Altena/Hagen. . Das Landgericht Hagen sieht in der Brandstiftung in einem Flüchtlingsheim in Altena versuchten Mord in sieben Fällen. Fremdenhass war wohl Motiv.
- Gericht sieht Anschlag in Altena als Mordversuch
- Brandanschlag auf Flüchtlingsunterkunft im Herbst 2015
- Staatsanwaltschaft ging von schwerer Brandstiftung aus
Die juristische Aufarbeitung des Brandanschlags auf eine Flüchtlingsunterkunft in Altena im vergangenen Herbst hat am Freitag eine spektakuläre Wendung genommen hat. Mit „höherer Wahrscheinlichkeit“, so die Auffassung der 4. Großen Strafkammer, droht den beiden Beschuldigten eher eine Verurteilung wegen gemeinschaftlichen versuchten Mordes in sieben Fällen als eine Verurteilung wegen gemeinschaftlicher schwerer Brandstiftung – wie es die Staatsanwaltschaft Hagen in ihrer Anklageschrift formuliert hat. Die Kammer hat den Fall jetzt an das Schwurgericht abgegeben.
Ein Feuerwehrmann (25) und ein zwei Jahre jüngerer Komplize sollen am 3. Oktober 2015 einen Brand auf dem Dachboden des als Flüchtlingsheim genutzten Mehrfamilienhauses in Altena gelegt haben. Motiv der Täter aus Sicht der Staatsanwaltschaft Hagen: Angst vor Flüchtlingen und möglichen Straftaten in ihrer unmittelbarer Nachbarschaft. „Hintergrund ist eine persönliche Überzeugung, keine politische“, wurde Staatsanwalt Bernd Maaß seinerzeit zitiert. Diese Sichtweise und die Tatsache, dass keine Untersuchungshaft beantragt wurde, löste bundesweit Empörung und Unverständnis bei Politikern und Medien aus.
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Staatsanwaltschaft schweigt
Der Staatsanwalt will sich zu der Landgerichts-Entscheidung nicht äußern. Und auch Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli, Sprecher der Behörde, betont: „Wir geben keine Stellungnahme ab.“ Wie zu hören ist, muss die Heftigkeit der damaligen öffentlichen Reaktionen die Behörde überrascht haben.
Was hat die 4. Große Strafkammer „nach akribischer Auswertung aller Ermittlungsergebnisse“ - wie es in einer Pressemitteilung heißt - bewogen, dem Anklagevorwurf der Staatsanwaltschaft nicht zu folgen? „Die Kollegen waren sich bei der Betrachtung, was für und was gegen eine schwere Brandstiftung spricht, nicht ganz sicher und haben sich den Brandsachverständigen noch einmal ins Boot geholt“, sagt Landgerichtssprecher Jens Berndt. Und dieser habe auf die Frage, ob ein Feuerwehrmann mit seiner Fachkenntnis einen Brand dieser Art so legen kann, dass Bewohner nicht in Gefahr geraten, eindeutig verneint. Die Angeklagten hatten ausgesagt, dass sie niemand zu Schaden bringen wollten. In das Haus waren kurz vor dem Brand sieben Syrer eingezogen.
Die 4. Große Strafkammer hat sich in ihrer Entscheidung nicht dezidiert zum Motiv der Fremdenfeindlichkeit geäußert. Dass sie letztlich versuchten Mord in Erwägung zieht - und nicht etwa versuchten Totschlag - könnte darauf hindeuten, dass man sehr wohl einen niedrigen Beweggrund - sprich: Fremdenhass - hinter dem Geschehen vermutet.
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Lob von SPD-Politiker
SPD-Bundestagsabgeordneter Dirk Wiese (Brilon) hatte seinerzeit die „vorschnelle Bewertung des Sachverhalts“ seitens der Staatsanwaltschaft kritisiert. Die Entscheidung des Landgerichts begrüßt er: „Wer so vorgeht wie die Täter und auch Brandbeschleuniger verwendet, nimmt zumindest billigend in Kauf, dass das Leben von Menschen in Gefahr gerät.“ Wiese verweist auf das Grundgesetz: „Die Einhaltung von Spielregeln, die wir von Flüchtlingen fordern, muss für diejenigen, die schon länger hier leben, eine Selbstverständlichkeit sein.“