Paderborn. . Sven Henning arbeitet an der perfekten Fahrt über deutsche Straßen: Der Forscher untersucht autonome Verkehrsströme – für ein Leben ohne Stau.

Verschwendete Lebenszeit im Stau – wie schön wäre es, wenn das der Vergangenheit angehören könnte. Sven Henning, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Paderborn, arbeitet daran. Er beschäftigt sich mit der Frage, was passiert, wenn autonomes Fahren zur Normalität geworden ist. Dann, so der 29-Jährige, schlage die Stunde der kooperativen Fahrassistenzsysteme, die Verkehrsströme wie von Geisterhand regeln. In seiner Simulation beschleunigen und bremsen Hightech-Automobile selbstständig und tauschen untereinander und mit dem Verkehrsmanagementsystem fortwährend Daten aus. „Hört sich nach ferner Zukunft an, könnte aber bereits in 20 Jahren Realität sein“, schätzt Henning. Spätestens dann seien Technik, Infrastruktur und Gesetzgebung soweit.

Das Projekt:

Seit zweieinhalb Jahren arbeitet Sven Henning im Heinz-Nixdorf-Institut mit zwei weiteren Kollegen an einer Simulation. Er knüpft auf vorangegangene Forschung des Lehrstuhls für Regelungstechnik und Mechatronik der Universität Paderborn an und nutzt ein Tool des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.

Autonomes Fahren auf dem Vormarsch

In Deutschland ist autonomes Fahren auf dem Vormarsch: Die Post will ihren elektrisch fahrenden Street-Scooter 2018 testweise mit einer Roboterwagen-Technologie ausstatten. Auch der Automobilzulieferer Bosch plant, 2018 in Kooperation mit Daimler selbstfahrende Taxis auf deutschen Straßen zu testen.

Vorausgesetzt, dass Autos mit Ampeln vernetzt sind und dadurch Geschwindigkeit beeinflusst wird, könnten die Erkenntnisse der Paderborner Forscher zu einer grünen Welle für Autofahrer führen. Wenn Maschinen den Verkehr regeln, dann habe das viele Vorteile. Henning: „Neben der Stauvermeidung, weniger Tote, geringerer Kraftstoffverbrauch und Feinstaubbelastung.“

Das Besondere:

Die Begeisterung für intelligente Verkehrsführung eint Forscher auf der ganzen Welt. In fast jedem Industrieland gibt es staatlich geförderte Projekte. Das Besondere am Paderborner ist laut Henning der ganzheitliche Ansatz: Woanders konzentriere man sich bei der Forschung auf die Kommunikation von Autos untereinander und einzelner Autos mit einem Verkehrsleitsystem. „Wir betrachten das übergeordnete System, die Kooperation des gesamten Verkehrs.“

Die Mathematik:

Algorithmen und komplexe Mathematik sind die Essenz, mit der das Paderborner Forschungsteam den Verkehrsfluss bändigen will. Sie sind auf der Suche nach der perfekten Geschwindigkeit, um störungsfrei ans Ziel zu kommen. Dabei hilft ihnen die Verkehrssimulationssoftware SUMO. Zwei Szenarien beobachten die Wissenschaftler: zum einen einzelne autonome Fahrzeuge, die vom Fahrassistenzsystem über eine Kreuzung geführt werden. Zum anderen die verteilte Verkehrsdichte. „Ich betrachte das Verkehrsnetz als eine Art Rohrsystem, durch das der Verkehr als Strömung fließt.“ Derzeit überträgt Henning das Rohrnetzmodell auf Straßenpläne der Stadt Paderborn.

Der Fahrsimulator:

Wichtig für die Paderborner Wissenschaftler ist der dynamische Fahrsimulator am Institut: Auf dem beigen Gerüst steht ein Smart. Nimmt eine Testperson in dem silbernen Wagen Platz, stemmt sich der Fahrsimulator auf seinen ­Metalstützen in die Höhe, neigt sich in vermeintlichen Kurven nach links oder rechts. Auf einer vor dem Wagen gespannten Leinwand geht die Fahrt durch Innenstädte und über Autobahnen. Henning kann so erforschen, wie Menschen auf Assistenzsysteme reagieren oder wie lang ihre Reaktionszeit ist, wenn sie selbst wieder die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen wollen.

Die Akzeptanz:

Bis es soweit ist, muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die Deutschen lieben ihr Auto. Die Hände vom Lenkrad zu nehmen und das Fahrzeug sich selbst zu überlassen, wird vielen schwer fallen. „Am Ende wird alles davon abhängen, wie groß die Akzeptanz für automatisiertes Fahren sein wird“, sagt Henning.

Der Faktor Mensch:

Für Sven Henning hat der deutsche Autofahrer zu viel Macht, den Verkehr negativ zu beeinflussen: „Es sind menschliche Unzulänglichkeiten, die zu Staus und Unfällen führen.“ Auch ein vollautomatisches Verkehrssystem arbeite nicht fehlerfrei: „Es wird auch in ­Zukunft Tote im Straßenverkehr geben, aber mit Sicherheit nicht mehr so viele wie heutzutage. Wenn das System nicht schlechter ist als der Mensch, dann bin ich für das System.“