Arnsberg/Menden. Das Pilotprojekt zur Teststrecke in Südwestfalen nimmt Tempo auf. Ein Teilabschnitt startet nächstes Jahr. Projekt ist bundesweit einzigartig.
Das Pilotprojekt Teststrecke für autonomes Fahren in Südwestfalen nimmt konkrete Formen an. Die Initiatoren von den Stadtwerken Arnsberg und Menden haben mit zunächst rund 30 Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft das „Netzwerk Zukunftsmobilität Südwestfalen“ gegründet.
Mit im Boot sind unter anderem die Unternehmen Kirchhoff Automotive, Trilux, Mennekes, HJS, der Unternehmensverband Westfalen-Mitte, die Fachhochschule Südwestfalen, die Technische Uni Dortmund, der Tüv Rheinland, drei Landkreise sowie die Bezirksregierung Arnsberg.
Teststrecke zwischen Soest und Iserlohn
Die Teststrecke soll zwischen Soest und Iserlohn auf einer Distanz von 60 bis 80 Kilometern entstehen und Erkenntnisse über das autonome Fahren speziell im ländlichen Raum liefern. Damit ist das Projekt bundesweit einzigartig. Spätestens im Jahr 2025 sollen die Autos autonom über die gesamte Distanz rollen. „Wir wollen aber schon im kommenden Jahr das erste Teilstück eröffnen“, kündigten die beiden Stadtwerke-Geschäftsführer Karlheinz Weißer (Arnsberg) und Bernd Reichelt (Menden) im Gespräch mit der WESTFALENPOST an. Dafür werde derzeit ein Abschnitt zwischen Neheim und Iserlohn-Sümmern geprüft.
„Die erste Vorstellung des Projekts vor sechs Wochen hat eine breite Unterstützung im politischen Raum ausgelöst“, sagte Weißer. Auch die Landesregierung begrüßt die geplante Teststrecke für automatisiertes und vernetztes Fahren. Sie werde das weitere Vorgehen durch die neue Abteilung für Grundsatzangelegenheiten der Mobilität, Digitalisierung und Vernetzung „aktiv begleiten“, teilte das Ministerium auf WP-Anfrage mit.
Baustein eines umfassenden Konzept
Für das neue Südwestfalen-Netzwerk ist die Teststrecke jedoch nur ein Baustein eines umfassenden Konzepts für die Zukunftsmobilität in Südwestfalen. Weitere Bestandteile sind unter anderem der Ausbau des Funknetzes, der Sensor- und Kameratechnik, des Glasfasernetzes, des autonomen Busverkehrs und des Car Sharing.
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„Das Fachwissen in all diesen Bereichen ist in unserer Region bereits vorhanden, zum Beispiel in der Zuliefererindustrie“, sagte Weißer. „Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Protagonisten an einen Tisch zu bringen und zu vernetzen.“
Es klingt noch ein bisschen nach Zukunftsmusik. Doch die selbstfahrenden Autos sind näher als viele denken. Die Fahrzeuge selbst sind technisch fast schon soweit, einige Modelle sind bereits auf dem Markt. Was noch fehlt, sind geeignete Straßen sowie ein zuverlässiges und leistungsstarkes Funknetz. Das ehrgeizige Pilotprojekt für eine Teststrecke zwischen Soest und Iserlohn will diese und andere Probleme lösen. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was?
Das Projekt soll das autonome Fahren unter den besonderen Bedingungen des ländlichen Raumes testen. Dabei geht es nicht nur um die unterschiedlichen Streckenabschnitte – von der Autobahn bis zur Dorfstraße –, sondern auch um den Ausbau der Digitalisierung auf dem Land, die nachhaltige Mobilität sowie die Auswirkungen der demografischen Entwicklung. Stichwort: Wie mobil sind ältere Menschen?
Wer?
