Dortmund. In Dortmund wird die erste muslimische Kita eröffnet, doch der Träger ist mit einem Verein verstrickt, der Sorge bereitet. Alle Hintergründe.

Voraussichtlich zum Kindergartenjahr 2026/27 wird in Dortmund eine muslimische Kita eröffnen. 105 Betreuungsplätze soll es dort laut der Stadt Dortmund geben. Der Träger, der Verein Lalezar aus Mannheim, verfolgt ein besonderes Konzept. Allerdings gehört er zum in Deutschland umstrittenen Verein Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion), der von Experten stark kritisiert wird. Ditib gilt als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dessen Partei AKP.

Überwiegend vegetarische Ernährung, Tischgebete vor und nach dem Essen, Singen und gemeinsames Händewaschen: In der Kita erhalten die pädagogischen Fachkräfte die Möglichkeit, Erfahrungen mit islamischen Traditionen, Ritualen und Symbolen zu sammeln, zu praktizieren und diese weiterzugeben, erklärt die Stadt Dortmund. „Sie unterstützen die Kinder dabei, religiöse Erfahrungen im Islam zu machen und den muslimischen Glauben kennenzulernen und zu erleben.“

Stadt Dortmund: „Eine muslimische Kita ist bedarfsgerecht“

Einziehen soll die Kita in ein Gebäude an der Westhoffstraße, das früher vom türkischen Verein Tügem als Bildungseinrichtung genutzt wurde, derzeit aber wegen baulicher Mängel nicht bezogen werden darf. Die Nachfrage nach Plätzen dürfte hoch sein, geht es nach der Stadt Dortmund: Eine muslimische Kita sei „bedarfsgerecht“. Für eine Anmeldung ist es aber noch zu früh.

Vom Kitaträger Lalezar heißt es, dass die Kinder „im Namen Gottes“ vor dem Essen aufräumen und Dankbarkeit für das Essen zeigen, indem sie sich am Tisch nur leise unterhalten sollten. In der Kita soll Deutsch gesprochen werden, allerdings helfe es Kindern in der Eingewöhnung, mit Erzieherinnen und Erziehern in der Muttersprache zu reden. „Wir müssen die Kinder dort abholen, wo sie stehen“, sagt Lalezars Vorstandsmitglied Faruk Sahin. Er ist überzeugt: „Wenn man neben der deutschen Sprache auch noch weitere Sprachen mit hineinbringt, funktioniert die Integration schneller, weil das Kind sich von Anfang an verstanden fühlt.“

Dachverband Ditib „ist verlängerter Arm des türkischen Staates“

Damit keine Strukturen einer Parallelgesellschaft entstehen, führe man die Kinder selbstverständlich auch an deutsche Traditionen heran. Ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt dürfe etwa nicht fehlen, ergänzt er. Grundsätzlich könne jedes Kind die Kita besuchen, egal ob und welcher Religion es angehört. Sahin: „Es soll eine Kita entstehen, in der Muslime Verantwortung übernehmen, ähnlich wie es auch die katholische und evangelische Kirche tun.“

Bei Bildungsexperten in NRW stößt das Vorhaben auf Kritik. Der Düsseldorfer Bildungs- und Migrationsforscher Klaus Spenlen etwa beschreibt den Dachverband Ditib als „verlängerten Arm“ des türkischen Staates und dessen Präsidenten Erdogan. Ditib, betont Lalezars Vorstandsmann Sahin, übe jedoch auf die Kita keinen Einfluss aus. „Wir haben eigene Mitgliederstrukturen und unsere Vorstände werden von den Mitgliedern bestimmt.“

Ditib

  • Ditib ist die Abkürzung für Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion
  • Der Verein ist die größte sunnitisch-islamische Organisation bundesweit mit Sitz in Köln, die rund 900 Moscheegemeinden umfasst
  • Seit 2018 prüft der Verfassungsschutz, ob und wie er den Moscheeverband Ditib als Verdachts- und Beobachtungsobjekt ins Visier nehmen soll
  • Kritisiert wird der Verband unter anderem wegen der Verstrickung mit dem türkischen Staat und der regierenden AKP von Präsident Erdogan

Forscher Spenlen bezweifelt die Unabhängigkeit des Trägers zu seinem Dachverband: „Für mich steht es außer Frage, dass die Werte des Islams und deren religiöse Weltanschauung in das pädagogische Konzept miteinfließen werden. Das ist ja bei anderen Konfessionen auch der Fall.“ Es könne jedoch nicht integrationsfördernd sein, wenn Kinder in der Kita separiert werden und ihnen damit gezeigt werde, dass sie anders sind als der Rest ihrer Altersgruppe.

Prof. Ahmet Toprak, Erziehungswissenschaftler an der Fachhochschule Dortmund, zweifelt ebenfalls daran, dass der Dachverband keinen Einfluss auf den Kitaträger nehmen wird – auch wenn er den Wunsch verstehen kann, dass es eine muslimische Kita geben soll. Es gibt schließlich auch katholische und evangelische Einrichtungen. „Ich bin skeptisch, wenn der türkische Staat in Form von Ditib in die pädagogische Arbeit eingreift“, sagt Toprak. Denn man müsse davon ausgehen, dass der Verein Ditib eine Außenstelle Ankaras ist, auch wenn der Verein selbst das bestreite.

Muslimische Kita: Genau hinschauen, welche Werte vermittelt werden

Die AWO, die zu den größten Kita-Trägern in NRW gehört, sagt über die geplante muslimische Kita: Es spreche „grundsätzlich nichts dagegen, wenn eine religiös ausgerichtete Erziehung auch für muslimisch Gläubige bereits im frühen Kindesalter möglich ist“, sagt eine Sprecherin. Und für die Stadt Dortmund ist Lalezar ein „anerkannter Träger der freien Jugendhilfe“, wie sie auf Nachfrage mitteilt.

Genau hinschauen, welche Werte letztlich vermittelt werden - darauf komme es an, meint Erziehungswissenschaftler Toprak. Klar ist für ihn: Wenngleich die Kita in Dortmund für alle offen sein wird, werden wohl hauptsächlich muslimische Eltern ihre Kinder dort anmelden.

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