die Anklage „Banden- und gewerbsmäßiger Betrug“. Der kann laut Gesetz mit Haftstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bestraft werden, die Verjährungsfrist liegt also bei zehn Jahren. Anders wäre es, wenn die Richter nur den Tatvorwurf „einfacher Betrug“ erkennen würden – dann ist mit einer maximalen Haftstrafe von fünf Jahren zu rechnen – und die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre.

Oberlandesgericht sieht keine Probleme bei Verfahren in der Region

Es sind also in dem Hundezüchter-Verfahren sehr individuelle Umstände, die den Prozess so verzögern lassen. Generelle Probleme sieht Martin Brandt, Sprecher des Oberlandesgerichts Hamm, das für die drei Landgerichtsbezirke in unserer Region – also Siegen, Hagen und Arnsberg – zuständig ist, nicht: „Die Summe sowohl der Zivil- als auch der Strafsachen bei den Landgerichten – insbesondere auch in Arnsberg, Hagen und Siegen – ist in den vergangenen Jahren relativ konstant geblieben.“ Gleichwohl eingetretene Schwankungen dürften auf die Verfahren zurückzuführen sein, die in Verbindung mit dem Diesel-Abgasskandal stünden.

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Es habe in den vergangenen Jahren nicht weniger Richter gegeben, so Brandt: „Vielmehr hat das Land Nordrhein-Westfalen neue Richterstellen geschaffen. Soweit es in Einzelfällen zu verstärkten Belastungen bei Gerichten kommen kann, besteht die Möglichkeit, hierauf mit personellen Maßnahmen – unter Umständen auch durch Abordnungen – zu reagieren.“

>> HINTERGRUND: Warum der Fall in Hagen landete

  • Der Fall rund um den Kreuztaler Hundezuchtbetrieb war bei der Hagener Polizei gelandet, weil seinerzeit einer der Beschuldigten im Raum Hagen gemeldet war.
  • Der Welpenhändler, der aussteigen wollte, hatte sich bei der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ gemeldet und anschließend bei der Polizei ausgesagt.
  • Für die Ermittlungen rund um den illegalen Welpen-Handel war eigens bei der Hagener Polizei die Sonderkommission „Chip“ eingerichtet worden - die bundesweit erste ­Ermittlungsgruppe dieser Art.