Dortmund. Die Zentralstelle Umweltkriminalität geht an den Start. Was diese Behörde bringt und was der angeschlagene Justizminister davon hat.
- Die schwarz-grüne Landesregierung hat am Montag in Dortmund die „Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität in Nordrhein-Westfalen“ eröffnet.
- Sie korrigiert damit den Kurs der schwarz-gelben Vorgängerregierung: Die hatte 2018 eine "Stabsstelle Umweltkriminalität" auflösen lassen.
- Für den grünen NRW-Justizminister Benjamin Limbach ist die neue Schwerpunktstaatsanwaltschaft ein Prestigeprojekt.
Die Ansage im Messezentrum der Westfalenhallen war am Montag deutlich: Unternehmen, die illegal Gift in Wasser, Boden und in die Luft leiten sowie gewissenlose Geschäftsleute, die Tieren furchtbare Schmerzen zufügen, sollten sich warm anziehen. Denn in NRW hat die „Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität“ (ZeUK NRW) bei der Staatsanwaltschaft Dortmund die Arbeit aufgenommen.
Zentralstelle Umweltkriminalität: Die Vorgeschichte ist kurios
Wie sich die Zeiten doch ändern! Als die frühere NRW-Umweltministerin Christina Schulze Föcking (CDU) im März 2018 die einst von der grünen Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) geschaffene „Stabsstelle Umweltkriminalität“ auflöste, schäumte die Opposition aus SPD und Grünen und sprach von einem „verheerenden Zeichen für den Umweltschutz und die Gesundheit der Menschen in NRW“. Der Rücktritt der umstrittenen Ministerin wenige Wochen später lag nicht nur, aber auch am Wirbel um die aufgelöste Stabsstelle.
Am Montagmorgen erfolgte die wohl größtmögliche Korrektur des von Schulze Föcking eingeschlagenen Kurses. Gleich drei Landesminister eröffneten im „Silbersaal“ des Dortmunder Kongresszentrums offiziell die neue Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität, eine Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft Dortmund: Benjamin Limbach (Justiz, Grüne), Oliver Krischer (Umwelt, Grüne) und Silke Gorißen (Landwirtschaft, CDU). Sechs Landtagsabgeordnete, der Chef des Landeskriminalamtes, Vertreter der Bezirksregierungen Detmold und Münster und Dutzende Juristen setzten, wie Generalstaatsanwalt Michael Schwarz sagte, ein „starkes Zeichen“ dafür, dass die schwarz-grüne Landesregierung ein überragendes Interesse an der Aufklärung solcher Delikte habe.
Zentralstelle Umweltkriminalität: Benjamin Limbach hatte sie 2022 angekündigt
Für den in die Diskussion geratenen NRW-Justizminister Benjamin Limbach war die Einrichtung der Zentralstelle auch eine Gelegenheit zu zeigen, dass er eine eigene, entschieden grüne Agenda verfolgt und im Kabinett von Hendrik Wüst keine Randfigur ist.
Limbach braucht solche Momente dringend, denn seit Wochen steht er wegen seines Zickzack-Kurses bei den Kölner Cum-Ex-Ermittlungen und wegen Klüngelverdachts beim Auswahlverfahren für die Stelle der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts (OVG) unter besonderer öffentlicher Beobachtung. Nun kehrt der Sohn der früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes (BVG), Jutta Limbach (SPD), an den Ausgangspunkt seiner Ministerzeit zurück: Wenige Tage vor Amtsantritt wurde er im Sommer 2022 bei einem Landesparteitag der Grünen in Bielefeld für diesen Satz gefeiert: „Ein wirksamer Umweltschutz braucht auch eine Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Umweltkriminalität.“
Zentralstelle Umweltkriminalität: Stresstest für die Staatsanwaltschaften
Der Ankündigung folgt jetzt die Tat: Schon seit Anfang November ist Oberstaatsanwältin Britta Affeldt zusammen mit sechs weiteren Staatsanwältinnen und Staatsanwälten Umweltkriminellen auf der Spur, und bis zum Frühjahr sollen noch drei Ermittler dazustoßen. „Der Schutz der Umwelt benötigt auch das Strafrecht“, betonte Limbach. Die neue Zentralstelle habe eine bundesweite Vorreiterrolle bei der Verfolgung „herausgehobener Umweltstraftaten“.
