Lennestadt. Tiertrainerin Rosi Hochegger bei den Karl-May-Festspielen in Elspe: Hunde-Tricks und Pferde-Sketche begeistern Winnetou-Fans und Western-Freunde.
Die Klappe des Anhängers geht auf. Im Affenzahn springen elf Vierbeiner aus dem „Hundewagen“ und rennen freudig bellend und schwanzwedelnd auf Tiertrainerin Rosi Hochegger zu. „Filou, Milow, Dakota, rein da!“, ruft sie und schickt alle Hunde in ein großes Gehege hinter der Bühne. Nur der kleine Chihuahua mit dem großen Namen „Titan“ darf auf einem Tisch neben dem Gehege Platz nehmen.
Fröhlich tapst er an der Tischkante entlang, während ihm sein Herrchen Andrei Bocancea liebevoll den Kopf hätschelt. Bocancea und Hochegger sind seit zwei Jahren ein Paar und machen seitdem gemeinsam die Dressurshow „Dogs & Horses“ bei den Karl-May-Festspielen in Elspe.
10.00 Uhr: In einer halben Stunde geht es los. Rosi Hochegger zieht ihr Show-Outfit an, trifft die letzten Vorbereitungen auf der Bühne. „Wir haben hier Mäuse“, sagt sie leicht verwundert, während sie ein mit Löchern zerfressenes Baumwolltuch aus einem Eimer zieht. Andrei Bocancea holt schnell ein neues, denn in wenigen Augenblicken ist Einlass und das Baumwolltuch ist ein wichtiges Requisit für die Show.
Jeder will am Liebsten vorne sitzen
Die Türen gehen auf. Einer von 118 Auftritten während der Saison von Juni bis September steht kurz bevor. Kleine und große Besucher mit Cowboy-Hüten stürmen auf die vordersten Ränge zu. „Schnell, beeilt euch, hier vorne sieht man am Besten“, ruft ein Junge seinen Eltern zu. Munteres und aufgeregtes Geplapper hallt durch die schwach erleuchtete Dressurhalle, bis es ganz still wird und helle Spots auf Rosi Hochegger gerichtet werden, als sie die Bühne betritt.
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Als erstes dürfen Hocheggers Pferde „Scout“ und „Bacardi“ ran. Das Publikum johlt, als der schwarz-gepunktete Hengst aus Dänemark und das amerikanische Miniatur-Horse neben ihr und Bocancea auf einer Matratze in aufrechter Haltung Platz nehmen, um einen kleinen Möhren-Snack zu verdrücken. Danach beweist „Cyrano“, dass nicht nur Hunde apportieren können. „Pferdemüsli“, erklärt Hochegger, während sie eine handvoll in das Baumwolltuch wickelt, „das mögen sie besonders gerne.“ Und siehe da: „Cyrano“ hebt das Müsli-Tuch auf. Es scheint zu schmecken, denn er gibt es nur noch widerwillig an seine Dresseurin zurück.
Die Dressurshow „Dogs & Horses“ bei den Festspielen in Elspe
Dann geht es wild weiter: Der junge Border Collie „Filou“ ist der erste Hund des Rudels, der sein Können auf der Bühne präsentieren darf. Etwas ungestüm begrüßt er sein Frauchen, bevor er blitzschnelle Achten durch die Beine von Rosi Hochegger läuft – rechts, um die eigene Achse, drehen und links zurück um das andere Bein. Selbst rückwärts ist dies für den flinken „Filou“ kein Problem, denn seine Trainerin leitet ihn hin und wieder mithilfe eines kleinen Stöckchens in die richtige Bahn zurück.
Von Tierschützern kritisiert
Eine halbe Stunde lang staunt und lacht das Publikum über Reifen-Sprünge, Tricks und artistische Darbietungen von Mensch und Hund. Während der Show ahnt wohl niemand, dass Rosi Hochegger für ihre Arbeit auch regelmäßig Kritik erfährt: „Wir sind verpönt, dass wir die Tiere quälen.“ Tierschützer würden seit Jahren mehr und mehr ihre Arbeit kaputtmachen, sagt sie. „Für mich ist es wie eine Hexenjagd.“
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Dabei bemängelt sie, dass sich ihre Kritiker kein umfassendes Bild von ihrer Arbeit und den Haltebedingungen machen. Ihre Hunde haben in Elspe ein großes Auslauf-Gehege. Sie schlafen in zwei Gruppen mit Körbchen, einem Zelt und Hundehütten „im Vorgarten“. „Manche haben nicht mal so einen großen Garten.“ Ihre Hunde würden zweimal 30 Minuten am Tag bei den Shows arbeiten. „Mehr nicht“, sagt die Trainerin.
