Ennepetal. Das Ennepetaler Unternehmen biw will die Produktion schnellstmöglich so umstellen, dass kein PCB mehr entstehen kann. Das dürfte aber dauern.

Für das mittelständische Unternehmen biw Isolierstoffe ist die Situation genauso Neuland wie für die Behörden, vom Kreis über die Bezirksregierung bis zu den Ministerien in Düsseldorf. Firmeninhaber Ralf Stoffels weist den Vorwurf der Kreisbehörde, nicht ausreichend kooperiert zu haben, strikt zurück. Die Anforderung von komplizierten Auflistungen sei kurz vor Weihnachten gekommen, als Fachpersonal bereits im Urlaub gewesen sei. Die aufwändig erstellten Unterlagen habe man mittlerweile nachgeliefert.

Der Ennepe-Ruhr-Kreis sieht das völlig anders. Schon im September sei über die Herausgabe der Pläne geredet worden, danach habe es weitere Mails und Besprechungen gegeben. Erst die Summe der Verfehlungen, so Kreissprecher Ingo Niemann, habe dann dazu geführt, dass man eine Ordnungsverfügung gegen biw erlassen habe, um an die Auflistungen zu gelangen. Die sind alles Beispiele, wie angespannt inzwischen die Lage zwischen dem Unternehmen und der Behörde ist.

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Eingeschaltet ist mittlerweile auch die Landesarbeitsschutzbehörde, angesiedelt bei der Bezirksregierung Arnsberg. Die erklärte gegenüber der WESTFALENPOST, dass „von der Firma Sofortmaßnahmen ergriffen und Auflagen der Bezirksregierung zum Schutz der Beschäftigten umgesetzt“ wurden. Sollten die Maßnahmen nicht ausreichen, sei in letzter Konsequenz auch die Stilllegung einzelner Produktionsbereiche denkbar.

Erneuerung der Abluftanlage

„Bis Mitte 2019 war nicht klar, dass es diese Prozesse gibt“, erklärt Firmenchef Stoffels. Im Prinzip würden seit 1971 Silikonschläuche bei biw hergestellt und seit 1995 mit dem nach wie vor gängigen Verfahren. Es ist ein Prozess, bei dem Chlor zur Vernetzung eingesetzt wird.

PCB-Gefahr in Ennepetal
PCB-Gefahr in Ennepetal © WP

„Es wird europaweit so gearbeitet. Etwa 20 Firmen verfahren genauso wie wir“, weist Stoffels auf das mögliche Ausmaß hin, das auch die Landesbehörden schnell erkannt haben. In den Firmen, von denen der NRW-Arbeitsschutz weiß, dass sie nach dem gleichen Verfahren produzieren, werde bereits ermittelt, teilt die Behörde mit.

Zwischen 10 und 15 Prozent Marktanteil hat das Ennepetaler Unternehmen. Biw, das sowohl Silikonschläuche für den Automobilbereich sowie die Luft und Raumfahrt, als auch für medizinische Produkte und Firmen der Lebensmittelbranche herstellt, ist damit Marktführer.

Arbeit an einer Verbesserung

Beim bisherigen Verfahren entstehen sogenannte tetrachlorierte PCB-Arten wie das PCB 47, um das sich jetzt die Diskussion dreht. Anders als dioxinähnliche PCB-Arten gelten die tetrachlorierten bislang nicht als krebserregend, so der Unternehmer: „Selbst der Kreis sagt uns, es gibt keine akute Gesundheitsgefährdung. Es gibt auch keinen offiziellen Bescheid, weil wir gegen nichts verstoßen haben.“

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Dennoch ist man offenkundig bemüht, das bis dato unbekannte Problem aus der Welt zu schaffen. Biw arbeitet bereits seit Herbst vergangenen Jahres an einer Verbesserung der Abluftanlage auf dem Dach der Firma im Industriegebiet in Ennepetal-Oelkinghausen. Für ein bisher unbekanntes Problem gibt es aber nicht nur keine gesetzlichen Grenzwerte, sondern auch keine technische Lösung von der Stange.

Aus Sicht von Ralf Stoffels ist eine verbesserte Abluftanlage aber ohnehin lediglich eine Zwischen- oder Teillösung – auch, um im Sinne der „TA Luft“, dem gesetzlichen Regelwerk zur Verringerung von Emissionen und Immissionen von Luftschadstoffen, proaktiv tätig zu werden.

Platin soll Chlor ersetzen

Parallel arbeite man aber an der Umstellung der Produktion und am Verzicht auf Chlor als Teil des Herstellungsprozesses. „Wir wollen als Marktführer die ersten sein, die Silikonschläuche chlorfrei produzieren“, verspricht Stoffels. Ganz einfach wird das nicht werden. Substituierbare Basisstoffe kämen heutzutage meist aus China. Das könnte Probleme mit der EU-Chemikalienverordnung (REACH) geben. Eventuell funktioniere das wesentlich teurere Platin als Katalysator anstelle von Chlor. Das ziehe natürlich höhere Produktionskosten nach sich. Gespräche mit Kunden habe man darüber bereits geführt. Bei allem scheinbaren Umweltbewusstsein heutzutage seien längst nicht alle Kunden einverstanden.

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Dennoch werde das Unternehmen an den Plänen festhalten und diese rechtsverbindlich festlegen lassen. Die Pläne zur Verbesserung der Abluft werde man der Bezirksregierung bereits Ende kommender Woche vorlegen, verspricht Stoffels: „Wir sind bereit, bis an die Grenze der Finanzierbarkeit zu gehen und eine geringere Produktivität in Kauf nehmen“, versichert Stoffels. Bis zu 15 Millionen Euro könnte die chlorfreie Produktion biw kosten, schätzt er. Vor allem aber gehe es aber leider nicht von heute auf morgen. Das Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) gehe nach Stoffels Erkenntnissen von bis zu zwei Jahren aus. Biw wolle es aber deutlich schneller schaffen.