Siegen. . Eine Region rüstet sich für den absehbaren Dauerstau auf der Autobahn 45. Die Lebensader Südwestfalens ist marode, die A45 wird sechsspurig ausgebaut, die Brücken müssen erneuert werden. Aber auch in dieser Zeit müssen die Produkte aus der Region zu den Kunden in aller Welt transportiert werden. Das gilt besonders für die exportorientierten Maschinen- und Anlagenbauer aus dem Siegerland, die die Seehäfen erreichen müssen. Hier bietet sich die Bahn als Partner an. Der Ausbau der Verbindungen von Siegen nach Hagen und nach Köln gilt als beschlossene Sache, weil sie die Mittelrheinschiene entlasten können. Eine Fachtagung fand großen Zuspruch.

Eine Region rüstet sich für absehbare 15 bis 25 Jahre Dauerstau. Für die Zeit, wenn die marode A 45 instandgesetzt wird. Es geht um Alternativen zur Straße – nicht für Otto Normalbürger, sondern für die zahlreichen Vertreter der exportorientierten Industrie in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe, die ihre Produkte zu den Seehäfen oder zumindest an den Rhein transportieren müssen.

Es kann sich lohnen, sich ernsthaft mit den Angeboten der Bahn auseinanderzusetzen – diese Botschaft ging gestern vom Dialog Schiene Südwestfalen aus. „Ein Dialog einmal nicht für die Straße, sondern für die Schiene in Südwestfalen“, wie Andreas Müller, Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, betonte. „Die Probleme beginnen vor der Haustür. Straßen und Brücken sind nicht schwerlastfähig. Wir haben großes Interesse, den Schienengüterverkehr zu stärken“, fügte Müller hinzu.

Die Veranstalter, die Bundesvereinigung Logistik, der Hamburger Hafen, die Bahn-Logistiktochter Schenker, die Kreisbahn Siegen-Wittgenstein und die IHK Siegen, bemühten sich nach Kräften und zeigten sich erstaunt über die große Teilnehmerzahl – rund 150 Vertreter von Unternehmen und Verbänden waren in die Siegerlandhalle gekommen, viele von ihnen haben den Angaben zufolge mit Schiene nichts zu tun. Das Problem brennt allen Beteiligten auf den Nägeln.

Ausgangslage

Die Bahn soll im Güterverkehr Lasten übernehmen, hat aber nicht die Infrastruktur dafür. Anders als auf der Straße und Autobahn ist der Ausbau der Bahnstrecken von Siegen nach Hagen (Ruhr-Sieg-Strecke) und nach Köln (Sieg-Strecke) laut Müller „so nahe wie nie zuvor“, was aber auch hier ein Jahrzehnt bedeuten kann. Die Strecke nach Köln muss zweigleisig ausgebaut werden, die nach Hagen braucht die containerfähige Erweiterung ihrer Tunnel. Das Projekt befindet sich im Bundesverkehrswegeplan und ist unstrittig. Die Frage ist, ob es in den vordringlichen Bedarf aufgenommen wird.

Studie

Das, was die Experten optimistisch stimmt, ist eine Bundes-Studie vom Jahresbeginn mit dem Auftrag, Alternativen zur überlasteten Bahnstrecke im Mittelrheintal zu finden. „Das Land NRW hat darauf gedrungen, in die Studie aufgenommen zu werden“, betonte Dr. Rajmund Gatzka vom NRW-Verkehrsministerium. Ergebnis: Beide genannten Strecken durch Südwestfalen sind „die Alternativen schlechthin, um den Mittelrhein zu entlasten.“ Nur müssen sie eben noch ausgebaut und containertauglich gemacht werden. Aber die Grundvoraussetzungen stimmen.

Containerterminal

Am Ausbau des Schienennetzes hängt aber noch mehr. Im März 2016 soll ein neuer Containerterminal in Kreuztal mit acht Millionen Euro Investitionskosten fertiggestellt sein und den Ausbau des kombinierten Verkehrs Straße/Schiene beschleunigen. Laut Gatzka „ein kleines Bekenntnis der Region zum Güterverkehr auf der Schiene.“ Das geht natürlich nur, wenn die Container auch in Kreuztal ankommen und nicht in den engen Tunneln hängen bleiben. Bis dahin ist es nach den Worten des Experten möglicherweise aber noch „ein langer Weg“.

Hinterlandverkehr

Und die Zahl der Container, die durch Südwestfalen rollen, wird schnell zunehmen. Gatzka stellte eine Prognose vor, nach der der Güterverkehr deutschlandweit 2030 im Vergleich zu 2010 um 38 Prozent zugenommen haben wird, der Personenverkehr um 13 Prozent. Dabei gewinnen Häfen wie Hamburg zunehmend an Bedeutung für die exportorientierten Unternehmen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe. Michael Pirschel von der Hafen- und Logistikabteilung der Hansestadt stellte fest, dass etwa die Hälfte des südwestfälischen Warenaustausches mit dem Hamburger Hafen aus dieser Region kommt – überwiegend per Lkw. „Gibt es Möglichkeiten, dieses Wachstum zugunsten der Bahn zu steuern“, fragte er. Der Zustand der Autobahn 45 wird die Antwort liefern.