Attendorn. Die Stadt Attendorn ist Pilotgemeinde für das Landesprojekt Dales, das dem Einzelhandel mit digitalen Methoden helfen soll.

Daten sind vielleicht die bedeutendste Währung der digitalen Zukunft. Insbesondere im Online-Handel ist dies heute schon sichtbar. Wer sich auf Internetseiten mit bestimmten Inhalten bewegt, wird häufig eine ganze Weile und bei jeder Gelegenheit auf seinem Gerät mit Angeboten konfrontiert, von denen er oder sie gar nicht wusste, dass sie gewünscht sind.

So etwas dürfte in Attendorn wohl kaum passieren, obwohl auch hier zwei Jahre lang möglichst viele Daten gesammelt werden sollen. Das Ziel: Den stationären Handel verbessern und so das Mittelzentrum als Einkaufsstadt attraktiver machen. „DALES“ ist das landesweit einzigartige Projekt zur Datenanalyse von Besucherströmen in der Attendorner City überschrieben. Gefördert wird es vom NRW-Wirtschaftsministerium, begleitet vom Forschungsinstitut Fokos der Universität Siegen und der Industrie- und Handelskammer Siegen.

Bewegungsströme werden sichtbar

Dass die 24.000 Einwohner große Stadt im Sauerland im Kreis Olpe als Pilotgemeinde ausgewählt wurde, ist kein Zufall. Die Voraussetzungen für die Verknüpfung von Digitalisierung und Einzelhandel sind hier besser als andernorts. Attendorn ist eine einkommensstarke Stadt mit ordentlicher Kaufkraftbindung.

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Das bedeutet, die Hansestädter geben ihr Geld gerne auch noch im Geschäft vor Ort aus: Es gibt eine lebendige Werbegemeinschaft der Händler, von denen heute schon viele im „Webkaufhaus Attendorn“, einem Online-Marktplatz, auf progressive Art Angebote machen. Die Händler haben in der Innenstadt auch ein nahezu flächendeckendes Freifunknetz geschaffen. Es gibt freien Zugang in das Internet über rund drei Dutzend Stationen in der City. Eine besonders gute Quelle für das Dales-Projekt.

Alle Daten werden anonymisiert

Wer sich im Freifunk Attendorn einwählt, wird registriert. Bewegt man sich von einem Punkt zum nächsten, werden Bewegungsmuster, „Ströme“ sichtbar. Vom Hotel zum Supermarkt oder auch dem Wein- und Spirituosengeschäft von Nicole Kost.

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Der Befürchtung, dass sich Besucher beim Bummeln in den kommenden zwei Jahren gläsern fühlen könnten, dass im Sauerland chinesische Verhältnisse Einzug halten, treten die Beteiligten entgegen, nicht zuletzt der Attendorner Bürgermeister Christian Pospischil (SPD): „Alle Daten, die verwendet werden, können auch heute schon analog erhoben werden.“ Anders als bei Internetriesen wie Amazon, Google und Co. würden die „Log-in-Daten“ in der „Smart-City“ anonymisiert von Freifunk an das Siegener Unternehmen Statmath weitergeleitet, die sich an der Analyse versuchen und dazu weitere Informationen einfließen lassen, die aussagekräftig für eine Prognose zum Einkaufsverhalten an bestimmten Tagen bis hin zu Uhrzeiten sein könnten – von der Auswertung der Ladenkassen bis hin zu Wetterdaten.

Hoffnung und Skepsis

Die Hoffnung der Händler in Attendorn auf mehr Attraktivität als Einkaufsstadt überwiegt die durchaus noch vorhandene Skepsis: „Das Projekt ist etwas ganz Besonderes für Attendorn. Ich erhoffe mir Erkenntnisse, ob mein Bauchgefühl als Händlerin mit den Daten und Fakten übereinstimmt“, sagt Nicole Kost, die in einem schmucken Jahrhundertwendehaus einen Wein- und Spirituosenhandel betreibt. Attendorns Werbegemeinschaftsvorsitzender Christian Springob (Apotheker) sieht im Projekt echte Chancen für die Hansestadt, betont aber auch: „Uns ist wichtig, dass die Privatsphäre unserer Kunden gewahrt bleibt!“

Dies scheint einhellige Meinung zu sein, jedenfalls hat auch Nicole Kost hier eine klare Haltung: „Wird der Datenschutz nicht gewahrt, bin ich raus. Mein Betrieb ist hölzern, nicht gläsern!“, spielt die Kauffrau auf das besondere Interieur ihres Geschäftes an.

Die Daten nutzen, aber anders als die sogenannten „Kraken“ nicht um jeden Preis, lautet der Tenor beim zweijährigen Dales-Projekt in Attendorn. Ein fertiges Produkt, eine App oder ähnliches werde es nicht geben, erklären die Beteiligten. Am Ende sollen im Frühjahr 2021 dennoch nicht nur individuelle Erkenntnisse für die Händler vor Ort bleiben. „Ich sehe die Chance, über dieses Projekt unseren Mitgliedern im Handel etwas an die Hand geben zu können“, formuliert es Ann Katrin Hentschel, Handelsexpertin der IHK Siegen.