Essen. Ab wann sollten Eltern die Wahrheit über Weihnachtsmann und Christkind sagen? Und was, wenn andere verraten, dass es sie nicht gibt?

Viele Eltern haben ein großes Geheimnis. Es geht um die Sache mit dem Weihnachtsmann – oder auch dem Christkind. Je nachdem, wer in der Familie die Geschenke bringt. Im Kindergartenalter ist es meist noch leicht, die Illusion aufrechtzuerhalten. Aber je älter die Kinder werden, desto komplizierter wird es.

Plötzlich müssen Eltern jede Menge Antworten auf immer mehr entlarvende Fragen finden: Wie kommt der Weihnachtsmann ins Haus – wo wir doch gar keinen Kamin haben? Warum schreibt das Christkind Briefe mit Mamas Handschrift? Und wieso ziehen Rentiere den Schlitten des Weihnachtsmannes – die können doch gar nicht fliegen? Viele Eltern lassen sich dann kreative Antworten einfallen: Vielleicht stand die Tür einen Spalt offen? Bestimmt hat Mama nur aufgeschrieben, was das Christkind ihr gesagt hat! Und das mit den Rentieren? Na ja, im Zweifel lautet die Antwort einfach immer: Weihnachtsmagie. Die muss man nicht erklären können.

Was, wenn die Lehrerin sagt, dass es kein Christkind gibt?

Vor einer Sache fürchten sich viele Eltern allerdings so richtig: Was, wenn jemand dem Kind ganz direkt sagt, dass es Weihnachtsmann und Christkind in Wirklichkeit gar nicht gibt? Genau das hat Nadine Östermann letztes Jahr erlebt. Die 33-Jährige ist Mutter von drei Kindern. Ihr ältester Sohn ist sieben und geht in die zweite Klasse. Nadine Östermann erinnert sich: „Letztes Jahr hat eine Lehrerin in der Klasse ein Ausmalbild vom Nikolaus verteilt und den Kindern gesagt, dass es den Nikolaus wirklich gab, der Weihnachtsmann aber eine erfundene Figur sei.“ Obwohl sie selbst die Sache relativ entspannt sah, weiß sie noch gut, wie sehr sich andere Eltern aufregten. „Viele sind total ausgeflippt“, erzählt die 33-Jährige.

Wer sich in den sozialen Medien umschaut und dort Kommentare von Eltern zum Thema Weihnachtsmann und Christkind liest, kann sich gut vorstellen, was Nadine Östermann meint. „Vor Kurzem wollte der Opa meinem Sohn erklären, dass es kein Christkind gibt. Ich war wirklich wütend!“, schreibt eine Mutter. Und eine andere: „Bei meiner Tochter in der Klasse hat die Religionslehrerin allen Kindern gesagt, dass es keinen Weihnachtsmann und kein Christkind gibt. Das hat mich schon sehr geärgert!“

Weihnachtsmann und Christkind: Das sagt eine Kinderpsychologin

Offenbar sind nicht alle Eltern so entspannt wie Nadine Östermann. Als ihr Sohn nach der Unterrichtsstunde mit dem Nikolausbild zuhause ganz direkt fragte, ob es den Weihnachtsmann gibt, antwortete sie: „Solange du an ihn glaubst, gibt es ihn.“ Außerdem erklärte Nadine Östermann ihrem Sohn, dass Weihnachtsmann oder Christkind manchmal auch Hilfe von den Eltern bekommen.

Laut Kinderpsychologin Viktoria Vergara Ruiz vom Jugendpsychologischen Institut der Stadt Essen hat sie mit ihrer Antwort alles richtig gemacht. Die Expertin sagt: „Jüngeren Kindern kann man erklären, dass Eltern die Weihnachtswichtel oder die Helferlein vom Christkind sind.“ Und auch, wenn die Kinder so groß sind, dass sie selbst Zweifel am Weihnachtsmann äußern, müsse das nicht das Ende der Magie rund um das Fest bedeuten, so die Expertin: „Merken Eltern, dass die Zweifel bei ihren Kindern überwiegen, sollten sie offen mit ihnen darüber sprechen: Man kann zum Beispiel sagen: ,Du bist groß, das merke ich schon. Die schönen Rituale aber wollen wir beibehalten.‘ Man kann erklären, dass der Weihnachtsmann und Co. keine Personen sind, sondern vielmehr ein Sinnbild für die Idee des Weihnachtsfestes: etwas zu schenken, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.“

