Hagen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lädt kommunale Politiker und Politikerinnen nach Berlin ein. Thema: Was tun gegen Attacken?

Es ist davon auszugehen, dass es im Terminplan von Frank-Walter Steinmeier ein durchaus beachtliches Gedränge gibt. Für Mittwochmorgen aber hat sich der Bundespräsident recht kurzfristig einen Termin blocken lassen. Er selbst lädt ein. 11.15 Uhr, Berlin, Schloss Bellevue: Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Kommunalpolitik zum Thema „Bedrohung von politisch Verantwortlichen“ steht da in seinem Kalender. Vor seinem in der nächsten Woche beginnenden Sommer-Urlaub war ihm das Treffen noch ein Anliegen.

Unter anderem zu Gast: Dr. Andreas Hollstein, Bürgermeister in Altena und vor knapp zwei Jahren Opfer eines Attentats. „Ich empfinde die Einladung zu diesem Gespräch als starken symbolischen Akt der Rückendeckung für kommunale Politiker“, sagt Hollstein im Gespräch mit dieser Zeitung.

Es ist ein wichtiges Thema. Nicht erst seit dem offenbar politisch motivierten Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Aber spätestens seitdem.

Bürgermeister und Bürgermeisterinnen aus sieben Bundesländern

Eingeladen ist ein Zirkel von 15 Personen, darunter der Geschäftsführer des Städtebundes Gerd Landsberg, der aus Siegen stammende Burkhard Jung, Oberbürgermeister Leipzigs und Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, Oberbürgermeister in Münster sowie ehrenamtliche und hauptamtliche Bürgermeister und Bürgermeisterinnen aus insgesamt sieben Bundesländern.

„Diejenigen, die da Dienst für unser Gemeinwesen tun, als ehrenamtlich tätige Kommunalpolitiker, als ehrenamtlich Engagierte, das ist kein Freiwild, und die dürfen auch nicht die Fußabtreter für die Frustrierten in diesem Lande sein“, sagte Steinmeier vor einigen Wochen im ZDF. „Es ist im Gegenteil so: Die zehntausende ehrenamtlich Tätigen, das ist eigentlich das Fundament, auf dem das Gebäude unserer Demokratie errichtet ist. Deshalb müssen wir sie schützen.“

„Das geht so nicht“

Das Treffen soll zu diesem Schutz beitragen, indem sich die Betroffenen austauschen können über Erfahrungen und Strategien gegen die Beleidigungen und Bedrohungen, die ein schwer zu ertragendes Maß erreicht haben. Diese Zeitung berichtete am Freitag auf einer Doppelseite von konkreten Fällen. „Sie hatten ja zuletzt in der WESTFALENPOST eine eindrucksvolle Berichterstattung dazu, wer heutzutage alles von Hassmails, Bedrohungen und Morddrohungen betroffen ist. Das sind in zunehmendem Maße Ehrenamtler und Verwaltungsmitarbeiter“, sagt Hollstein. „Als Gesellschaft muss man klar dazu Stellung beziehen und sagen: Das geht so nicht. Genau das tut der Bundespräsident, in dem er die Gesellschaft dazu anregt, über dieses Thema zu sprechen und nach dem Mord an Walter Lübcke nicht zur Normalität zurückzukehren.“

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Von Torsten Berninghausund Daniel Berg

Hollstein hat den Hass erlebt. In der Folge der Flüchtlingswelle 2015 nahm er mehr Fremde in seiner Stadt auf als er verpflichtet gewesen wäre. Der 56-Jährige überlebte die Messerattacke, geblieben von dem Angriff eines arbeitslosen Maurers ist der Schrecken. „Hass und körperliche Gewaltandrohungen sind für fast alle Politiker schon länger alltäglich, nur haben die wenigsten Kollegen in der Vergangenheit öffentlich darüber gesprochen. Doch genau dorthin gehört dieses Thema, das darf kein Tabuthema sein“, sagt Hollstein.

Hollstein fordert härtere Strafen

Auch deshalb das Treffen mit Steinmeier, der schon im vergangenen Mai drei Bürgermeister bei sich zu Besuch hatte. „Der Bundespräsident führt regelmäßig Gespräche mit Kommunalpolitikern“, erklärt eine Sprecherin des Bundespräsidenten: „Er möchte sich dabei aus erster Hand persönlich über konkrete Erfahrungen informieren lassen, und gleichzeitig den Kommunalpolitikern den Rücken stärken.“

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Das hilft schon einmal. Was noch? Hollstein regt eine Gesetzesänderung an, die härtere Strafen möglich macht. „Wenn Beamte im Dienst ein Vermögensdelikt begehen, dann wirkt das strafverschärfend. Genauso könnte man vorgehen, wenn ein Mensch angegriffen wird in Ausübung eines öffentlichen Amtes“, sagt Hollstein. „Es ginge dabei um ein Signal, dass sich der Staat nicht angreifen lässt. Für Polizisten und Feuerwehrleute gibt es das schon, für Verwaltungsmitarbeiter, ehrenamtliche und hauptamtliche Kommunalpolitiker sollte über die Einführung ebenfalls nachgedacht werden.“