Hagen. . Metzgerbranche befindet sich im Wandel. Situation verschärft sich in Richtung Ruhrgebiet. Heimische Fleischer zeigen, wie sie der Krise trotzen
- In Hagen und im EN-Kreis hat in den letzten zehn Jahren jeder zweite Metzger aufgehört
- In Südwestfalen sank die Anzahl der Betriebe um bis zu 35 Prozent
- Umsatz der verbleibenden Betriebe steigt dennoch, da sich die Fleischer neue Geschäftsfelder suchen
In Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis hat in den vergangenen zehn Jahren jede zweite Fleischerei geschlossen. Das geht aus den Zahlen der Handwerkskammer Dortmund hervor. Eine Entwicklung, die auch in Südwestfalen spürbar ist.
Investitionsstau in vielen Betrieben
Gero Jentzsch vom Deutschen Fleischerverband spricht von generellen Veränderungen im Handwerk und im kleinen Lebensmitteleinzelhandel, nennt aber als einen der Hauptgründe die Frage der Betriebsnachfolge. Wirtschaftliche Gründe seien eher selten für die Schließungen, erklärt Gero Jentzsch. Allerdings herrsche auch häufig ein Investitionsstau.
Weniger wirtschaftliche Gründe
Auch Willi Breddermann fand keinen Nachfolger für seinen Betrieb, so schloss er 2016 seinen Laden in Hagen-Vorhalle nach über 70-jähriger Familientradition. Der Sohn wollte den Laden nicht übernehmen, einen Käufer fand das Ehepaar nicht, obwohl das Geschäft gut lief.
Nachwuchs mit Facebook begeistern
Die Branche hat Schwierigkeiten, Nachwuchs zu begeistern. „Obwohl sich dort gutes Geld verdienen lässt und man schnell aufsteigen kann“, sagt
Markus Kluft von der Handwerkskammer Südwestfalen. Um junge Menschen zu gewinnen, setzt Theresa Veh (28), Juniorchefin in der Fleischerei Veh in Arnsberg-Neheim, zum Beispiel auf Guerilla-Marketing. Regelmäßig postet sie auf der Firmen-Facebook-Seite. Die Fans erhalten so Einblicke hinter die Kulissen einer modernen Metzgerei. Der Fleischerei-Verband wirbt in seiner neuen Kampagne mit dem Slogan „Anders als du denkst.“
Arbeiten, wenn andere frei haben
Die jungen Menschen hätten ein falsches Bild im Kopf, findet Fritz Wied, Metzgermeister in der zweiten Generation in Erndtebrück. „Hier steht niemand knietief im Blut.“ Aber es bleibe ein Handwerk, ein Beruf, in dem man anpacken müsse. Es gehört zum Alltag, dann arbeiten zu müssen, wenn andere frei haben. „Wie an Weihnachten. Da ist bei uns Hochbetrieb.“ Die Nachfolge in Wieds Betrieb ist geregelt: Sein Sohn studiert gerade in Köln: BWL und Metzgermeister in einem dualen Studiengang.
Trotz sinkender Anzahl an Betrieben steigt der Umsatz.
- Der durchschnittliche Jahresumsatz pro Betrieb liegt laut Fleischerverband aktuell bei mehr als 1,2 Millionen Euro, 2005 waren es noch etwa 870 000 Euro, 1990 rund 1,3 Millionen Mark (660 000 Euro).
- Der Gewinn vor Steuern in einem durchschnittlichen Fleischer-Fachgeschäft liegt zwischen 8 und 10 Prozent.
- Gleichzeitig wachsen die Betriebe: 1970 hatte eine durchschnittliche Metzgerei 5,9 Beschäftigte inklusive Chef, im Jahr 2015 sind es durchschnittlich 10,9 Beschäftigte.
Jentzsch: „Es ist also unzulässig, die Leistungsfähigkeit der Branche nur auf die reinen Betriebszahlen zu reduzieren.“
Dass der Umsatz steigt, liegt auch daran, dass sich die Fleischer neue Märkte und Dienstleitungen erschließen. Ein Beispiel dafür liefert Metzgermeister Frank Kutsche (37) aus Meschede-Eversberg. Er übernahm das Geschäft vor 14 Jahren von seinem Vater. Damals wurde noch selbst geschlachtet, die Kunden kamen aus dem 2000-Einwohner-Ort. Kutsche baute das Geschäft für den Partyservice aus und eröffnete 2009 einen zweiten Laden in der Mescheder Fußgängerzone.
Dort bietet er nun auch Feinkost, Fisch und eine heiße Theke an. Im April wird er eine Filiale in Eslohe-Bremke eröffnen. Der Laden liegt an der Bundesstraße 55, zur Zielgruppe gehören hier die Menschen, die morgens aus Schmallenberg in Richtung Autobahnkreuz Olpe fahren.
Japanisches Kobe-Rind kosten
„Jedes Produkt, das wir herstellen, ist einzigartig. Das gibt es nur bei uns“, sagt Kutsche. „Wir wissen, was in der Leberwurst steckt. Jede Zutat, jedes Gewürz.“ Auf den Packungen im Discounter stehe das nicht. Die Billig-billig-Mentalität der Kunden habe allerdings nachgelassen. „Da gibt es ein Umdenken. Für Kunden ist mittlerweile der Preis weniger ausschlaggebend als die Qualität.“
Alte Rezepte
Auch der Erndtebrücker Metzger Fritz Wied setzt auf alte Rezepturen mit
neuen Maschinen – und „Verrücktheiten“, wie er es nennt. Er bietet Grillkurse und Beef-Tastings an, wo Teilnehmer japanisches Kobe-Rind verkosten. In einem Kühlschrank reift er über Wochen Rindfleisch. So entsteht das besondere „Dry Aged“-Aroma – ein Megatrend in der Branche. Wieds Vater, 90 Jahre alt, sagt dazu übrigens: „Das ist nichts Neues. Gut abgehangenes Fleisch gab’s früher schon.“