Deifeld/Altkreis. Habe ich eine Grippe oder doch vielleicht Leukämie? Die Ärzte Sven Böttcher und Tim Förster über Symptome, Blutuntersuchungen und Typisierung.

Husten, Schnupfen, Abgeschlagenheit – habe ich jetzt „nur“ eine Erkältung oder Grippe oder doch etwas Schlimmeres?

Durch die Berichte über die schweren Leukämie-Erkrankungen von Florian Hellwig und Katharina Schmidt, für die am kommenden Sonntag in Medebach bekanntlich eine große Typisierungsaktion stattfindet, sind momentan viele Menschen verunsichert. Rund um die Typisierung gibt es ebenfalls viele Fragen. Unsere Zeitung hat in der Sauerlandpraxis (in Medebach und Hallenberg) bei den Ärzten Tim Förster und Sven Böttcher sowie bei der Deutschen Knochenmark-Spenderdatei DKMS nachgefragt.

Symptome

Wie unterscheiden sich die Symptome einer normalen Erkältung oder Grippe von einer Leukämie-Erkrankung?

Sven Böttcher: Die frühen Anzeichen einer Leukämie gleichen oft einer normalen Infektion. Es treten Schwächegefühle, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Hautblässe und Fieber auf. Im Gegensatz zu einer Erkältung oder Grippe verschwinden diese Symptome nach einigen Tagen jedoch nicht, sondern verstärken sich, Infekte können mehrfach wieder kommen. Man fühlt sich z.B. beim Treppensteigen extrem müde und schwach, ohne dafür einen plausiblen Grund zu haben.

Typisierung am Sonntag

Die Typisierungsaktion findet am Sonntag, 26. Januar, von 13 bis 17 Uhr in der Schützenhalle Medebach, Schützenstr. 27, 59964 Medebach statt. Auch Besucher, die sich nicht typisieren lassen können, sind herzlich willkommen. Für Verpflegung und Kinderbetreuung ist gesorgt.

Es gibt ein Spendenkonto der DKMS: DE70 700400 60898 7000186, Stichwort „Florian“ oder unter dem Stichwort „FHY001 Katharina“. Weitere Infos finden sich unter dkms.de und deifeld.de.

Von den Bahnhöfen in Winterberg (Halt in Elkeringhausen und Küstelberg) sowie Brilon (Halt in Willingen/Bahnhof) fahren um 13 und 15 Uhr Busse nach Medebach. Die Rückfahrzeiten werden unterwegs bekanntgegeben. Es wird um Anmeldung mit Personenzahl unter info@ohne-papa-gehts-nicht.de gebeten. Die Feuerwehr Medebach bietet im Stadtgebiet einen Fahrservice an. Interessenten können sich ab sofort unter dkms@feuerwehr-medebach.de melden oder am Sonntag unter 0173-2613976 anrufen. Die Feuerwehr bittet darum, Fahrgemeinschaften zu bilden. Auswärtige Besucher werden von der Feuerwehr auf Parkplätze eingewiesen.

Es kann zu Nasen- oder Zahnfleischbluten oder scheinbar grundlosen blauen Flecken kommen. Eine Grippe oder Erkältung tritt meistens innerhalb von Stunden auf, bei einer Leukämie ist der Prozess etwas schleichender über mehrere Tage.

Wie häufig kommt Leukämie vor?

Tim Förster: Statistisch gesehen ist Leukämie eine sehr seltene Krankheit. Laut Robert-Koch-Institut sind im Jahr 2016 13910 Menschen in Deutschland neu erkrankt, das entspricht bei 82 Mio. Einwohnern knapp einer von 6000 Personen. Vier Prozent der Erkrankten sind Kinder. Wir mussten in der Sauerlandpraxis in den vergangenen zehn Jahren zweimal die Diagnose Leukämie überbringen; ein Patient davon ist Florian Hellwig, der mit dieser Bekanntgabe einverstanden ist.

Unsicherheit

Was soll ich tun, wenn ich unsicher bin?

Sven Böttcher: Gehen Sie zum Arzt. Dort wird ein großes Blutbild gemacht, das Klarheit schafft. Und lassen Sie sich typisieren, um Menschen wie Florian Hellwig, Katharina Schmidt und vielen weiteren Leukämie-Kranken eine Chance auf Überleben zu geben! Auch Blutspenden sind wichtig.

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Wie sieht die Behandlung von Florian Hellwig derzeit aus?

Tim Förster: Er bekommt eine sehr starke Chemotherapie, um sämtliche Krebszellen in seinem Blut zu vernichten. Auch das blutbildende System im Knochenmark wird zerstört, außerdem sein Immunsystem herunter gefahren, um eine Abstoßung der gespendeten Stammzellen zu vermeiden. Erst, wenn sein Blut quasi „sauber“ und ein passender Stammzellenspender gefunden ist, kann eine Transplantation erfolgen. Auch nach der Transplantation ist noch eine sehr intensive Behandlung nötig, um ein komplikationsloses Anwachsen der neuen Stammzellen zu ermöglichen.