Viktoria Vergara Ruiz arbeitet als Kinderpsychologin beim Jugendpsychologischen Institut (JPI) der Stadt Essen.
Viktoria Vergara Ruiz arbeitet als Kinderpsychologin beim Jugendpsychologischen Institut (JPI) der Stadt Essen. © Zentrale | Privat

Wer diese Idee verinnerlicht hat, für den ist es vermutlich gar nicht so wichtig, ob sich die Identität von Weihnachtsmann und Christkind rational beweisen lassen. Der Meinung ist auch die 13-jährige Paula. Auf die Frage, wann sie erfahren hat, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt, antwortet sie: „Ich glaube, irgendwie wusste ich das immer. Ich finde es aber schön, an so etwas zu denken!“

Trotzdem: Viele Eltern wollen den Glauben ihrer Kinder an Weihnachtsmann und Christkind offenbar möglichst lange in seiner reinen Form erhalten und fürchten sich vor dem Moment, in dem ihre Kinder „die Wahrheit“ herausfinden. Aber wie lange kann man das überhaupt verhindern? Und bedeutet es, dass alle im Umfeld Rücksicht darauf nehmen und sich Mühe geben müssen, die Illusion aufrecht zu erhalten? Darüber kann man wohl geteilter Meinung sein.

Kennen Sie schon unsere Kinderzeitung?

  • In unserer Kinderzeitung CHECKY! gibt es jede Woche Nachrichten für Kinder zwischen sechs und 12 Jahren.
  • CHECKY! erscheint jeden Samstag und kommt mit der Post direkt nach Hause.
  • Hier gibt‘s alle Infos zur Kinderzeitung!

Und wenn man mit Kinderpsychologin Viktoria Vergara Ruiz spricht, können Eltern eigentlich auch ganz entspannt mit solchen Situationen umgehen. Die Expertin sagt: „Man kann beobachten, dass Kinder sich den Glauben an Weihnachtsmann & Co. gar nicht so leicht nehmen lassen!“ Oft hielten Kinder an ihren eigenen Vorstellungen fest, auch wenn sie durch Eintritt in die Schule oder als jüngeres Geschwisterkind längst entzaubert wurden. Außerdem, so die Expertin, würden Kinder im Kita- und Grundschullalltag ohnehin inmitten vieler verschiedener Kulturen groß und erlebten so, dass verschiedene Rituale und Brauchtümer nebeneinander existieren können.

Auch ältere Kinder freuen sich über Weihnachts-Rituale

Vielleicht ist also die Aufregung der Eltern beim Thema Weihnachtsmann größer als das Leid der Kinder? Nadine Östermann weiß jedenfalls schon genau, wie sie reagieren wird, wenn ihr ältester Sohn irgendwann nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubt – ihre beiden jüngeren Kinder aber schon. Angst, dass der Älteste den Kleinen die Magie zu Weihnachten nehmen könnte, hat sie überhaupt nicht. Stattdessen hat sie einen Plan: „Ich würde meinem Sohn sagen, dass ich es toll fände, wenn er es zuhause schafft, mit uns zu spielen und auf die Seite von Mama und Papa zu wechseln, für die kleinen Geschwister“, so die 33-Jährige.

Und wer der 13-jährigen Paula zuhört, der merkt, dass auch Teenager noch viel Spaß an den schönen Ritualen rund um das Fest haben. Paula erzählt: „Ich habe mit meiner Mutter immer noch die Tradition, dass ein Weihnachtself namens Nossi in der Weihnachtszeit in unserer Wand wohnt. Ich schreibe dann immer mit dem Elf. Natürlich weiß ich, dass das meine Mutter ist, aber es macht trotzdem Spaß und ich freue mich jedes Jahr darauf!“

Der Glaube an das Christkind macht uns stark

Laut Kinderpsychologin Viktoria Vergara Ruiz ist es genau das, worum es bei allen Weihnachtstraditionen in der Familie geht. Laut der Expertin vermitteln Kindern Rituale rund um Weihnachtsmann und Christkind Sicherheit und Geborgenheit. Und davon profitierten Kinder auch als Erwachsene noch, so die Expertin: „Die Erinnerung an die verzauberten Momente der Kindheit, kann auch noch im Erwachsenenalter durch schwere Zeiten tragen!“

Lesen Sie auch: