Berlin. Anzeichen für Demenz-Erkrankungen gibt es viele. Oft treten die erst spät auf. Eines scheint Patienten aber schon früh zu plagen.

Wenn wir die Augen schließen, dann kommen sie zu uns ins Bett gekrochen: Träume. Warum das so ist, weiß die Wissenschaft nach wie vor nicht. Theorien gibt es viele, von der Einübung von Überlebensstrategien über kreative Problemlösung bis hin zur schlichten „Abfallentsorgung“ des Gehirns, also der nächtlichen Verarbeitung tagsüber aufgenommener Informationen.

Unsere Träumereien werden mythisch aufgeladen, von Experten gedeutet und bringen uns auf revolutionäre Ideen – jagen uns aber auch Angst und Schrecken ein und können dann zu einer regelrechten Qual werden. Bis zu zehn Prozent der Erwachsenen leiden unter wiederkehrenden Albträumen, bei traumatisierten oder anderweitig kranken Menschen ist die Zahl noch höher.

Alzheimer: Albträume könnten Anzeichen für spätere Demenz-Erkrankung sein

Häufige Albträume können indessen nicht nur ein Grund sein, sich psychotherapeutische Hilfe zu suchen – sondern auch Anzeichen für ein erhöhtes Risiko einer späteren Demenz. 2022 stellte eine Studie in der Fachzeitschrift „eClinicalMedicine“ diese Theorie auf. Die Arbeit des Neurologen Abidemi Otaiku zeigte, dass ein Zusammenhang bestehen könnte zwischen wiederkehrenden Albträumen im mittleren und hohen Alter und dem Risiko, eine Demenzerkrankung zu erleiden.

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Dafür wertete das Team der Universität Birmingham drei große US-Studien aus, für die insgesamt 605 Menschen befragt worden sind, im Schnitt über neun Jahre lang, unter anderem zu ihren Träumen. Lesen Sie dazu auch: Dieses Sprechmerkmal ist ein frühes Anzeichen von Alzheimer

Es zeigte sich: Bei mittelalten Studienteilnehmenden, die jede Woche von Albträumen heimgesucht wurden, war die Wahrscheinlichkeit, kognitiven Verfall – ein Vorläufer von Demenz – zu erleben, um das Vierfache erhöht. Ältere Teilnehmende hatten eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, eine Demenz diagnostiziert zu bekommen.

Demenz & Alzheimer: Besonders Männer sollten aufpassen

Besonders stark war der Zusammenhang bei älteren Männern ausgeprägt. Studienautor Otaiku schrieb nach der Veröffentlichung in einem Gastbeitrag beim Wissenschaftsmagazin „The Conversation“, seine Ergebnisse deuteten darauf hin, „dass häufige Albträume eines der frühesten Anzeichen für Demenz sein könnten“, und dass dieses sogar Jahrzehnte vor dem Ausbruch der Krankheit aufträte – „besonders bei Männern“. Otaiku wollte auch nicht ausschließen, dass Albträume die Ursache für eine Demenzerkrankung sein könnten.

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Der Brite ist mit seiner Theorie nicht allein. Mehrere Studien legten in der Vergangenheit zumindest einen Zusammenhang zwischen schlechtem oder wenig Schlaf und einem erhöhten Risiko für Demenzerkrankungen nahe. 2021 etwa stellte eine Untersuchung unter 10.000 Menschen fest, dass weniger als sechs Stunden Schlaf pro Nacht ein bis zu 30 Prozent höheres Demenzrisiko mitbringen kann.

Auch ein Zusammenhang zwischen schlechtem Schlaf und einer gesteigerten Produktion des mit Alzheimer in Verbindung stehenden Proteins Beta-Amyloid ist wissenschaftlich untersucht.

Formen von Demenzerkrankungen

Alzheimer-KrankheitDie Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form von Demenz und betrifft vor allem ältere Menschen. Sie tritt allmählich auf und beeinträchtigt Gedächtnis, Denken und Verhalten.
Vaskuläre DemenzDie vaskuläre Demenz entsteht durch eine Schädigung der Blutgefäße im Gehirn, beispielsweise durch Schlaganfälle oder Durchblutungsstörungen. Die Symptome können je nach betroffenem Bereich des Gehirns variieren.
Lewy-Körper-DemenzBei der Lewy-Körper-Demenz sammeln sich sogenannte Lewy-Körper im Gehirn an, die zu Störungen in der Informationsverarbeitung führen. Die Symptome ähneln oft denen der Parkinson-Krankheit.
Frontotemporale DemenzDie frontotemporale Demenz betrifft vor allem die Bereiche des Gehirns, die für Verhalten, Persönlichkeit und Sprache zuständig sind. Die Symptome können je nach betroffenem Bereich sehr unterschiedlich sein.
Gemischte DemenzBei der gemischten Demenz treten mehrere Formen von Demenz gleichzeitig auf, beispielsweise Alzheimer-Krankheit und vaskuläre Demenz.

Häufige Albträume: Neurologe gibt dringende Empfehlung

Daneben hat Otaiku weitere Untersuchungen zu möglichen Zusammenhängen zwischen kognitivem Verfall und Albträumen unternommen. Eine ebenfalls im „eClinicalMedicine“-Journal veröffentlichte Arbeit von 2023 legte nahe, dass wiederkehrende Albträume schon bei Kindern ein Anzeichen für spätere Erkrankungen wie Demenz sein könnten, wies aber darauf hin, dass mehr Forschung notwendig sei.

Unklar war unter anderem, ob die Behandlung von Albträumen in einem frühen Lebensabschnitt das Demenzrisiko überhaupt senken kann.

Zuletzt stellte Otaiku seine Albtraum-Studie beim Kongress der Europäischen Akademie für Neurologie in Helsinki vor. Dort legte er sich fest: „Beunruhigende Träume im mittleren Alter sagen den kognitiven Verfall und Demenz im höheren Alter voraus“, zitiert das Ärzteblatt den Forscher. Albträume stünden in engem Zusammenhang mit vielen Gehirnerkrankungen, er sei „der festen Überzeugung, dass Ärzte häufiger nach Albträumen fragen sollten“.

Menschen, die häufig mit Albträumen zu tun haben, riet der Neurologe: „Lassen Sie Ihre Albträume nicht unbehandelt und sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt darüber.“