Elspe. . Die Taliban wollten ihn zum Terroristen ausbilden. In Elspe ist er zum Beispiel für Integration geworden. Doch sein Asylantrag wird abgelehnt.
Sirat Kasra erinnert sich mit Stolz daran, wie er seinen Preis beim Lennestädter Ehrenamtstag entgegen nahm. Ein Schriftstück im silbernen Rahmen wies dem afghanischen Flüchtling ein vorbildliches Engagement im Seniorenhaus nach. Der Fußballer des SSV Elspe wurde als Musterbeispiel für Integration bezeichnet. An diesem Abend lächelte Kasra unentwegt, viele Menschen klopften ihm anerkennend auf die Schulter.
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Wenige Monate später hält Sirat Kasra ein anderes Schriftstück in den Händen. In einem Brief wird dem 18-Jährigen und seiner Familie mitgeteilt, dass ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Sofortige Abschiebung sei die Folge. „Ich war und bin immer noch fassungslos“, sagt Sirat. Zumindest vorerst kann Adelheid Sinkowski (Siegen), die Anwältin der Flüchtlingsfamilie, den jungen Afghanen beruhigen. „Es wurde fristgemäß Klage erhoben, über die das Verwaltungsgericht voraussichtlich 2019 entscheiden wird. Zur Zeit besteht in Nordrhein-Westfalen auch ein Abschiebungsstopp. Solange niemand in der Familie zum Gefährder wird oder sich massiver Straftaten schuldig macht, passiert ihnen nichts“, erläutert Sinkowski.
Ausbildung ist schon sicher
Derweil werden in Elspe alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Sirat Kasra und seine Familie langfristig hier zu behalten. „Wir waren entsetzt und traurig über die Nachricht, dass sie abgeschoben werden sollen. Sirat trainiert unsere D-Jugend. Darüber hinaus engagiert er sich im Seniorenheim“, lobt Lothar Wittwer, Jugend-Vorstandsvorsitzender des SSV Elspe. Der Verein hat der afghanischen Familie Rechtsbeistand zugesichert. „Sirat ist ein guter Schüler, macht bald seinen Realschul-Abschluss. Und seinen Ausbildungsvertrag bei der Spedition Viegener hat er schon unterschrieben.“ Wittwer schüttelt ungläubig den Kopf. „Besser integriert kann ein Flüchtling doch nicht sein, oder?“ Gleiches gelte für den Rest der Familie.
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Am 16. April wird Sirat sich und seinen Fall beim Rat der Stadt Lennestadt vorstellen. Die SPD geht bereits jetzt auf die anderen Fraktionen und auch auf Kirchen zu, um ein Bündnis gegen die drohende Abschiebung zu schmieden. „Vorbildliche Familien sollen ausgewiesen werden? Ich verstehe es nicht“, sagt Heinz Vollmer, SPD-Fraktionsvorsitzender.
Schulleiterin setzt sich ein
Auch die Lessing-Realschule in Grevenbrück, die Sirat besucht, will für die Kasras kämpfen. „Julia Beitzel, unsere Schulleiterin, hat mich in ihr Büro gerufen. Ich dachte erst, ich hätte Mist gebaut“, sagt Sirat und lacht. „Aber sie hat mir gesagt, dass sie sich für mich einsetzen will. Nach den Ferien sollen Unterschriften für mich gesammelt werden.“
Sirat Kasra hofft, dass all dies seine Abschiebung verhindern kann. Denn zurück in sein Heimatland will er keinesfalls. Noch vor seiner Geburt sind Sirats Eltern in den Iran geflüchtet, weil sie im von Krieg und Terror geplagten Afghanistan eine düstere Zukunft sahen. Aber auch im Iran war das Leben für Familie Kasra schwierig. „Dort mögen sie keine Afghanen. Mein Vater hat deshalb keine Arbeit bekommen“, erinnert sich Sirat. Also ging es im Jahr 2015 für die fünfköpfige Familie – Sirat hat einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester – zurück nach Kabul.
Taliban klopfen an der Haustür
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Als sie dort ankamen, dauerte es nicht lange, bis der Terror an ihre Haustür klopfte. „Die Taliban haben meinen Bruder und mich mitgenommen, sie wollten uns zu Terroristen ausbilden“, sagt Sirat. Kämpfer der islamistischen Miliz zeigten den Brüdern, damals 15 und 17 Jahre alt, wie man schießt, erzählt Sirat. „Nach ein paar Wochen konnten wir zurück nach Hause. Aber wenig später haben wir einen Brief bekommen. Wir sollten wieder zurück zu den Taliban.“ Seinem Vater habe es gereicht. Die Flucht in ein sicheres Land war die einzige Option.
Nie wieder wollen die Kasras Krieg und Terror erleben. Aber ob sie noch länger in Deutschland bleiben dürfen, ist fraglich. „Manchmal müssen wir einfach nur weinen“, sagt Sirat Kasra. Doch eins ist gewiss: Mehr Unterstützung aus ihrer neuen Heimat, dem kleinen Elspe, könnten sie nicht bekommen.