Schmallenberg. . Radtourismus im bergigen Sauerland? Was vor zehn Jahren undenkbar war, macht das E-Bike möglich, sagt Jannik Müller von der Sauerland-Radwelt.

  • Sauerland-Radwelt mit 3000 Kilometer langem Radwegenetz
  • enges Netz an Leih-Angeboten und Aufladestationen
  • viele flache Routen an Bahntrassen und Flüssen – aber Vorstellung des Bergigen überwiegt

Mit dem E-Bike erobern Radfahrer das Sauerland. Vor zehn Jahren wäre diese Entwicklung undenkbar gewesen. Jannik Müller, Projektleiter der Sauerland-Radwelt, im Interview mit der WESTFALENPOST.

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Welche Rolle spielt das E-Bike?

Jannik Müller: Vorweg, viele unserer Routen auf Bahntrassen und den Wegen an den Flüssen sind sehr steigungsarm. Trotzdem überwiegt die Vorstellung, dass das Sauerland als Mittelgebirge schwer zu befahren ist. Das E-Bike nimmt Gästen und Einheimischen die ersten Hemmungen. Dazu kommt, dass die anspruchsvolleren Strecken auf unserem fast 3000 Kilometer langen Radwegenetz einfacher zugänglich werden und die Tageskilometer der Nutzer steigen.

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© privat | privat

Gibt es Radwege für E-Biker?

Müller: Einen speziellen Radweg nur für E-Biker haben wir nicht. Jede unserer Touren auf dem Radnetz ist unabhängig davon, ob E-Bike oder nicht, gut zu befahren. Wir haben speziell für E-Biker einige Tourentipps. Diese sind gut mit einer Akkuladung zu bewältigen, liegen an unserem gut ausgebauten Netz von Ladestationen und bieten die Möglichkeit, ein E-Bike zu leihen.

Wer ist mit dem E-Bike unterwegs?

Müller: Ich denke nicht, dass es sich vornehmlich um die Personen 60+ handelt. Vielmehr ist die Entscheidung für das E-Bike auch eine Frage des Komforts.

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Wie viel Kilometer werden am Tag im Schnitt zurückgelegt?

Müller: Das kann ganz stark variieren. Welchen Modus nutzen Sie, also welche Grad an Unterstützung nehmen Sie wahr? Führt die Strecke viel bergauf? Bringt der Akku noch seine volle Leistung und welche Kapazität hat er überhaupt? Sie sehen, es gibt zu viele Faktoren um eine generelle Aussage zu treffen.

Ist die Infrastruktur für den Ansturm gerüstet?

Müller: Wir haben bereits 170 eingetragene Ladestationen in unserer Datenbank, Tendenz stark steigend. Auch die Verbreitung der Verleihstationen in der Fläche ist groß. Hier merkt man einen Zuwachs sowohl was Verleihstationen angeht als auch bei der Kapazität der bestehenden.

E-Bike-ABC – Alles, was Sie wissen müssen

E-Bike, Pedelec, S-Pedelec?

E-BIKE ist der Oberbergiff. PEDELECS sind E-Bikes, bei denen der Motor das Radeln bis 25 km/h unterstützt – bei S-PEDELECS bis 45 km/h.

Akku

Die meisten Akkus können an jedem normalen Stromanschluss aufgeladen werden. Für eine längere Lebenszeit gilt das Gleiche wie bei anderen Akkus: nicht komplett entladen, nach jeder Fahrt aufladen, extreme Hitze/Kälte meiden und vom Rad nehmen, wenn man lange nicht fahren wird.

Frontmotor

Der Frontmotor ist am Vorderrad montiert. Er wird aber immer seltener gewählt – er ist zwar recht preiswert, hat aber entscheidende Nachteile: Der Motor ist schwer und beeinträchtigt dadurch das Lenken.

