Hagen. Wenn Arnsberg auf einmal weit weg ist. Testfahrt mit dem Elektroauto. Reichweite bleibt Schwachstelle. Dünnes Netz von Ladestationen in Südwestfalen.

  • Planung geht über alles.
  • Realistisch sind 120 Kilometer Reichweite.
  • Die Beschleunigung ist unschlagbar.

Ihre letzte Zigarette? Die Raucherin zuckt zusammen. Bis in die Kniekehlen ist ihr das Auto gefahren. Sie stutzt, sie hat es nicht gehört. Das Alter? Nein. Ohne Geräusch rollt der Wagen auf den Hof im Hagener Pressehaus. Ein lautloses Auto. Das löst Staunen aus. Bei Passanten und Fahrer.

Fernöstliche Klänge

Wer ein Elektromobil steuert, der erweitert seinen Horizont, fühlt sich wie Captain Kirk mit seinem Raumschiff Enterprise unterwegs in unendlichen Galaxien. Oh Gott, der Wagen fährt.

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Also, beim Starten den rechten Fuß auf der Bremse lassen. Immer. Das sagt Christian Uhlich. Mehrmals. E-Mobil-Anfänger machen ihn nervös. Der Fachmann von RWE eMobility aus Dortmund weist den Neuling in die Besonderheiten des Fahrzeugs ein. Gestartet wird der Nissan Leaf (80kW/109 PS/28 000 Euro), Automatikgetriebe, per Knopfdruck. Untermalt mit fernöstlichen Klängen tauchen die knalligen Symbole auf dem digitalen Armaturenbrett wie aus dem Nichts auf.

Jede Strecke will geplant sein

„Wo wollen Sie heute hin?“ „Nach Arnsberg.“ „Das ist aber weit.“ Weit? Seit wann? Das hat der Neuling nicht geahnt. Er fährt los und kommt an. Wie immer. Am Steuer des meistverkauften Elektroautos der Welt, so preist der japanische Automobilhersteller das emissionsarme Stück an, ist es anders. Jede Strecke will überlegt sein, Planung geht über alles. Wie weit ist das Ziel? Wo finde ich Ladesäulen? Wo sind gewöhnliche Steckdosen? Komme ich zurück? Schöne neue Welt.

120 Kilometer sind sicher

Sie erinnert an die Zeit, als der Akku des betagten Laptops um Energie gebettelt hat. Ein Satz der Fahrzeugübergabe klingelt nach: „Nutzen Sie jede Gelegenheit zum Laden.“ Und: „Auch wenn die Reichweite mit 200 Kilometer angegeben wird, lassen Sie es nicht darauf ankommen. Realistisch und sicher sind 120 Kilometer.“

Das macht wenig Mut. Erste Fahrt. 31 Kilometer sind es von Hagen zur Sportklinik Hellersen über die A 45. Beunruhigend. Ist die Rückfahrt gewährleistet? Für 65 Kilometer ist laut Anzeige noch Saft da. Puuh. Das muss reichen. Reicht auch. Ohne Klimaanlage, mit Tempo 80 im Windschatten eines Sattelschleppers. Ergo: Elektroauto fahren heißt, bei Fahrten klein zu denken, bei der Geschwindigkeit klein beizugeben.

Phänomenale Beschleunigung

Mit einer Ausnahme: Beim Beschleunigen ist das Elektroauto fast unschlagbar. In 3,7 Sekunden auf 50 km/h. Großartig. Eine Rakete. Kein Ruckeln. Nichts. Der Oberkörper wird in die Rückenlehne gedrückt. Ein Blick auf die abnehmenden Balken im Display liefert die Antwort: ein verschwenderischer Akt. Diese Spielerei muss die Ausnahme bleiben. Sonst hechelt das sechs Meter lange Ladekabel im Kofferraum nach frischem Saft. In jeder gewöhnlichen Steckdose, die übliche Netzspannung liegt in Deutschland bei 230 Volt, kann er gezapft werden. Eine Kabeltrommel im Wagen muss her. Der Anfänger denkt praktisch.

Ladesäulen.jpg
© Manuela Nossutta/Grafik

Ladestationen im Sauerland sind dünn gesät. Die Landkarte glänzt mit weißen Flecken. Dortmund ist gut bestückt. Versuch macht klug. Die erste Säule in Hombruch ist zugeparkt, an der zweiten am Stadion funktioniert die App nicht. Ein Ordner bietet zwei Finger an: „Ich stehe unter Strom.“ Witzbold. Zurück in die Tankstelle nach Hause. Acht Stunden nachladen.

Was bleibt? Das lautlose Schweben wie ein Blatt (Leaf), das zu Boden fällt, hat was. Elektroautos für alle? Ein Traum, diese Ruhe. Vorher - Gedenken der Opfer: Für alle Fußgänger, die nach Gehör Straßen überqueren. Nie war die Hupe beim Autofahren wichtiger.