Hagen/Düsseldorf. . Auf der A 1 bei Hagen kommen Temposünder davon, die bis zu 20 km/h zu schnell sind. Die Behörden sind mit der hohen Zahl der Fälle überlastet.

Tausende Autofahrer überschreiten in der Baustelle auf der A 1 zwischen Hagen-West und Hagen-Haspe die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um bis zu 20 km/h, werden geblitzt und nichts passiert (wir berichteten). Warum? Weil die zuständige Autobahnpolizei Dortmund in Arbeit erstickt. Es fehlt das Personal, das Verwarnungsgeld einzutreiben. Ein Vorgang, der nach Aufklärung schreit. Der Reihe nach.

Der Laserscanner, der sogenannte „Enforcement Trailer“, blitzt an 17 Tagen im April 7032 Autofahrer an besagtem Autobahnabschnitt, die mindestens 21 km/h zu schnell sind. Das kostet mindestens 70 Euro, gibt einen Punkt in Flensburg.

Biltzer auf der A1: Autofahrer kommen ohne Strafe davon

Die Stadt Hagen bearbeitet die Fälle und kassiert. Wer bis zu 20 km/h zu schnell ist, das sind nicht weniger Autofahrer, interessiert niemanden. Die Autobahnpolizei Dortmund winkt ab. Für sie sei der Aufwand, diese Fälle massenhafter Geschwindigkeitsüberschreitungenen zu bearbeiten, nicht zu bewältigen.

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Das zu erwartende Verwarnungsgeld von 10 bis 30 Euro wird nicht eingetrieben. Die Polizei resigniert. Sprecher Kim Freigang: „Es ist einfach erschreckend, wie wenige Autofahrer sich noch an die Vorschriften halten.“

Experte: Keine rechtlich relevante Ungleichbehandlung

Kai-Uwe Müller, Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Hagen und Mitglied im Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte, bewertet den Vorgang so: „Aus Sicht der Betroffenen ist das Verhalten der Autobahnpolizei schön. Es kommt zu keiner Anhörung, zu keinem Verfahren, zu keinem Verwarnungsgeld.“ Eine rechtlich relevante Ungleichbehandlung der Autofahrer sehe er auf den ersten Blick nicht. „Bereits im ersten Semester lernt jeder Jurastudent: Im Unrecht gibt es keine Gleichheit.“

Was das heißt? „Wenn jemand zu Unrecht in den Genuss von Vorzügen kommt, also geblitzt wird, aber das von der Autobahnpolizei nicht weiter verfolgt wird, hat kein anderer deshalb Anspruch darauf, auch unbehelligt zu bleiben.“

Jurist vom freiwilligen Verzicht überrascht

Rechtlich fragwürdig sei es, ob es noch von obigem Rechtsgedanken gedeckt sei, wenn es eine Dienstanweisung der Autobahnpolizei gebe, die besage, um Temposünder, die nicht mehr als 20 km/h zu schnell fahren, kümmern wir uns nicht. „Dann hat ihr Verhalten System.“

Die gefühlte Ungerechtigkeit der Autofahrer andernorts, die bei Geschwindigkeitsüberschreitungen zahlen müssen, verstehe er, „juristisch dagegen vorzugehen ist aber jedenfalls unsicher“. Ihn überrasche bei dieser Geschichte der freiwillige Verzicht der beteiligten Behörden auf Einnahmen. „Das ist aber eine andere Rechtsfrage...“

NRW-Innenministerium hält sich zu Blitzer-Posse bedeckt

Das Innenministerium in Düsseldorf hält sich auf Anfrage dieser Zeitung ausgesprochen bedeckt. Kein Wort zur Kapitulation der Autobahnpolizei, kein Wort zur Frage der Gleichbehandlung der Autofahrer im Falle von Geschwindigkeitsüberschreitungen, kein Wort, ob es eine entsprechende Dienstanweisung gebe, kein Wort, ob das Verhalten der Autobahnpolizei Konsequenzen habe.

Nach vier Stunden interner Abstimmung die stereotype Vier-Sätze-Antwort: „Wir erwarten, dass Verkehrsverstöße konsequent verfolgt und geahndet werden. Auch hier gilt unsere Null-Toleranz-Linie. Deshalb setzen wir einen Teil der jährlich 500 zusätzlichen Stellen für Regierungsbeschäftigte im Polizeidienst in der Verkehrsüberwachung ein. Davon profitiert auch die Dortmunder Polizei.“ In welcher Größenordnung? Das sei nicht bekannt.