Bad Berleburg. Die Wisentherde in Bad Berleburg bekommt einen Zaun. Für Wanderer soll es extra Tore geben. Im Frühjahr kommt NRW-Umweltministerin Heinen-Esser.

„Der Stillstand des vergangenen Jahres ist aus unserer Sicht überwunden.“ Mit dieser vielsagenden Einleitung begrüßte Bernd Fuhrmann als Vorsitzender des Trägervereins des Wisentprojektes die Gäste der Jahrespressekonferenz im Bad Berleburger Bürgerhaus und schob hinterher: „Wir stellen diese Veranstaltung unter das Motto: ‘Es geht entscheidend voran’.“

Partnerwechsel

Der Vertrag mit der „Europäischen Tier- und Naturschutz-Stiftung“ ist ausgelaufen. Ab 2016 hatte die ETN-Stiftung das Projekt mit 100.000 Euro jährlich unterstützt. Der Vertrag wurde nicht verlängert, weil der Sponsor n icht mit der zeitweiligen Gatterung der freilebenden Wisentherde einverstanden war.

Neuer Partner ist der Wiesbadener Naturefund e.V.. Dessen Geschäftsführerin Katja Wiese erläuterte am Freitag in Bad Berleburg, dass der Verein das Wisentprojekt mit 50.000 Euro unterstützen wird.

Mit Stillstand meinte Fuhrmann den schwelenden Rechtsstreit zwischen Waldbesitzern und dem Verein um geschälte Bäume, der mit Hilfe der NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser in einem Kompromiss mündete: Die freilebende Herde wird für eine gewisse Zeit gegattert und in dieser Zeit wird ein Gutachten über Erfolg oder Misserfolg des Artenschutzprojektes erstellt. Mit dem Nachsatz „es geht entscheidend voran“ verweist Fuhrmann auf den Zaun, der in diesem Jahr gebaut werden soll. Fuhrmann machte aber auch deutlich: „Der Zaun war und ist nicht unsere Idealvorstellung.“ Aber er sei der von Ursula Heinen-Esser vermittelte tragfähige Kompromiss, der es erlaube, mittelfristig eine für alle tragfähige Lösung zu finden. „Und es ist ganz, ganz wichtig, dass alle Seiten zu diesem Kompromissvorschlag stehen.“ Der Vereinsvorsitzende legt das Schicksal des Projektes auch in die Hände der Gutachter, die über den Erfolg oder Misserfolg der Auswilderung entscheiden. „Wir müssen mit dem Ergebnis leben können. Alle Seiten haben sich damit einverstanden erklärt.“

Der Zaun

Fuhrmann berichtet, dass sein Verein einen Bauantrag für den Zaun gestellt habe. Man warte auf eine Genehmigung. Ein nötiges Gutachten über die Auswirkungen des Bauwerkes auf das FFH-Gebiet sei fertig. Aktuell wird noch eines zum Thema Artenschutz erstellt. Mit einem Baubeginn ist im Sommer zu rechnen.

Die Zaunart

Das Wisent-Projekt in Zahlen

20

Ungefähr so viele Tiere leben in der freilebenden Herde.

30

So viele Arbeitsplätze gibt es in der Wisent-Welt und in der Wisent-Hütte in Bad Berleburg.

4

So viele Wisente wurden an ein rumänisches Auswilderungs-Projekt abgegeben.

5

In einem Gehege leben fünf Wisente.

800

Ein Wisent wird bis zu 800 Kg schwer und erreicht eine Höhe von etwa drei Metern. Die Tiere können rund 30 Jahre alt werden.

1/5

Der 18 Kilometer lange und zwei Meter hohe Knotengeflecht-Zaun soll ein 840 Hektar großes Areal umfassen. 700 Hektar sind Staatswald auf Schmallenberger Seite. 140 Hektar liegen in Bad Berleburg auf dem Gelände der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer.

Der Verlauf

Der genaue Verlauf des Zauns ist beispielsweise in der Ortslage von Latrop noch unklar. Hierzu wird die NRW-Umweltministerin eigens in das Dorf kommen. Potenzieller Termin ist Aschermittwoch.

Die Tore

Der Zaun wird 20 Tore haben, damit Wanderer auf den Premiumwanderwegen das Gebiet weiter durchqueren können. Außerdem sind so die Zuwegungen für die Waldbewirtschaftung möglich.

