Essen. Günther Grotkamp war einer, der das Tempo liebte, wie einige Anekdoten belegen. Auch das verband ihn mit uns Journalisten.

Im alten Essener Verlagshaus stehen um 1990 zwei Jungredakteure wartend am Aufzug, leicht quietschend öffnet die Tür, einziger Passagier: Günther Grotkamp. In unseren überraschten Augen stand wohl so etwas wie: Können wir da jetzt einfach einsteigen? „Kommense rein, kommense rein, verlieren Sie keine Zeit!“, befiehlt der mächtige Geschäftsführer wie aus der Pistole geschossen. „Wo wollen Sie hin?“ Er drückt für uns auf die entsprechende Taste. Viel später war mal irgendwo zu lesen, dass ihm das gemächliche Tempo der Aufzugtüren immer schon auf die Nerven gegangen war. Da musste ich an diese kleine Episode denken.

Günther Grotkamp stand immer unter Strom

Viele ältere Mitarbeiter der damaligen WAZ-Gruppe haben ihn in seiner aktiven Zeit genau so erlebt, die engeren naturgemäß noch viel intensiver: Günther Grotkamp stand immer unter Strom, wollte etwas schaffen, aufbauen, weiterkommen. Er liebte es, schneller zu sein als andere, schnell Entscheidungen zu treffen, sobald er sie durchdacht hatte. Das hatte er mit den Journalisten gemein, deren Mentalität er meist mochte und die er in einer der erfreulicheren Betriebsversammlungen mal aufgeräumt als die „Stars“ im Hause bezeichnete – neben den Anzeigenleuten versteht sich, denn die verdienten schließlich das Geld.

Schnelligkeit ging indes bei ihm nicht auf Kosten der Gründlichkeit, betonen Weggefährten: „Ich kann mich an keinen Fall erinnern, bei dem er mit seiner Einschätzung falsch lag – auch wenn andere das oft erst viel später erkannten“, sagte einmal der frühere Chefredakteur der Westfalenpost, Bodo Zapp, dem Grotkamp in besonderer Weise verbunden war.

Breite Schultern für die Freiheit des Journalismus

Als Grotkamp mit seinem Mit-Geschäftsführer Erich Schumann 1987 nach Wien reiste, um dort über den Kauf der „Kronenzeitung“ und des „Kuriers“ zu verhandeln und die etwas behäbige Konkurrenz von Springer ausstechen wollte, erhöhte er den Druck mit dem schönen Satz: „Wir haben nur Hemden für zwei Tage dabei.“ Ob es dies war, was Eindruck machte, muss offen bleiben, der Deal jedenfalls wurde abgeschlossen. Und geriet trotz des Tempos beim Zustandekommen zu einem guten Investment.

Günther Grotkamp war als Geschäftsführer in erster Linie für das Verlegerische zuständig, die Chefredakteure für das Inhaltliche, und das bewachten sie notfalls energisch. Ab und zu aber ging eine Sache ganz nach oben. Als wir einen großen Bericht über den früher noch extrem verschwiegenen Essener Aldi-Konzern schrieben und dies – etwas frech, aber legitim – unter anderem mit einem Luftbild der Villa von Karl Albrecht illustrierten, wandte der Aldi-Mitgründer sich ohne Umwege empört an den ihm gut bekannten WAZ-Geschäftsführer. Grotkamp schaffte es, Albrecht zu beruhigen, wir hörten jedenfalls nichts mehr, und uns war klar, was wir nicht für selbstverständlich gehalten hatten: Auch dieser Mann der Zahlen macht für die Freiheit des Journalismus notfalls die Schultern breit.

Typischer Ruhrmensch alter Schule

Sicher, als typischer Ruhrmensch alter Schule war Günther Grotkamp als Chef und Verhandlungspartner nicht immer pflegeleicht, konnte es wohl auch nicht sein. „Zehn Prozent gehen immer“, pflegte er vor Verhandlungen mit Papierproduzenten zu sagen – zugunsten der WAZ natürlich. „Wir mussten hart arbeiten, aber wir konnten angstfrei leben in einem klaren, wenn auch manchmal ruppigen Wertesystem“, gab der frühere Vertriebschef Heinz Gaßdorf einmal zu Protokoll. Grotkamp konnte hart sein, aber blieb dabei fair: „Er hat niemals jemanden vor versammelter Mannschaft bloßgestellt“, betonte Klaus Schütz, früher Technischer Leiter der Mediengruppe. Fehler kamen unter vier Augen in aller Klarheit auf den Tisch, aber dann war es auch gut.

Grotkamps Sparsamkeit war legendär

Skurriles gibt es auch, vor allem Grotkamps Sparsamkeit war legendär: Die WAZ verdiente schon lange sehr viel gutes Geld, da musste Papier in Grotkamps Büro noch beidseitig beschrieben werden, berichtete seine langjährige Sekretärin Annemarie Tewes. In der Tiefgarage störte ihn das ständig brennende Licht, „Bewegungsmelder müssen rein!“, wies Grotkamp an. Als der Elektriker vorrechnete, dass dies dreimal soviel koste, zog er die Anweisung aber schnell zurück. Und wenn einer im Unternehmen für seinen Geschmack zu viel Geld ausgeben wollte, lautete die rhetorische Frage: „Wovon ist die WAZ groß geworden? Von jeder Mark, die sie nicht ausgegeben hat.“ Oder auch deftiger: „Die Hose darf nicht größer sein als der Hintern.“

„Siege wenn du kannst, verliere wenn es sein muss, aber kapituliere nie“ – dieser Satz habe Günter Grotkamp geleitet, erzählte FUNKE-Aufsichtsratsvorsitzende Julia Becker jüngst beim Jubiläum zu 75 Jahre WAZ in Essen. Vermächtnis eines Essener Jungen, der als Typ so kantig war wie die Region, die ihn prägte.