Mittelmotor

Der Mittelmotor ist auf Höhe der Pedalen montiert. Er ist teurer als die anderen Varianten, aber dafür stört er durch den Schwerpunkt in der Mitte das Fahrverhalten nicht. Außer ist er leichter – und sehr effizient, weil die Kraft direkt übertragen wird. Einziger Nachteil: Die Kette wird stärker belastet als bei den anderen Varianten.

Heckmotor

Der Heckmotor an der hinteren Nabe wird gern für sportliche E-Bikes genutzt. Die Vorteile: Der Motor ist leise und nachrüstbar, Schaltung und Kette werden kaum belastet, und Heckmotoren können für den Akku Energie zurückgewinnen.

Reichweite

Wie lange hält der Akku? Schwierig zu sagen – das hängt von vielen Faktoren ab: Strecke, Bodenbelag, Temperatur, Wind, Gewicht des Fahrers, Fahrstil... Man kann aber sagen, dass meist 50 bis 100 Kilometer möglich sind.

Radweg, Straße, Führerschein, Helm?

Rechtlich werden E-Bikes wie normale Fahrräder behandelt. Führerschein und Helm sind also nicht nötig. Außer bei S-Pedelecs: Wegen der höheren Geschwindigkeit gelten sie als Kleinkrafträder – und brauchen ein Versicherungskennzeichen, einen Führerschein Klasse B/M, Rückspiegel und Helm.

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Gibt es Schwachpunkte?

Müller: Wir sind auf einem guten Weg. Vereinzelt gibt es jedoch noch Lücken, was das Netz an Ladestationen angeht. Beim Verleih wäre eine engere Kooperation zwischen den Stationen denkbar, gerade für Leihvorgänge auf den Streckenradwegen wäre dies ein Vorteil.

Sind Fahrradhändler und E-Bike-Verleiher auf die wachsende Nachfrage vorbereitet?

Müller: Ja. Das hat die Befragung im Rahmen der Studie zum Wirtschaftsfaktor Radtourismus im Sauerland aus dem Jahr 2016 ergeben.

Welche Rolle spielt der Radtourismus als Wirtschaftsfaktor?

Müller: Die Hochrechnungen durch die dwif-Consulting GmbH gehen von einem Bruttoumsatz von 150 Millionen Euro jährlich aus. Dies spiegelt den hohen Stellenwert des Radfahrens im Wirtschaftsfaktor Tourismus.

Ein Überblick über aktuelle Fahrrad-Trends

Holzfahrräder

Der Fahrrad-Designer Didi Senft ist als "Teufel" der Tour de France bekannt. Mit einem selbstgebauten Holzrad huldigt er dem Erfinder des Laufrades, Karl Drais.

Holzfahrräder

Moderne Holzräder geben optisch etwas mehr her. Der Vorteil des Naturmaterials: Es fängt Stöße ab, so dass der Fahrer nichts abbekommt.

Cargobikes

Speziell in Großstädten sind Cargobikes bzw. Lastenräder im Trend. Die Räder eignen sich für den Transport auch schwerer Lasten wie Getränkekästen. Sie schonen die Umwelt und brauchen keine größeren Parkplätze.

Rennräder

Der Klassiker ist immer im Trend. Sobald das Wetter wärmer und die Straßen trockener werden, bevölkern Rennradfahrer die Straßen. Vor allem seit immer mehr Läufer auch den Triathlon für sich entdecken, erfreuen sich Rennräder wieder größerer Beliebtheit.

Cyclocross

Der neueste Trend bei Rennrädern sind Cyclocross-Räder. Diese Rennradvariante ist robuster als die Straßenverwandtschaft. Trotz der stärkeren Bereifung sind die Räder aber auch absolute Straßenrenner und daher auch für Pendler sehr gut geeignet - vor allem wenn der Arbeitsweg nicht nur über Asphalt führt.

Fatbikes

Fatbikes zeichnen sich durch extrem dicke Reifen aus. Sie eignen sich eher zum Cruisen in der Freizeit als zum Pendeln oder sportlichen Fahren über weitere Strecken.