Das Wild

Wisent-Wildnis in Wingeshausen mit steigenden Besucherzahlen

Hervorragende Besucherzahlen legte Klaus Brenner, 2. Vorsitzender des Trägervereins des Wisentprojektes, am Freitag vor.

So verzeichnet die Wisentwildnis am Rothaarsteig – das Schaufenster des Artenschutzprojektes in Wingeshausen – im Jahr 2019 insgesamt 35.000 Besucher. Das entspreche einer Steigerung von 5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018. Anhand von Bonussystemen wie der Schmallenberg-Card und der Winterbergkarte lasse sich zudem feststellen, dass 9500 Besucher aus dem Sauerland in das Schaugehege gekommen sind.

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Pech habe man indes mit drei Wisentkühen im Gehege gehabt. Die drei Kühe aus dem Donaumoos seien als Ersatz für drei Bullen gekommen, die man an ein Artenschutzprojekt in Rumänien abgegeben habe. Alle drei hätten auch in der Wisentwildnis gekalbt. Dann sei es aber nach einem Vierteljahr zu Rangkämpfen zwischen den Kühen der Herde gekommen. Dabei seien die neuen Kühe gestorben. Rangkämpfe unter Kühen waren so noch nicht wissenschaftlich bekannt. „Wir haben da Neuland betreten“, formuliert es Brenner.

Herde fühlt sich sehr wohl

Über die freilebende Herde informierte der 3. Vorsitzende Johannes Röhl: „Die Herde fühlt sich sehr wohl. Die Reproduktionsrate ist höher als erwartet.“ Sechs bis sieben Kälber seien geboren worden. Drei Tiere habe man verloren. Eines durch den Verkehrsunfall auf der Bundesstraße 236 und zwei weitere habe man Krankheitsbedingt erlösen müssen. Darunter war auch Bulle Egnar.

26.000 Euro weniger

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Auch zu den Ersatzleistungen für Schälschäden konnte Johannes Röhl Auskunft geben: In 2019 habe der Verein 49.000 Euro an Geschädigte gezahlt. 2018 waren es noch 75.000 Euro gewesen. Grundsätzlich gelte, dass alle berechtigten Ansprüche auf Schadenersatz beglichen werden – zunächst über den Ausgleichsfonds und sollte dieser ausgeschöpft sein, über eine Versicherung.

Der 3. Vorsitzende Johannes Röhl erläutert, dass der Zaun an einigen Stellen erst in 50 Zentimetern Höhe angebracht werde, das erleichtere nahezu allen Wildarten – mit Ausnahme von ausgewachsenen männlichen Rothirschen – das Hindernis zu passieren. Vor der Schließung des Zauns werde das Rotwild gezielt herausgetrieben.

Die Kosten

Was der Zaun kosten wird, ist noch offen. „Das ist Sache des Landesbetriebs Wald und Holz, der den Zaunbau europaweit ausschreiben wird“, so Fuhrmann. Der Vorsitzende der Koordinierungsgruppe des Projektes, Landrat Andreas Müller, erläuterte, dass dafür Mittel in den Landeshaushalt 2020 eingestellt worden sind.

Der Kompromiss

Landrat Andreas Müller berichtet als Vorsitzender der Koordinierungsgruppe des Projektes, in der sowohl Befürworter, wie Gegner, Kommunen und Land sitzen, dass es ein langer Weg zu diesem Kompromiss gewesen sei, bei dem auch „zwei Schmerzpunkte“ ausgemacht wurden. Für den Trägerverein ist die Verkleinerung des Gatters von 1500 auf 840 Hektar ein Schmerzpunkt. „Ich bin zwar kein Experte, aber kleiner darf es nicht werden“, kommentierte Müller die Gehegegröße – immerhin gehe es um ein Gutachten zu einer freilebenden Wisentherde.

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Für die Gegner sei die lange Dauer bis zur Gatterung der Schmerzpunkt. Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat inzwischen das Gutachten über den Auswilderungsprozess in Auftrag gegeben. Müller rechnet mit einem Ergebnis in 12 bis 15 Monaten. Damit werde auch die Forderung des Bundesgerichtshofes umgesetzt, weil dann eine Entscheidung über das Projekt getroffen werden kann. Die Kosten für das Gutachten legt der Kreis vor, sie werden aber zu 100 Prozent vom Land erstattet.