Medebach. Florian Hellwig und Katharina Schmidt sind an Blutkrebs erkrankt. Ihre gemeinsame Typisierungsaktion am Sonntag bewegt eine ganze Region.

Das letzte Mal, als ihn alle Freunde und Bekannten sehen, da ist er gar nicht so richtig bei ihnen. Florian Hellwig hatte eine Videobotschaft aufgenommen, die beim Neujahrsempfang in Medebach im Hochsauerland über eine große Leinwand flimmert. Schwer nur findet er darin die Worte, die Krankheit hat ihn bereits gezeichnet. 450 Gäste im Saal, vollkommene Stille. Er bedankt sich für die Unterstützung, richtet auch Worte an seine Frau, an seine drei Kinder. „Ich wünsche euch vor allem viel Gesundheit“, sagt er zum Schluss, „und dass wir uns auf bald wiedersehen.“

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Viele Menschen im Saal weinen hemmungslos. Weil ihnen schlagartig klar wird, dass jedes Wiedersehen ein Geschenk ist. Und dass jedes Wiedersehen mit einem geliebten Menschen das letzte sein kann, bevor die Welt zusammenbricht. Florian Hellwig, 36 Jahre alt, leidet an akuter myeloischer Leukämie, einer aggressiven Form von Blutkrebs.

Sofort in die Klinik: Chemotherapie

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Als er die Diagnose erhält, ist es vier Tage vor Weihnachten. Er hatte sich auf das Fest gefreut, allein schon für die Kinder Julia (9), Jakob (6) und Johann (2). Florian Hellwig war zuvor zum Arzt gegangen, weil er sich schlapp fühlte. Sechs Stunden nach dem Gespräch mit dem Arzt liegt er bereits in der Uniklinik in Marburg. Die Chemotherapie läuft an. Mittlerweile hat der zweite Behandlungsblock begonnen. Nur eine Stammzellenspende kann ihn retten.

Die dreifache Mutter Katharina Schmidt aus Brilon hofft zusammen mit ihrer Familie auf eine Stammzellenspende.
Die dreifache Mutter Katharina Schmidt aus Brilon hofft zusammen mit ihrer Familie auf eine Stammzellenspende. © Privat

Am Sonntag fand zwischen 12 und 17 Uhr in der Medebacher Schützenhalle eine Typisierungsaktion statt. Eine gleich in doppeltem Sinne besondere. Denn sie ist nicht nur für Florian Hellwig, sondern auch für Katharina Schmidt aus Brilon. Die dreifache Mutter erhielt im Juli die Diagnose Blutkrebs. Ohne Stammzellenspende, das steht seit wenigen Tagen fest, hat sie laut Prognose der Ärzte noch fünf Monate zu leben. Ihre jüngste Tochter wäre dann gerade einmal acht Jahre alt. Der Entschluss stand schnell: „Sauerländer halten zusammen! Wir suchen nicht getrennt, sondern gemeinsam nach passenden Spendern!“

Freunde und Bekannte von Florian Hellwig haben die Typisierungsaktion schon vor Wochen organisiert – und sie sind überwältigt. Das Ausmaß der Unterstützung ist schier unglaublich. Eine ganze Region kämpft um das Leben von Florian Hellwig. „Über die extreme Anteilnahme in Medebach sind wir sehr positiv überrascht. Das ist Wahnsinn, was da in Bewegung gesetzt wird“, sagt Pamela Kölbl von der Deutschen Knochenmarkspender-Datei (DKMS).

In Deifeld vielen Vereinen aktiv

Florian Hellwig ist Landwirt von Beruf. In der Deifelder Schützenbruderschaft ist er Hauptmann und engagiert sich bei der Feuerwehr. Er spielt Fußball, steht im Tor des SV Deifeld. Der wichtigste Mann, wenn was schief läuft. Die letzte Instanz. Derjenige, der sich um das kümmert, was andere nicht geschafft haben. Angriffe abwehren. Er kennt das. Doch dieser ist heimtückisch. Aber er wäre nicht er, so sagen es alle im Dorf, wenn er sich nicht entgegenstellen würde.

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„Er kämpft, allein schon für seine Familie“, sagt Heike Grebe, eine Sandkastenfreundin, die die Typisierungsaktion zusammen mit einem gemeinsamen Freund der Familie organisiert. Florian selbst hatte die Idee, als noch gar nicht klar war, dass er eine Spende brauchen würde. Aber sein Schicksal sollte die Menschen mobilisieren, damit sie sich registrieren lassen.

In Uniform zur Typisierungsaktion

„Die Resonanz ist überwältigend“, sagt Heike Grebe. Mit 25 Helfern hatten sie mal geplant für den Sonntag, mittlerweile sind es 110. Schwer zu schätzen, wie viele Menschen kommen, um sich typisieren zu lassen. 2000 vielleicht, schätzt Heike Grebe: „Manche Fußball-Mannschaften wollen gleich mit dem ganzen Bus anreisen. Schützen und Feuerwehren wollen in Uniform erscheinen, um zu zeigen: Wir halten zusammen.“ Hilfe nicht nur aus der Nähe. Die Feuerwehr aus Lünen hat sich angemeldet. 120 Kilometer die einfache Fahrt. Aus dem nahen Waldecker Land in Nordhessen werden zahlreiche Landwirte und Feuerwehrkameraden erwartet.

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Firmen der Umgebung spendeten Geld, um die Typisierungsaktion zu bezahlen. Ein Spendenkonto ist eingerichtet. Schmallenberg ist rund 50 Kilometer entfernt. Bei den dortigen Fußball-Hallenmeisterschaften wurden die Anhänger des FC Gleidorf/Holthausen als beste Fangruppe ausgezeichnet. 250 Euro gab’s dafür – gespendet für Florian Hellwig. In Hesborn, einem Örtchen gut zehn Kilometer von Medebach entfernt, sammelte die Jugendfeuerwehr wie jedes Jahr Weihnachtsbäume ein. Der Erlös: ging an die DKMS und Florian Hellwig. Die Liste ließe sich fortführen. Als die Video-Botschaft von Florian Hellwig beim Neujahrsempfang zu Ende war, gingen zwei Milchkannen durch die Reihen. 3100 Euro kamen dabei herum.

Ein anderes Leben? Nein!

Nicole Hellwig fährt jeden Tag zu ihrem Mann nach Marburg, ihre Firma hat sie freigestellt und ihr vorübergehend einen Dienstwagen für die Fahrten überlassen. Die Zeit mit ihrem Mann ist kostbar. Neulich, sagt Heike Grebe, die Freundin der Familie, hätten die beiden gemeinsam überlegt, ob sie etwas anders gemacht hätten im Leben, wenn sie gewusst hätten, dass die gemeinsame Zeit womöglich so viel geringer ist als angenommen. Nein, nichts.

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Es gibt in beiden Fällen ein Spendenkonto der DKMS:
DE70 700400 60898 7000186
Stichwort „Florian“ oder „FHY001 Katharina“.
Weitere Infos finden sich unter dkms.de und deifeld.de