Berlin. Die Menstruation rückt aus der Tabuzone, Diskretion ist nicht mehr alles. Der Markt ist bereit für besonders nachhaltige Produkte.

Tampons oder Binden: Vor dieser Entscheidung standen in den vergangenen Jahrzehnten Frauen beim Kauf ihrer Periodenprodukte. Eher verschämt wurden die Packungen auf das Kassenband gelegt. Das hat sich grundlegend geändert. Inzwischen gehören auch Menstruationstassen, Periodenunterwäsche und Bio-Tampons in die Regale der Drogeriemärkte. Traditionelle Binden und Tampons bleiben immer öfter liegen, der Wandel auf dem Periodenmarkt ist in vollem Gange. Und damit auch die Debatte um Nachhaltigkeit, Sichtbarkeit und Gleichberechtigung.

Die Menstruation kommt raus aus der Tabuzone – und das nutzen die Hersteller von Hygieneprodukten aus. Der globale Markt für Periodenprodukte wachse jährlich durchschnittlich um 5,7 Prozent, so das amerikanische Marktforschungsunternehmen „Market Research Future“. Bis 2030 werde ein Umsatz von 58,8 Milliarden US-Dollar erreicht. Wachstumstreiber seien höhere Einkommen in Schwellenländern sowie die zunehmende Gesundheits- und Hygieneaufklärung.

„Zuerst hat die Menstruationstasse den Weg in den Mainstream gefunden“

Tatsächlich sei Aufklärung der Knackpunkt, sagt Bettina Steinbrugger, Gründerin des österreichischen Unternehmens „erdbeerwoche“, das Menstruationstassen, Stoffbinden, Periodenunterwäsche oder Bio-Tampons in einem Online-Shop anbietet. Außerdem setzt sich die Firma für einen positiven Umgang mit Periode ein. Die Gesellschaft müsse offen über Menstruation und Menstruationsprodukte sprechen, „damit wir uns die Fragen nach Inhaltsstoffen und Nachhaltigkeit stellen“, sagt die Unternehmerin.

Periodenunterwäsche
Periodenslips erobern zunehmend den Markt und sollen Herstellern zufolge eine umweltfreundliche Alternative zu Wegwerfprodukten sein. © picture alliance/dpa | Annette Riedl

Steinbrugger hat den Markt genau beobachtet. „In den letzten zehn Jahren haben wir deutlich gemerkt, dass sich das Konsumverhalten geändert hat. Zuerst hat die Menstruationstasse den Weg in den Mainstream gefunden und seither steigen immer mehr Frauen auf nachhaltige Produkte um“, sagt die Gründerin und verweist auf eine Umfrage aus dem Jahr 2020 von „erdbeerwoche“ in Zusammenarbeit mit der „Studo-App“. Das Ergebnis: Ein Großteil der 2.165 befragten Frauen nutzt zwar noch Einwegprodukte. Doch 25 Prozent trugen bereits die Menstruationstasse, 17 Prozent Periodenunterwäsche.

Drei Jahre später im Jahr 2023 erzielte Periodenunterwäsche in Deutschland laut einer Pressemitteilung der Tampon-Marke o.b. bereits ein Umsatzwachstum von mehr als 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gibt man heute auf Instagram oder TikTok das Suchwort „Periodenwäsche“ ein, sieht man im Feed Hunderte junge Frauen, die in Videos Menstruationsslips bewerben. Menstruationstassen gehören in Drogeriemärkten inzwischen zum festen Sortiment.

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Ob Jessa, Always oder o.b.: Hersteller setzen auf Nachhaltigkeit

Umweltfreundliche Herstellung, nachwachsende Rohstoffe: Das sei den Kunden eben immer wichtiger, beobachtet Miriam Hopprich, Bereichsverantwortliche im Produktmanagement für Gesundheit und Ernährung bei der Drogeriemarktkette dm. „Gleichzeitig können wir einen Rückgang bei der Nachfrage im Bereich klassischer Tampons erkennen.“

Beim Konkurrenten Rossmann sei man „stets und ständig dabei“, die Produkte der Eigenmarke „facelle“ zu optimieren. Menstruationstassen und -unterwäsche gebe es schon sehr lange im Sortiment. Bei Binden und Tampons, den klassischen Einwegprodukten, würden Inhaltsstoffe und Verpackung auf Nachhaltigkeit überprüft. Auch Procter & Gamble („Always“) arbeitet an mehr Umweltverträglichkeit. Bis alle Verpackungen aber recyclebar sind, werde es noch bis 2030 dauern, teilt das Unternehmen mit.

Bei Johnson & Johnson hat man ebenfalls das Potenzial von alternativen Periodenprodukten erkannt. Das Unternehmen, das seinen Tampon-Klassiker „o.b“ („ohne Binde“) nennt, will das Geschäft mit den Periodenslips nicht den Bio-Marken überlassen und bietet ab Juni dieses Jahres Menstruationsunterwäsche an. „Damit launcht der Marktführer für Tampons erstmals ein Menstruationsprodukt außerhalb der Tampon-Kategorie“, heißt es aus dem Pressebüro.

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„Mittlerweile merken die großen Hersteller, dass sie so nicht weitermachen können, weil eine immer größere nachhaltige Konkurrenz heranwächst“, sagt Gründerin Bettina Steinbrugger. Sie wirft den großen Marken in puncto Nachhaltigkeit und Innovation vor, in den vergangenen Jahren in einem „Dornröschenschlaf“ gewesen zu sein.

Treiber für den Marktwandel seien eben Frauen wie sie, die aufklären und wissen, worauf es bei Periodenprodukten ankommt. Doch die Start-up-Welt ist eine Männerwelt. Nur zwei Prozent des Kapitals, das in neue Unternehmen investiert wird, ging im vergangenen Jahr an Gründerinnen. Das belegt eine aktuelle Auswertung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY.  

Da die Branchenriesen inzwischen selbst auf alternative Produkte setzen, können Frauen trotzdem davon ausgehen, dass sie künftig eine noch größere Auswahl an Periodenprodukten haben. Doch sind sie auch immer sicher und schadstoffarm? Bei Stiftung Warentest sind die Zweifel groß. Nicole Merbach, Ressortleiterin Ernährung, Kosmetik, Gesundheit, verweist auf einen Test des Schweizer Gesundheitsmagazins „Gesundheitstipps“, eine Partnerorganisation von Stiftung Warentest.

Dabei wurden elf waschbare Periodenslips getestet, von denen jeder zweite schadstoffbelastet war. „In den Slips wird oft Silberchlorid eingearbeitet, ein Biozid, das das Wachsen von Bakterien und Keimen hemmt und für Menschen potenziell schädlich sein könnte“, so Merbach. Was zeigt: Der Markt ist zwar in Bewegung. Doch mit neuen Produkten kommen auch neue Schwierigkeiten.

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