Und die Fahrerei zu den Spielorten, wenn sie gerade nicht in Elspe Station beziehen? „Wenn ich lange zu Hause bin, werden meine Hunde ganz unleidlich. Sie wollen am liebsten jeden Tag woanders sein“, verrät sie. Ihre Tiere seien Teil ihrer Familie. „Wenn ich mal ein Tier habe, geb ich das nicht mehr ab“, sagt Hochegger mit Entschlossenheit. Selbst wenn die Hunde die „Rente“ erreicht haben, würden sie Teil des Rudels bleiben und immer mit dabei sein.
Sie stand schon in ihrer Jugend in Elspe auf der Bühne
Rosi Hochegger stammt aus einer Artistenfamilie, hat bereits als Trainingsjockey an der Galopprennbahn in Düsseldorf gearbeitet und trat in ihrer Jugend als Stuntfrau in Elspe auf. Ihr Vater Toni hat die Dressurnummer „Bettpferd“ ins Leben gerufen und erlangte damit Weltruhm.
Die komische Nummer „Bettpferd“ mit Hengst „Scout“, der sich weigert zu arbeiten, sich stattdessen lieber auf eine Matratze legt und selber zudeckt, führt Rosi Hochegger fort.
Sie ist gelernte Hundefachpflegerin und hatte in Kluse, 60 Kilometer von Oldenburg entfernt, ihren eigenen Hundesalon. Ihre Leidenschaft lag aber immer bei der Arbeit mit Hund und Pferd.
Andrei Bocancea war in Moldawien Leistungsturner und gewann 2018 in Monte Carlo den „Goldenen Clown“ für Artisten.
14 Hunde aus neun Rassen
„In den nächsten zwei Jahren wollen wir mit unserer eigenen Show durch Europa reisen“, erzählt die Hundetrainerin. Bis dahin müssten sie und ihr Artisten-Partner, Andrei Bocancea, das Konzept aber noch etwas erweitern, denn die aktuelle Show in Elspe dauert gerade einmal 30 Minuten – ein eigenständiges Show-Programm habe eine Mindestlänge von anderthalb Stunden. „Ich habe insgesamt 14 Hunde aus neun Rassen, weil ich nicht mit nur zwei Hunden die ganze Show machen möchte“, erklärt Hochegger. Deshalb ist ihr Rudel auch so groß: Junghunde, die noch nicht arbeiten, und Senioren, die nicht mehr arbeiten, würden ebenso dazu gehören wie die aktuellen Show-Hunde.
Maximal zwei Tricks führt ein Vierbeiner pro Show auf, damit dieser nicht die Lust an der Arbeit verliert oder überfordert ist. Außerdem legt die Trainerin großen Wert darauf, dass jeder Hund nur die Tricks macht, die er aus seiner Veranlagung heraus gerne macht: „Jeder Hund hat seine Spezialität – das sehe ich schon im Welpenalter.“ Der eine springt gerne, der nächste läuft lieber rückwärts, ein anderer stellt sich gerne auf zwei Beine.
Junghund-Training zwischen den Shows
11.15 Uhr: Zwischen zwei Shows hat Rosi Hochegger Zeit für das Training mit dem einjährigen Junghund „Kakao“. Der australischer Kelpie begrüßt stürmisch Herrchen und Frauchen. „Ich probe nie länger als 15 Minuten am Stück; dafür zwei oder dreimal am Tag“, erklärt die Trainerin. „Kakao aufpassen!“, lautet ihre erste Anweisung. Der Junghund sitzt aufgeregt vor ihr. „Und hopp!“ Beide springen auf der Stelle in die Höhe – sie üben für gemeinsames Seilspringen.
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„Brav“, lobt sie ihn nach jedem Sprung und gibt ihm ein Leckerchen aus ihrer Tasche. „Und noch einmal. Aufpassen und Hopp!“ Damit „Kakao“ mit der Arbeit auch etwas Angenehmes verbindet, wird im Anschluss an das Training gespielt – wenn auch nur kurz, denn um 12.05 Uhr geht es für seine Rudel-Kollegen zum zweiten Mal auf die Bühne, wenn es wieder heißt: „Herzlich Willkommen zur Dressurshow Dogs & Horses!“