Berlin. Tampons, Tassen und Co. unterliegen europaweit keinen Kontrollen. Freie Bahn für Schadstoffe in Periodenprodukten? Eine Expertin klärt auf.
Nachhaltige Periodenprodukte erobern die sozialen Medien und revolutionieren den Menstruationsalltag. Junge Frauen präsentieren stolz innovative Periodenhöschen, Tassen, Scheiben und Schwämmchen. Diese öffentliche Diskussion bricht Tabus, deckt jedoch gleichzeitig gravierende Mängel im Gesundheitswesen auf: Trotz des intimen Kontakts mit der Vaginalschleimhaut unterliegen diese Produkte in Europa denselben laschen Bestimmungen wie Taschentücher.
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Behörden versäumen es, die gesundheitliche Unbedenklichkeit gründlich zu prüfen und ignorieren dabei die hohe Absorptionsfähigkeit des vaginalen Gewebes für Schadstoffe. Elisabeth Mertl, Expertin für Medizinprodukte und promovierte Biotechnologin am unabhängigen Prüf- und Forschungsinstitut OFI, entlarvte mit ihrem Forschungsteam im Projekt „LEIFS – let it flow safely“ diese oberflächlichen Sicherheitsstandards.
Schwermetalle in Tampons: Das passiert im Körper
Frau Mertl, wieso war es an der Zeit für eine Studie, die die Gesundheitsrisiken von Menstruationsprodukten bewertet?
Elisabeth Mertl: Ganz einfach, weil Menstruation im öffentlichen Diskurs ewig ein Tabuthema war. Die Werbung hat uns erzählt: Unsere Tampons und Binden sind sicher, also glauben es die Menschen auch. Doch was sie eigentlich meinen, ist, dass die Produkte sicher vor dem Auslaufen schützen. Tatsächlich umfasst Sicherheit aber auch potenzielle Gesundheitsrisiken. Da haben wir mit unserem Forschungsprojekt „LEIFS – let it flow safely“ nachgearbeitet. Voraussichtlich Ende 2026 wird es einen internationalen Standard geben, an dem wir auch mitarbeiten. Ein Standard selbst verpflichtet zwar noch niemanden. Jedoch hätte eine Drogeriekette wie dm auch keinen Nachteil, wenn sie ihre Zulieferer dazu auffordern, ihre Lieferketten und Materiallisten offenzulegen und ihre Produkte auf Sicherheit testen zu lassen.
„Je nachdem, wie etwa Biozide auf die Flora wirken, kann es zu Irritation, Juckreiz, Pusteln und allergischen Reaktionen kommen. “
Im Juli machte eine amerikanische Studie damit Schlagzeilen, dass Schwermetalle in Tampons gefunden wurden. Auch Periodenhöschen stehen häufig wegen der Verwendung von Bioziden, also chemischen Mitteln, in der Kritik. Was ist dran an den Vorwürfen?
Mertl: Von der Tampon-Studie habe ich natürlich auch gelesen und ein bisschen herumgerechnet. Die Forscher sind bei ihrer Untersuchung davon ausgegangen, dass der Tampon alles, was er an Schwermetallen in sich trägt, an die Vaginalschleimhäute abgibt. Das passiert so nicht, da kann ich entwarnen. Und die Dosis, die er abgibt, deutet nicht auf ein großes Gesundheitsrisiko hin.
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Aber wie gelangen Schwermetalle überhaupt in Tampons?
Mertl: Es gibt ganz grundsätzlich kein zu 100 Prozent reines Produkt. Irgendwo kommt es in der Verarbeitungskette immer automatisch zu Verunreinigungen, sei es etwa bei der Ernte von Baumwolle, in der Maschine oder bei der Verpackung. Was die Studie jedoch klar aufzeigt, ist: Die gefundenen Werte von Schwermetallen in Tampons variieren stark. Man muss aber nicht gleich panisch werden: Das Thema Sicherheit beschäftigt die Hersteller. Sie haben schon lange vor dem Skandal im Juli für sich hausinterne Qualitätskontrollen eingeführt. Das ist eine Stellschraube, die wir im LEIFS herausgearbeitet haben: Wir wollen Qualitätskontrollen normieren, transparent gestalten und somit vergleichbar machen.
Kauf von Periodenprodukten: Das sollten Frauen beachten
Sind Biozide in Periodenwäsche?
Mertl: Wenn Biozide in Periodenwäsche verwendet werden, dann sind das meist Silberionen, die antimikrobiell wirken sollen und verhindern, dass es riecht und Bakterien sich ungehindert vermehren. Ein Höschen hat etwa vier bis fünf Schichten, wovon dann eine mit Silberionen beschichtet ist. Bei unserer Untersuchung für das LEIFS Projekt haben wir jedoch festgestellt: Groß ist die Wirkung der Hygieneschicht nicht, es werden dadurch kaum weniger Bakterien. Dem gegenüber steht das dadurch gesteigerte Risiko von allergischen Reaktionen. Unser Fazit war, dass der Nutzen das Risiko nicht rechtfertigt.
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Und wie gefährlich sind diese Biozide für Menschen?
Mertl: Das hängt von der eigenen Haut ab. Die Schleimhäute im Vaginalbereich sind sehr aufnahmefähig. Je nachdem, wie etwa Biozide auf die Flora wirken, kann es zu Irritation, Juckreiz, Pusteln und allergischen Reaktionen kommen. Das ist wenig umstritten. Doch die Dosis macht das Gift.
Wie gut schneiden dagegen Tasse, Scheibe und Schwämmchen ab?
Mertl: Bei Tassen und Scheiben kann das Problem von schlecht verarbeitetem Kunststoff auftreten. Nach unseren Tests kann ich zumindest sagen: Mit dem monatlichen Abkochen verändern sich die Produkte nicht ins Negative. Allerdings haben wir nur ein Jahr Verwendung simuliert. Die Natur-Schwämmchen sind schwieriger zu bewerten, sie sind alle verschieden. Alle maschinell gefertigten haben jedoch stabilere Ergebnisse als die natürlich gewachsenen.
Welche Tipps haben Sie für den Kauf von Periodenprodukten?
Mertl: Leider stehen die genaue Rezeptur und Materialangaben aktuell nicht auf der Verpackung, denn es gibt noch keine Regulierungen. Man kann also nur nach Signalwörtern Ausschau halten wie „geruchshemmend“, „Frischeschutz“ oder „antimikrobiell“. Das Bio-Siegel ist kein Indikator, ebenso wenig wie der Preis. Eine andere Möglichkeit ist es, die Hersteller zu kontaktieren. Die meisten antworten auch, denn die alternativen Marken sind klein und haben ein größeres Interesse daran, ihren Kundinnen entgegenzukommen. Mein genereller Tipp: Den eigenen Körper beobachten und schauen, worauf er gut reagiert. Das kann ein guter Hinweis sein. Dann weiß ich – von der Marke lass‘ ich in Zukunft die Finger.
Das sollten Sie vor und nach dem Kauf beachten
- Unbedingt Marken meiden, die Juckreiz, Pusteln, Hautirritation oder Ähnliches auslösen
- Das Bio-Siegel ist kein Indikator für schadstofffreie Produkte, ebenso wenig wie der Preis
- Marken gezielt anschreiben und nach einer Materialauflistung fragen
- Bei Periodenhöschen: Signalwörter wie „geruchshemmend“, „Frischeschutz“ oder „antimikrobiell“ meiden
- Tassen und Scheiben: Immer gut abkochen, Schwämmchen besser maschinell gefertigt kaufen
Grundsätzlich gilt: Der eigene Körper ist der beste Kompass!