Die Motoren der Bewegung sind die Stadtwerke in Arnsberg und Menden. „Digitalisierung und Mobilität sind Bestandteile der Daseinsvorsorge, damit also auch unsere Aufgaben“, sagt Bernd Reichelt, Geschäftsführer der Stadtwerke Menden. Selbstverständlich ist das Ganze keine karitative Veranstaltung: Die kommunalen Unternehmen wollen neue Geschäftsfelder erschließen. Auch deshalb sehen sie das Projekt autonomes Fahren in einem größeren Zusammenhang. Nämlich: Mobilität und Digitalisierung. Die Stadtwerke haben bereits zahlreiche Partner um sich versammelt. Auch der Lippstädter Zulieferer Hella (fast 40 000 Mitarbeiter) prüft eine Beteiligung. Weitere Teilnehmer sind willkommen.
Warum?
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Klar, allen teilnehmenden Privatunternehmen geht es auch ums Geschäft. Sie sind sich einig: Die Digitalisierung ist der Markt von morgen. Die Fachhochschule Südwestfalen und die Technische Universität Dortmund wollen zudem ihren Ruf als zukunftsträchtige Forschungseinrichtungen in der Region stärken. „Wir denken das Projekt ganzheitlich“, sagt Karlheinz Weißer, Geschäftsführer der Stadtwerke Arnsberg, im Gespräch mit dieser Zeitung. „Das hat sicher auch positive Folgen für die Ansiedlung von Arbeitsplätzen in der Zulieferindustrie.“ Wichtig ist auch die Art der möglicherweise entstehenden Jobs: Sie sind zukunftsträchtig und sind dazu geeignet, junge Menschen in die Region zu locken.
Wann?
Spätestens in sieben Jahren sollen die fahrerlosen Autos auf der Teststrecke zwischen Soest und Iserlohn rollen. Schon 2019 soll jedoch der erste Teilabschnitt in Betrieb gehen. Derzeit prüfen die Stadtwerke einen Bereich zwischen Neheim und Iserlohn-Sümmern. Die besondere Herausforderung liegt in der Beschaffenheit der Gesamtstrecke: Sie soll sowohl Autobahnabschnitte als auch Bundes- und Kreisstraßen einbeziehen. Bei anderen Projekten werden nur bestimmte Straßen oder Fahrzeuge, zum Beispiel Busse, getestet.
Mobilitätsforum im September
Für den kommenden September planen die Stadtwerke in Arnsberg auf ihrem Campus ein Mobilitätsforum, an dem neben den Netzwerk-Partnern auch die Automobilindustrie und die Zulieferer teilnehmen werden.
Auch die Bundes- und Landespolitik soll dann hochrangig vertreten sein.
Selbstverständlich spielt auch das Thema Sicherheit eine große Rolle. Jüngst hatte der tödliche Unfall eines autonomen Autos mit einer Passantin in den USA für Schlagzeilen gesorgt. Die Frau hatte unvermittelt die Straße überquert. Experten argumentieren, dass die Technologie Unfälle eher vermeidet als verursacht.
Wie teuer?
Seriöse Angaben über die Gesamtkosten sind noch nicht möglich. Fest steht jedoch, dass es ein verlässliches Funknetz oder Signalgeber an oder in den Straßen geben muss. Denn ein Netzausfall kann fatale Folgen für die fahrerlosen Autos haben. Das Projekt zwischen Soest und Iserlohn könnte jedoch davon profitieren, dass es bereits mehrere Initiativen zur Beschleunigung der Digitalisierung in der Region gibt. Zudem werden die Projektpartner ihre eigenen Produkte einbringen und so einen Teil der Kosten schultern. Das Arnsberger Unternehmen Trilux entwickelt beispielsweise intelligente Straßenlaternen und Zebrastreifen, die Fußgänger erkennen können. Für eventuell nötige bauliche Veränderungen der Straßen könnten Bund und Land aufkommen.
Wer zahlt?
Europa, der Bund und das Land haben derzeit zahlreiche Förderprogramme im Bereich Digitalisierung und Zukunft der Mobilität aufgelegt. Davon wollen die Initiatoren aus Südwestfalen profitieren. Die Kunden der Stadtwerke müssen sich jedenfalls keine Sorgen machen: Das Projekt wird die Gebühren vor Ort nicht in die Höhe treiben.