Scheibenbremsen

Scheibenbremsen kommen bei vielen neuen Fahrradtypen zum Einsatz. Sie verkürzen den Bremsweg und bieten auch bei nasser Fahrbahn Halt.

Mountainbike

Ein Evergreen wie das Rennrad ist das Mountainbike. Im Straßenverkehr sind die robusten Fahrräder zwar inzwischen von leichteren Fahrrad-Typen abgelöst worden, aber als Sportgerät sind sie weiterhin populär.

BMX

Seit Steven Spielbergs Filmklassiker E.T. im Trend und inzwischen sogar olympisch: BMX-Räder.

Falträder

Zum Pendeln über kürzere Strecken bieten sich Falträder an. Und wenn die Bahn mal wieder streikt, lassen sich auch längere Strecken überbrücken.

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Hat der Rad-Boom einen Beschäftigungseffekt ausgelöst?

Müller: Das Radfahren sorgt für direkte und indirekte Einkommenseffekte und generiert so natürlich auch Beschäftigung. Rein rechnerisch könnten etwa 2500 Personen ihren Lebensunterhalt mit einem durchschnittlichen Primäreinkommen bestreiten.

Wissen Sie, wo die Radfahrer herkommen?

Müller: Im Allgemeinen kann man sicher sagen, dass viele der Radtouristen aus dem Ruhrgebiet, dem Rheinland und den Beneluxländern kommen. Aber natürlich auch aus den anderen umliegenden Regionen. Vor allem Produkte wie der Ruhrtalradweg haben eine deutlich größere Anziehungskraft.

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Wie lange bleiben die Gäste im Durchschnitt?

Müller: Eine große Zahl der Radtouristen sind Tagesausflügler. Bei den geschätzten 500 000 Übernachtungen durch Radfahrer muss man davon ausgehen, dass es sich vorrangig um Kurzurlauber handelt.

Kommen die Leute wieder?

Müller: Ja, die Radfahrer kommen wieder. Das wird uns nicht nur im Kontakt mit den Gästen gespiegelt. Bei der Befragung aus dem Jahr 2016 haben die Tagesausflügler im Durchschnitt angegeben über sechs Mal pro Jahr einen Ausflug ins Sauerland zu unternehmen.

Wie viel Geld geben sie am Tag aus?

Müller: Das hängt natürlich davon ab, ob es sich um einen Tagesgast handelt, der etwa 11,30 Euro pro Tag ausgibt, oder um einen Übernachtungsgast. Hier geht man im Durchschnitt von 101 Euro aus.

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Wie schätzen Sie die Entwicklung beim E-Bike ein?

Müller: Das E-Bike wird einen immer größeren Stellenwert einnehmen, sowohl im Alltag als auch im Tourismus. Wir werden mit verbesserten Reichweiten und sicher auch einer Gewichtsreduktion bei den Rädern rechnen können. Der E-Bike-Boom wird sich sowohl beim Tourenrad als auch beim Mountainbike weiter verstärken.

Fahren Sie selbst E-Bike?

Müller: Ich besitze kein eigenes E-Bike, habe aber schon des Öfteren eines genutzt. Auch bei mir eine Frage des Komforts und natürlich des Spaßfaktors, wenn es ums Mountainbiken geht.

Haben Sie eine Lieblingsroute?

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Müller: Ich habe noch lange nicht jede Route im Sauerland fahren können, da ist es schwer zu sagen, welche Strecke die schönste oder spannendste ist. Im letzten Jahr bin ich mit dem Rennrad den Möhnetalradweg von Brilon nach Arnsberg und auf dem Ruhrtalradweg zurückgefahren. Eine sehr abwechslungsreiche Tagestour.

Wird das Streckennetz ausgebaut?

Müller: Mit dem Radnetz Sauerland und Siegen-Wittgenstein, das alleine im Sauerland 3000 Kilometer umfasst, haben wir ein sehr dichtes Netz geschaffen. Vielmehr geht es an einigen Stellen nun um eine qualitative Verbesserung.