Witten/Herdecke. . Eine neue Studie zeigt: Gezieltes Training kann eine Demenz hinausschieben. Christian Müller-Hergl von der Uni Witten/Herdecke erklärt, wie.

Das Alter ist mit vielen Ängsten verbunden: Was wird, wenn die Rente nicht reicht? Muss ich ins Heim? Aber die größte Angst ist die, den Verstand zu verlieren: Endstation Demenz. Und trotz intensiver Forschung sieht es nicht danach aus, dass bald ein Medikament auf den Markt kommt, dass Schutz oder Heilung verspricht.

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Um so mehr Hoffnung verbreitet deshalb eine Studie aus Finnland, die besagt: Vorbeugung ist möglich. Training des Körpers und des Gedächtnisses helfen. Für das Dialog- und Transferzentrum Demenz an der Uni Witten/Herdecke scannt Christian Müller-Hergl kontinuierlich die aktuelle Forschung. Wir haben mit ihm über jüngste Erkenntnisse gesprochen.

Kann ich mich mit Training vor Demenz schützen?

Christian Müller-Hergl: Mit einer gesunden Ernährung – Stichwort: Mittelmeer-Diät – , mit Bewegung und mit Gedächtnistraining kann ich eine Demenz hinausschieben, also ein paar Jahre gewinnen. Das ist schon länger eine begründete Vermutung, aber die Studie aus Finnland mit der hohen Zahl von 1260 Teilnehmern und einem Untersuchungszeitraum von 24 Monaten belegt diesen Zusammenhang jetzt verlässlich.

Was wurde genau untersucht?

Bluthochdruck, Fettleibigkeit oder Diabetes gelten als ein Risikofaktor für Alzheimer. Die Forscher haben nun 1260 Menschen zwischen 60 und 77 Jahren, die ein erhöhtes Risikopotenzial aufwiesen, aber noch keine Symptome von Demenz zeigten, per Zufall in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine bekam lediglich Informationen über die Vorteile von gesunder Ernährung und genügend Bewegung, die andere wurde intensiver betreut: Sie bekamen individuelle Ernährungsempfehlungen, ein wöchentliches Muskelaufbautraining, Aerobic-Kurse, kognitives Training - also Denksport, auch zu Hause am Computer – und jede Woche ermunternde Telefonanrufe, um das Niveau der Anstrengungen stabil zu halten.

Und nach zwei Jahren hat man die Unterschiede analysiert?

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Genau. Und die waren erheblich. Bei der trainierten Gruppe waren die kognitiven Funktionen (Wahrnehmen, Verarbeiten, Erinnern) um 25 Prozent besser und die Exe­kutivfunktionen (Handlungen planen, Denken und Schlussfolgern) um 83 Prozent. Bei der Verarbeitungsgeschwindigkeit schnitten sie sogar um 150 Prozent besser ab.

Was folgt daraus?

Jeder Einzelne kann etwas für sich tun. Aus der Perspektive des Gesundheitswesens stellt sich aber die Frage, ob die Kapazitäten reichen, um Risikopatienten zu identifizieren und in präventive Maßnahmen zu bringen. Politisch wären Anreizsysteme zu empfehlen: Wer so ein Programm bucht, sollte einen Kassenbonus bekommen.

Wann sollte Vorsorge beginnen?

Aktuell verstehen wir die Alzheimer-Demenz so, dass der Prozess mehrere Jahrzehnte vor der Sichtbarkeit von Demenzsymptomen beginnt. Interventionen, die erst mit Beginn der Symptome erfolgen, zeitigen kaum Erfolge. Das heißt, dass man spätestens ab dem 50. Lebensjahr präventiv mit der Umstellung der Lebensweise beginnen sollte.

Arzneien können wir vergessen?

Die Hoffnung, die Symptome durch Medikamente wegzubekommen, ist illusorisch. Aber es könnte gelingen, den Beginn der Demenz um etwa 10 Jahre nach hinten zu verschieben.

Was gibt es sonst für neue Forschungsergebnisse?

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Eine kanadische Studie hat den Einsatz von Robotern untersucht, die Menschen mit leichter bis mittelschwerer Demenz Anleitungen zum Händewaschen und Teekochen geben. Dabei zeigte sich: Angehörige, die häufige Erinnerungen und beständiges Fragen (nach der Tageszeit, den Schlüsseln oder dem Telefon) als belastend empfinden, bewerten den Roboter-Einsatz positiv, auch weil der nicht ungeduldig wird. Sie könnten sich einen Einsatz bei vielen Routinetätigkeiten vorstellen. Die Personen mit Demenz selbst waren skeptischer: Noch bräuchten sie keinen Roboter. Und eine Begleitung durch lebende Begleiter wäre besser.

Wie sehen Sie das?

Roboter können keine Menschen ersetzen, sie aber entlasten.

Weitere Erkenntnisse?

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Eine niederländische Studie hat den Einsatz von Antidepressiva bei Menschen mit Demenz untersucht. Positiv gibt es keinen nennenswerten Effekt gegenüber Placebos, also keinen Nutzen. Der Schaden durch Nebenwirkungen ist aber deutlich belegt: Ängste, Nervosität, Zittern, Stürze. Angesichts dieser Ergebnisse ist es fragwürdig, dass 25 bis 42 Prozent aller Dementen Antidepressiva erhalten. Das ist nicht überraschend, weil Psychopharmaka insgesamt nicht für alte Menschen entwickelt wurden und schon gar nicht für Alte mit Demenz. Zusammenfassend müssten nicht-pharmakologische Möglichkeiten viel mehr zum Einsatz kommen: diese sind allerdings personalaufwendig und eben dies – Personal – steht nicht zur Verfügung. Also werden Medikamente verschrieben, die wenig bringen, aber etwas anderes hat man nicht – traurig.