Berlin. Demenz ist für Betroffene und Angehörige ein Schock und nur schwer zu akzeptieren. Wer gegensteuert, kann die Erkrankung hinauszögern.

In Deutschland erkranken jährlich rund 450.000 Menschen an Demenz. Obwohl die Erkrankung wegen der Vielzahl von Betroffenen vergleichsweise gut erforscht ist, gibt es bisher keine Heilungsmöglichkeit. Die gute Nachricht: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um der Krankheit bestmöglich vorzubeugen.

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Die Lancet-Kommission, ein internationales Team von Demenz-Forschern, hat jetzt in einem breit angelegten Report die größten Risikofaktoren für eine Erkrankung ermittelt. Die gute Nachricht: Wer diese Faktoren vermeidet, kann sein Demenz-Risiko deutlich senken und sorgenfrei(-er) aufs Alter blicken.

Für den Report wurden verschiedene internationale Studien ausgewertet und so die möglichen Risikofaktoren herauskristallisiert, die ständig um weitere ergänzt werden:

  • Wenig Sozialkontakte: Der Umgang mit anderen Menschen trainiert das Gehirn aktiv und zwingt den Betroffenen, sich an andere Bedürfnisse anzupassen. Fällt das weg, steigt das Demenz-Risiko.
  • Luftverschmutzung: Feinstaub und Stickoxide belasten das Gehirn und können die Ablagerung von Demenz auslösenden Eiweiß-Ketten begünstigen.
  • Bluthochdruck: Die sogenannte Hypertonie lässt unser Gehirn schneller altern, da die Gefäße stark belastet werden. Zudem könnte Bluthochdruck Studien zufolge auch das Gehirnvolumen verringern.
  • Höreinschränkungen: Hier spielt der Aspekt der Sozialkontakte hinein. Wer schlecht hört, kapselt sich von Gesprächen und Mitmenschen ungewollt ab und trainiert sein Gehirn so weniger. Wer schlecht hört, versucht das außerdem durch stärkere Konzentration auszugleichen. Das Gehirn ist so dauerbelastet und vernachlässigt andere Bereiche.
  • Bildung: Wer besser gebildet ist, hat in der Regel höhere mentale Kapazitäten, was sich auch positiv auf das Demenzrisiko auswirken kann.
  • Übergewicht: Übergewicht begünstigt so gut wie jede Krankheit – und somit auch Demenz. Grund dafür ist vermutlich der stärker belastete Stoffwechsel.
  • Rauchen: Durch das Nikotin und andere in Tabak enthaltene Wirkstoffe können Gefäßerkrankungen ausgelöst werden, die sich negativ auf das Gehirn und mögliche Demenzerkrankungen auswirken.
  • Depression: Noch ist nicht eindeutig geklärt, ob eine Depression als Begleiterkrankung der Demenz auftritt oder auslösend wirken kann. Häufig zeichnen sich bei beiden Erkrankungen ähnliche Symptome wie Niedergeschlagenheit ab.
  • Diabetes: Durch die „Zuckerkrankheit“ werden oft die Nieren und das Herz-Kreislauf-System geschädigt. Auch Blutgefäße im Gehirn könnten dadurch beeinträchtigt werden.
  • Zu wenig Bewegung: Wer Sport treibt oder auch nur regelmäßig spazieren geht, befeuert den Kreislauf und die Durchblutung und könnte so problematische Ablagerungen im Gehirn verhindern. Aspekte, die im Kampf gegen Demenz wichtig sind.
  • Hirnverletzungen: Auch wenn es in Bezug auf Demenz überraschend klingt: Das Gehirn vergisst nicht, zumindest keine schweren Verletzungen wie ein Schädelhirntrauma. Durch die Verletzung wird die Ablagerung von Amyloid-Verbindungen gefördert, was dann wiederum die Demenz-Erkrankung auslösen kann.
  • Alkoholkonsum: Alkohol verschlechtert die Hirnleistung und zerstört Hirnzellen.

Die obrige Liste wurde jetzt um zwei Punkte erweitert:

  • Erhöhter LDL-Cholesterinspiegel (Low Density Lipoprotein): „Der erhöhte LDL-Cholesterinwert, wurde von der WHO schon 2019 in ihrem Report aufgelistet. Dies ist also kein ‚neuer‘ Risikofaktor“, sagt Prof. Dr. Stefan Teipel, Leiter der Forschungsgruppe Klinische Demenzforschung am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE), gegenüber dem Science Media Center (SMC).
  • Sehverlust: Auch hier ist der genaue Einfluss auf die Demenz noch nicht final geklärt. Eine mögliche Ursache ist der Stimulationsverlust.
Demenz ist für die Betroffenen und die Angehörigen nur schwer zu akzeptieren.
Demenz ist für die Betroffenen und die Angehörigen nur schwer zu akzeptieren. © iStock | Alican Lazutti

Report: Demenzrisiko lässt sich um 45 Prozent senken

Würde man alle dieser Risikofaktoren aus seinem gewohnten Lebensstil verbannen, könnte man den Experten zufolge das Risiko einer Demenzerkrankung um bis zu 45 Prozent senken. Prof. Teipel zufolge ist diese Zahl aber mit Vorsicht zu genießen: „Wenn man mehrere Risikofaktoren beeinflusst, gibt es jedoch synergistische Effekte. Man kann deswegen nicht einfach die Effekte der Risikoreduktion aufsummieren. Ich denke, die 45 Prozent liegen im oberen Randbereich dessen, was man erwarten kann, und die Wirklichkeit liegt deutlich darunter.“

Prävention muss gestärkt werden

Derzeit wird die Prävention von Demenz in Deutschland noch etwas stiefmütterlich behandelt. Den Experten zufolge soll sich das aber ändern: „Präventionsprogramme, die jetzt schon im Hinblick auf kardiovaskuläre Erkrankungen bestehen, kann man auch noch in Hinblick auf Demenz stärken. Was gut ist für die Herzgesundheit, ist auch für die Hirngesundheit gut. Es lohnt sich also doppelt, in Prävention zu investieren“, sagt Prof. Teipel.

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Ähnlicher Meinung ist auch Prof. Dr. Frank Jessen, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uniklinik Köln. Er sagt gegenüber dem SMC: „Es muss allgemein bekannter werden, dass auch das Gehirn durch ein gesundes Leben geschützt werden kann, nicht nur das Herz. Hirnprävention sollte in alle Präventionsprogramme aufgenommen und kommuniziert werden. Gesundheitspolitisch sollte Prävention insgesamt über Kampagnen und Angebote, aber auch über Krankenkassenleistungen gestärkt werden.“

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Welche Faktoren könnten noch eine Rolle spielen?

Neben den bereits genannten 14 Faktoren könnten in Zukunft auch noch weitere folgen. „Es gibt erste Hinweise darauf, dass dauerhafte Schlafstörungen über viele Jahre das Demenzrisiko erhöhen könnten und ein mediterraner Ernährungsstil wahrscheinlich im Vergleich zu einem westlichen Ernährungsstil protektiv in Bezug auf Demenz ist. Aktuell reicht aber die Datenlage noch nicht dafür aus, dass diese Faktoren in die Arbeit aufgenommen wurden“, so Prof. Jessen.