Rund um die Typisierung und um die Knochenmarkspende

Was passiert während einer Typisierung, welche Voraussetzungen braucht man, wie geht es anschließend weiter? Wir haben die wichtigsten Punkte zusammen gefasst:

Es kann sich jeder für eine Stammzellen-Spende typisieren lassen, der zwischen 17 und 55 Jahren alt ist, mindestens 50 Kilo wiegt und gesund ist. Ab dem 56. Lebensjahr ist keine Neu-Registrierung mehr möglich, da jüngere Menschen erfahrungsgemäß weniger Vorerkrankungen haben und deshalb häufiger als Spender geeignet sind. Eine Stammzellen-Spende selbst ist bis zum Alter von 61 Jahren möglich. Je jünger ein Mensch bei der Registrierung ist, desto länger steht er für den weltweiten Suchlauf zur Verfügung.

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Die Typisierung selbst dauert nur wenige Minuten. Nach dem Ausfüllen einer Einverständniserklärung (bitte Personalausweis mitbringen) zusammen mit einem Helfer nimmt man sich selbst mit drei Wattestäbchen jeweils eine Minute lang einen Abstrich aus der Wangen-Schleimhaut. Eine Blutabnahme ist dafür nicht nötig. Es stehen 70 Helfer in Medebach bereit, so dass es nicht zu längeren Wartezeiten kommen wird.

Für jede Typisierung entstehen der DKMS Kosten (u.a. für Labor, Material, Logistik, Personal) von 35 Euro. Die Krankenkassen übernehmen diese Kosten nicht. Deshalb ist jede Geldspende herzlich willkommen.

Nach ca. drei bis vier Wochen sind alle Abstriche im Labor ausgewertet und stehen weltweit für aktuelle und künftige Suchen zur Verfügung. Dann ist auch klar, ob für Florian Hellwig und Katharina Schmidt passende Spender gefunden wurden.

Zwei Formen von Stammzell-Spenden

Es werden bei der Auswertung 12 Gewebemerkmale, die Humanen Leukozyten-Antigene (HLA), bestimmt. Dabei handelt es sich um Strukturen auf den Zellen im Körper, durch die das Immunsystem zwischen eigenen und fremden Geweben unterscheidet. Sehr wichtig für den Erfolg einer Transplantation ist deshalb die größtmögliche Übereinstimmung der Gewebemerkmale zwischen Patient und Spender. Die Gewebemerkmale werden pseudonymisiert an das Zentrale Knochenmarkspender-Register in Ulm weitergeleitet, wo sie für Anfragen zur Verfügung stehen.

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Wenn sich herausstellt, dass sich die eigenen Merkmale für eine Stammzellen-Spende eignen, steht die endgültige Entscheidung an, ob man zu einer Spende bereit ist. Stimmt man zu, folgt ein gründlicher Gesundheits-Check und ein ausführliches Arztgespräch über die möglichen Spende-Verfahren. Die häufigste Methode (80 % der Fälle) ist die „periphere“ Stammzellentnahme: Der Spender spritzt sich fünf Tage einen hormonähnlichen Stoff (G-CSF) unter die Haut, der die Anzahl der Stammzellen im Blut steigert. Dann werden diese Stammzellen ambulant aus dem Blut gefiltert. Der Vorgang kann mehrere Stunden dauern.

Deutlich seltener (20 %) wird Knochenmark unter Vollnarkose aus dem Beckenkamm entnommen. Hierfür ist ein Klinikaufenthalt von zwei bis drei Tagen erforderlich. Das Knochenmark bildet sich in zwei Wochen nach. Welche Methode angewendet wird, hängt vom Empfänger ab. Der Wunsch des Spenders wird möglichst berücksichtigt. Bei der peripheren Stammzellspende können während der Vorbereitung grippeähnliche Symptome auftreten. Bei der Knochenmarkentnahme kann es zu einem lokalen Wundschmerz kommen, außerdem besteht das übliche Narkose-Risiko wie bei jeder Operation. Langzeitnebenwirkungen sind bei beiden Verfahren nicht bekannt.

Zur Registrierung als Stammzellenspender wird ein Abstrich aus der Wangenschleimhaut entnommen.
Zur Registrierung als Stammzellenspender wird ein Abstrich aus der Wangenschleimhaut entnommen. © Rita Maurer | Rita Maurer

Typisierung auch online möglich

Eine Spende erfolgt zunächst immer anonym. Auf Wunsch kann der Spender Herkunftsland, Geschlecht und das ungefähre Alter ,seines‘ Patienten erfahren. Nach zwei Jahren ist es möglich, die Anonymität aufzuheben, wenn beide Seiten einverstanden sind. Während dieser zwei Jahre ist in vielen Ländern ein anonymer Briefwechsel möglich, die DKMS vermittelt gern den Austausch. Leider erlauben jedoch längst noch nicht alle Länder die Kontaktaufnahme.

Wer am Sonntag nicht persönlich nach Medebach kommen kann, hat die Chance, online über die Internetseite der DKMS unter dkms.de ein Typisierungsset anzufordern, mit dem man sich zu Hause einen Wangenabstrich entnehmen und diesen dann in einem speziellen Umschlag zurücksenden kann.