Berlin. Nach vielen Jahrzehnten ohne Kontakt versucht eine Münchener Familie sich wieder anzunähern. Wie der Vermisste darauf reagierte.
40 Jahre hatte die Münchnerin Angelika Wagner*, 75, keinen Kontakt zu ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder. Jetzt versucht sie, ihm wieder näherzukommen. Das ist ihre Geschichte:
Vor 40 Jahren hat mein Bruder den Kontakt zur Familie abgebrochen. Der Grund dafür war das dominante Verhalten meiner Mutter. Ich konnte verstehen, dass er so einen radikalen Bruch vollzogen hat, und denke bis heute, es wäre leichter gewesen, wenn ich es ihm gleichgetan hätte. Ich fand es immer schlimm, dass er auch mit mir keinen Kontakt mehr haben wollte. Unser Verhältnis war gut, mit Anfang 20 haben wir sogar eine Weile zusammengewohnt.
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Mit meiner Schwester war es dagegen schwierig. Sie war die Jüngste und hat das Verhalten der Mutter, anders als mein Bruder und ich, immer hingenommen. Bis heute will sie nicht mit mir über die Familie sprechen. Wir haben keinen Kontakt, obwohl sie auch in München lebt. Ich finde das ganz schrecklich. Es ist so wichtig, dass man Dinge klärt und Frieden gemacht hat, bevor man die Welt verlässt. Unseren Bruder habe sie, wie sie sagt, abgehakt. Das konnte ich nicht.
All die Jahre habe ich an ihn gedacht und immer wieder im Internet nach ihm gesucht. Ich wollte, dass wir alle uns versöhnen, solange die Mutter noch lebte. Vor vier Jahren, kurz vor dem Tod der Mutter, hat meine Schwester wegen des Erbes zweimal erfolglos übers Einwohnermeldeamt versucht, ihn ausfindig zu machen. Diesen Februar habe ich dann durch Zufall im Fernsehen eine Folge mit der „Aufspürerin“ Susanne Panter gesehen.
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„Mein Bruder hatte all die Jahre mit der Familie abgeschlossen“
Sofort habe ich ihre Webseite gesucht und ihr eine E-Mail geschickt. Nach einem persönlichen Treffen hat sie mit der Suche nach meinem Bruder begonnen, und nach zwei Monaten, im Mai, kam der Anruf: Sie hat ihn! Er hat dann tatsächlich auf mein erstes Anschreiben geantwortet. Seit ein paar Wochen haben wir per E-Mail Kontakt. Frau Panter meinte, ich könne ihn doch anrufen, aber das geht nicht.
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Mein Bruder hatte all die Jahre mit der Familie abgeschlossen, das habe ich aus seinem ersten Brief rauslesen können. Deswegen gehen wir es langsam an – für mich selber und auch für ihn. Es ist eine vorsichtige Anbahnung. Kürzlich hat mein Bruder mir ein Foto von sich geschickt, das ist für mich ein Zeichen, dass er langsam Zutrauen fasst. Ich bin so froh, dass ich vielleicht wenigstens einen aus der Familie wieder zurückgewinnen kann. Und hoffe, dass wir uns noch dieses Jahr treffen – nach 40 Jahren!
*Name von der Redaktion geändert
Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift „Donna“, die wie diese Redaktion zur FUNKE Mediengruppe gehört.