Düsseldorf. Eine Bekannte des Ministers bekommt ein hohes NRW-Richteramt, ihre Konkurrenten ein frühes “Feedback“ - neue Wende im Fall Limbach.
In der Affäre um die geplante Besetzung eines der höchsten Richterposten in Nordrhein-Westfalen mit einer alten Bekannten und Bonner Referendariatskollegin seiner Ehefrau hat Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) den umstrittenen Umgang mit zwei weiteren Bewerbern verteidigt.
„Das Verfahren ist in jeder Hinsicht fair und ordnungsgemäß gelaufen“, versicherte Limbach am Dienstag in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses im Landtag. Dass er den Konkurrenten seiner Favoritin auf das Präsidentenamt beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Einzelgesprächen frühzeitig geraten hatte, ihre Bewerbung zu überdenken, will er nicht als politische Einflussnahme gewertet wissen.
„Es wäre unfair von mir gewesen, den Beteiligten nicht offenzulegen, in welch hochkarätigem Konkurrenzfeld sie sich bewegen“, sagte Limbach. Die Interessenten, ein Abteilungsleiter seines Justizministeriums und ein Bundesrichter, hätten „einen Anspruch auf ein Feedback“ gehabt.
NRW-Justizminister wird von Verwaltungsgericht "manipulative Verfahrensgestaltung" vorgeworfen
Bei den Betroffenen waren die Gespräche offenbar so angekommen, dass sich Limbach lange vor Abschluss des „ergebnisoffenen“ Beurteilungsverfahren auf seine Bekannte festgelegt hatte. Die Verwaltungsgerichte in Münster und Düsseldorf haben die Besetzung in erster Instanz gestoppt. Münster kritisierte sogar eine „manipulative Verfahrensgestaltung“. Das letzte Wort hat nun - gewissermaßen in eigener Sache - das OVG selbst. Ein Urteil wird bis Jahresende erwartet.
Politisch steht Limbach eineinhalb Jahre nach Amtsantritt schwer unter Druck. Ihm wird vorgeworfen, dass er die sensible Bestenauslese für ein hohes Richteramt instinktlos zur „Buddywirtschaft“ umfunktioniert habe. Die Opposition im Landtag hält den Sohn der einstigen Verfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach wegen diverser Ungereimtheiten in der NRW-Justiz für nicht mehr tragbar. SPD-Obmann Hartmut Ganzke brachte sogar erstmals einen Untersuchungsausschuss ins Spiel, in dem dann alle Beteiligten des Besetzungsverfahrens wahrheitsgemäß aussagen müssten. „Die SPD glaubt Ihnen nicht mehr“, sagte Ganzke zu Limbach.
OVG-Präsidentenamt in Münster: Beim Dinner fragte sie den Minister nach der Bewerbung
Der Minister hatte dem Landeskabinett für die OVG-Spitze eine frühere Richterkollegin vorgeschlagen, mit der er sich duzt, die mit seiner Frau gemeinsam das Referendariat in Bonn absolviert hat und die ihre Bewerbungschancen bei einem privaten Abendessen mit ihm im Juli 2022 ausloten durfte. Da war Limbach erst wenige Tage Minister und die OVG-Besetzung eigentlich von Vorgänger Peter Biesenbach (CDU) zugunsten des interessierten Abteilungsleiters entschieden worden. Limbachs Favoritin, die zurzeit im Innenministerium arbeitet und viele Jahre nicht mehr höchstrichterlich tätig war, konnte sich noch nachträglich bewerben und bekam im Frühjahr 2023 den Zuschlag.
Rätsel geben vor allem die beiden Dienstgespräche auf, die Limbach mit den leer ausgegangenen Bewerbern auf deren Initiative im Herbst 2022 geführt hatte. Mit dem Abteilungsleiter seines Ministeriums will er „am 12. oder 20. September 2022“ geredet haben. Der 64-jährige Spitzenbeamte sollte die Bewerbung überdenken und auf seinem Posten bleiben, weil er „herausragend wichtig für den Justizminister ist“, argumentierte Limbach. Er habe ihm dabei auch mitgeteilt, „dass es eine interessante weitere Bewerbung gibt“. Eben jener seiner Bekannten, die jedoch offiziell erst am 13. September 2022 einging. Die Erstbeurteilung des zuständigen Innenministeriums kam erst Mitte November im Justizministerium an. Die im Wege einer „Überbeurteilung“ erstellte Rangliste der besten Bewerber lag sogar erst im März 2023 vor.
In NRW-Justizkreisen ist seit Monaten von einer Vorfestlegung auf Limbachs Bekannte die Rede
Mit dem Bundesrichter habe er im November 2022 gesprochen, so Limbach. Auch da lag noch nicht einmal eine Beurteilung seiner Favoritin vor. „Ich habe ihm klar gesagt, dass die Entscheidung über die Besetzung des Amtes streng nach den Grundsätzen der Bestenauslese fallen wird“, behauptet der Minister. Es habe ihm nichts ferner gelegen, als zu sagen, es gebe eine bessere Bewerberin, „weil ich es zu diesem Zeitpunkt schlicht nicht wusste“.
In Justizkreisen ist es dagegen seit Monaten ein offenes Geheimnis, dass Limbach in diesen Gesprächen zumindest den Eindruck vermittelt haben muss, es laufe auf seine nachträglich eingestiegene Bekannte zu. Der Bundesrichter hat eine explizite Vorfestlegung Limbachs auf die „Bessere“ jedoch im Rechtsstreit in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Münster so nicht vorgetragen.
Trotz der verfahrenen Lage will Schwarz-Grün an der Besetzung mit Limbachs Bekannten augenscheinlich festhalten und gegebenenfalls nach einem OVG-Urteil Formfehler nachträglich heilen. Limbach widersprach am Dienstag dem Eindruck, er betreibe Ämterpatronage für eine Freundin: „Die Bewerberin ist eine von mir geschätzte Ex-Kollegin, nicht mehr und nicht weniger. Es gibt kein Näheverhältnis, auch nicht zu meiner Frau.“
Obwohl intern bei den Grünen erste Zweifel an Limbachs politischen und kommunikativen Fähigkeiten geäußert werden, schlossen Julia Höller (Grüne) und Angela Erwin (CDU) am Dienstag zunächst die Reihen. Die Opposition versuche, mit „schäbigen Spielchen“ das Vertrauen in Amt und Person zu erschüttern.
Limbach verwies derweil selbstbewusst darauf, dass er seit 20 Jahren Vorgesetzter sei und eine dreistellige Zahl an Personalgesprächen geführt habe. Dass er den Eindruck vermittelt haben könnte, er wolle Bewerber um das OVG-Präsidentenamt zum Rückzug drängen, schloss er aus: „Das passiert mir nicht.“
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