Witten. Der Bochumer Nikolaus Munzig wollte sich unbedingt mit einer eigenen Praxis selbstständig machen. Nun sieht er das anders - und nennt mehr als einen Grund.

In Deutschland fehlen Hausärzte. Warum reizt die eigene Praxis Medizinstudierende so wenig? Der Bochumer Nikolaus Munzig (29), Medizinstudent an der Privatuniversität Witten-Herdecke, kennt mehr als eine Antwort.

So ziemlich am Anfang war für mich klar, dass ich eine Praxisübernehmen wollte. Ich dachte, nur wenn ich mein eigener Chef bin, kann ich so arbeiten, wie ich es für richtig und gut gegenüber meinen Patienten halte. Heute würde ich auf keinen Fall eine Hausarztpraxis übernehmen.

Zum Medizinstudium gehören Praktika. Ich war bei einem Hausarzt, der noch mit 84 Jahren in seiner Praxis praktiziert; ein Hausarzt aus Leidenschaft, der mich echt beeindruckt hat. Er steht für die Art Medizin, die ich machen will: Menschen aller Altersgruppen über Jahre begleiten, ihr Vertrauen gewinnen und sie auf Augenhöhe bestmöglich behandeln. Aber das war nur die eine Seite. Netterweise wurde ich bei meinen Praktika immer dann nach Hause geschickt, wenn die Ärzte ihre Verwaltungsarbeit erledigt haben. Irgendwann ist mir klar geworden, dass ich ein Teilzeitpraktikum mache, weil die halbe Zeit für Papierkram draufging.

Die innere Preisuhr läuft mit: Praxen unter wirtschaftlichem Druck

Was mich noch mehr stört, ist der wirtschaftliche Druck. Wir lernen im Studium, was die optimale Therapie für einen Menschen ist. In der Praxis geht es um die Therapie, die auch wirtschaftlich Sinn ergibt. Für jeden Patienten und bestimmte Behandlungen hat man feste Budgets. Das hat zur Folge, dass im Hinterkopf immer eine Art Preisuhr mitläuft: Was darf ich noch verschreiben oder machen, ohne am Ende selbst draufzuzahlen und damit die Wirtschaftlichkeit der eigenen Praxis, meine Existenz und Arbeitsplätze zu gefährden? Das macht einen doch unfrei.

Als selbstständiger Hausarzt geht mir zu viel Fokus weg vom Patienten auf Baustellen, die man im Zweifel nicht einmal selbst in der Hand hat. Der Fachkräftemangel ist auch so eine Baustelle. Ich habe Sorge, nicht ein so guter Arzt zu sein, wie ich potenziell sein könnte. Und auch mit Blick auf die Quantität: Wir haben zu wenig Ärzte und eine alte Bevölkerung - je weniger Zeit ich für Bürokratie benötige, desto mehr Patienten kann ich sehen. Das wäre ja auch nicht verkehrt. Eine Rolle spielt natürlich auch, dass man sich für den Kauf einer Praxis mit über 100.000 Euro verschulden muss.

Abgeben, was abzugeben ist – und so Zeit für die Medizin haben

Wie es besser laufen kann, habe ich in Berlin erlebt. Da habe ich in einer Praxisgemeinschaft ein Praktikum gemacht, die war so groß, dass sie eine Praxismanagerin anstellen konnte. Die hat den Ärzten die komplette Verwaltungsarbeit abgenommen. Die angestellten Ärztinnen und Ärzte waren 90 Prozent der Zeit bei ihren Patientinnen und Patienten. Da macht man, wofür man Medizin studiert hat.

Müsste ich mich heute entscheiden, ich würde lieber als angestellter Hausarzt arbeiten. Ich lerne aber gerade erst für mein zweites Staatsexamen. Mit allem fertig bin ich in fünf Jahren. Vielleicht ändert sich bis dahin ja noch was für Hausärzte. Die Hoffnung bleibt.“

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