Berlin. Erstmals haben sich Rinder in den USA mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert. Auch Menschen haben sich angesteckt. Experten sind besorgt.
- In den USA wurde das Vogelgrippevirus erstmals bei Rindern nachgewiesen
- Zudem gibt es bestätigte Fälle von Ansteckungen beim Menschen
- Bestandteile des Virus wurden sogar in Milch aus dem Supermarkt gefunden
Das Vogelgrippevirus H5N1 ist hoch ansteckend. 1996 wurde es erstmals in China entdeckt. Seitdem hat es mehrere Ausbrüche in Geflügelbeständen, bei Wildvögeln, bei anderen Tierarten wie Katzen, Füchsen oder Seelöwen sowie vereinzelt auch Infektionen beim Menschen verursacht. Mehrere Stämme des Erregers sind mittlerweile in fast allen Teilen der Welt zu finden.
In den USA ist das Virus laut Behördenangaben Ende März erstmals auch bei Rindern nachgewiesen worden. Mehr als 30 Herden in acht Bundesstaaten seien betroffen. Darüber hinaus gibt es dort auch bestätigte Fälle von Ansteckungen beim Menschen. Wie gefährlich ist die Entwicklung? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Vogelgrippe bei Rindern: Wie ist die Situation in den USA?
Das US-Agrarministerium hat das Virus auf Rinderfarmen nachgewiesen. Bestandteile des Virus sind ebenso in Milch aus Supermärkten gefunden worden. In etwa jeder fünften Probe entdeckte die US-Gesundheitsbehörde FDA Reste von H5N1. Beim Trinken dieser Milch bestehe keine Gefahr für den Menschen, solange diese pasteurisiert, also erhitzt worden sei, heißt es.
Ein Anstieg von Grippefällen beim Menschen ist laut FDA bisher nicht erkennbar gewesen. Allerdings gab es bis Ende Mai zwei bestätigte Fälle einer Infektion beim Menschen. Die Betroffenen sollen direkten Kontakt zu infizierten Rindern gehabt haben. Sie hatten den Behörden zufolge leichte Symptome. „Eine weitere Ausbreitung zwischen Menschen konnte bisher nicht nachgewiesen werden“, sagte Prof. Martin Schwemmle vom Institut für Virologie am Uniklinikum Freiburg gegenüber dem Science Media Center Deutschland (SMC).
H5N1: Wie beurteilen Experten die Ansteckung von Rindern?
Die Fachwelt ist besorgt. Bisher gab es H5N1-Infektionen bei Katzen, Füchsen, Nerzen, Mardern oder auch Robben und Seelöwen, nicht aber bei Rindern. „Mich überrascht es sehr, dass Kühe nun infiziert sind“, sagte Prof. Martin Beer, Leiter der Virusdiagnostik beim Friedrich Loeffler-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, dem SMC.
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Die Rinderfarmen in den USA liegen Beer zufolge in Gebieten, in denen sich Wildvögel mit H5N1 infiziert hätten. Hier sei ein entsprechender Kontakt wahrscheinlich. „Bei Milchkühen ist der Schlüssel der Infektion offenbar das Euter“, so Beer weiter. Im Eutergewebe komme es zu einer starken Virusvermehrung – „und damit können auch größere Virusmengen in die Milch gelangen“. Die Verbreitung erfolge dann vermutlich über den Melkvorgang. Noch aber gebe es viele offene Fragen.
Was folgt daraus für die Gefahr einer Infektion bei Menschen?
„Wir können nur hoffen, dass das Virus in der Kuh auf das Euter beschränkt bleibt, denn dieser Replikationsort ist zwar erstaunlich, aber die davon abhängige Übertragung ist unter Umständen leichter zu unterbinden“, sagt Beer. Eine Übertragung über die Atemwege wäre dagegen sehr problematisch. Bisher sei das nicht auszuschließen.
Beer zufolge müsse das Virus für eine Übertragung auf den Menschen einige Hürden überwinden, „weil wir zum Beispiel eine wirksame angeborene Immunität gegen solche Influenzaviren besitzen.“ Aber: „Jeder neue Säugetierwirt kann das Virus dem Menschen ein Stück näherbringen“, so der Virologe.
„Eine weitere Ausbreitung des Virus in Form einer Epidemie oder gar Pandemie ist eher unwahrscheinlich“, sagt Martin Schwemmle. Auch in Asien sei es bisher nur in sehr wenigen Fällen zu einer Übertragung des H5N1-Vogelgrippevirus von Mensch zu Mensch gekommen. Seit 2012 aber sei nachgewiesen, dass ein Oberflächenprotein des H5N1-Virus durchaus weitere Mutationen erwerben könnte, um eine menschliche Zelle erfolgreich zu infizieren und von Mensch zu Mensch übertragbar zu werden.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat eigenen Angaben zufolge seit 2003 mehr als 870 Infektionen des Menschen durch H5N1-Viren dokumentiert. „Dabei entstand eine Übertragung des Virus fast immer nach engem Kontakt mit hoch belasteten Tieren oder Stäuben, und das Virus wurde anders als bei der saisonalen Influenza nicht an andere Menschen weitergegeben“, sagt Thorsten Wolff, Leiter des Fachgebiets Influenzaviren beim Robert-Koch-Institut.
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Wie ist die Lage in Deutschland?
Der bei den Rindern in den USA analysierte Virusstamm ist Beer zufolge eine Mischung aus einem durch Wildvögel von Europa nach Amerika eingetragenen Stamm mit Genombestandteilen von Influenzaviren bei US-Wildvögeln. „Diese USA-Mischung des H5N1 gibt es hierzulande derzeit nicht“, so Beer. Das Friedrich-Loeffler-Institut beobachte die Situation aber sehr genau. „Die Behörden wissen, dass bei etwaigen unerklärlichen Krankheitsbildern in Kuhbeständen, die mit Milchrückgang einhergehen, auch an H5N1 gedacht werden muss und unter Umständen entsprechend getestet wird.“
Welche weiteren Gefahren gehen von H5N1 aus?
„Unabhängig von der Gefahr für den Menschen ist durch die Vogelgrippe die globale Tierwelt zunehmend betroffen“, so Beer. Tiere wie Nerze oder Seelöwen seien sehr empfänglich für Influenza-A-Viren. Die Tiere erkrankten oft schwer, ein Großteil sterbe. Australien sei der letzte Kontinent ohne Befall mit hoch ansteckenden Vogelgrippeviren.