Für die Staatsanwaltschaften in NRW ist diese neue Zentralstelle auch ein Stresstest. Die Personaldecke ist dünn, und die frei gewordenen Stellen der Ankläger, die nach Dortmund gerückt sind, um sich Umweltkriminalität zz kümmern, müssen wieder besetzt werden. Zum Team um Britta Affeldt gehören sowohl Umweltexperten als auch Experten für Wirtschaftskriminalität, heißt es.
Zentralstelle Umweltkriminalität: Erinnerung an den Envio-Skandal
Welche Dimensionen Umweltkriminalität annehmen kann, ist in Dortmund gut bekannt. Die Stadt war vor etwa zehn Jahren von einem der größten deutschen Umweltskandale betroffen: Das Recyclingunternehmen Envio soll jahrelang Mitarbeiter und Anwohner mit krebserregendem PCB vergiftet haben.
NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen erinnerte an einen Skandal, der noch nicht so lange zurückliegt: 2021 sollen Mitarbeitende eines Schlachthofs in NRW etwa 200 Tiere illegal geschächtet haben. „Die Tiere sind unter großen Schmerzen und mit viel Angst qualvoll verendet. Solche Dinge geschehen in unserem Land“, so Gorißen. Mit der Zentralstelle könnten „Schwarze Schafe“ ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden. Bekannt seien laut Benjamin Limbach auch Fälle von undichten Rohrleitungen unter Raffinerien, Explosionen in Sondermüll-Verbrennungsanlagen, illegalem Tierhandel, der Überdüngung von Feldern mit Gülle sowie der unsachgemäßen Sanierung von Asbest-Dächern.
Zentralstelle Umweltkriminalität: BUND sagt, das wurde auch Zeit
Der Sprecher des Umweltverbandes BUND in NRW, Dirk Jansen, nannte den Start der Zentralstelle gegenüber dieser Redaktion „längst überfällig“. Er hoffe auf eine abschreckende Wirkung auf Umweltsünder. Bisher gebe es gerade bei großen Fällen von Umweltkriminalität leider nur wenige harte Urteile.
„Diese Neuauflage ist das späte Eingeständnis der CDU-geführten Landesregierung, dass die Abschaffung der Stabsstelle Umweltkriminalität durch die damalige Umweltministerin Christina Schulze-Föcking ein Fehler war“, sagte der Umweltexperte der SPD-Landtagsfraktion, René Schneider. Umweltkriminalität sei großes Problem mit einer hohen Dunkelziffer, das man schlagkräftig bekämpfen müsse. Eine gut ausgestattete Stabsstelle Umweltkriminalität könne hier helfen.
EU-Experte: „Umweltkriminalität ist die viertgrößte kriminelle Aktivität der Welt“
„Umweltkriminalität ist ein wachsendes Problem. Laut Interpol und UNO ist die Umweltkriminalität nach Drogenhandel, Menschenhandel und Fälschung die viertgrößte kriminelle Aktivität der Welt. Sie nimmt jährlich zwischen fünf und sieben Prozent zu“, sagte Richard Sonnenschein, Direktor für Justizpolitik bei der EU-Kommission, in Dortmund. Die Einnahmen allein aus illegalem Abfallhandel würden in der EU auf bis zu 15 Milliarden Euro geschätzt.
Die EU habe vor wenigen Tagen eine neue Richtlinie für den Schutz der Umwelt beschlossen, erklärte Sonnenschein. Die Zahl der Straftatbestände für Umweltkriminalität werde von neun auf 20 erhöht. Tätern drohten lange Haft- beziehungsweise hohe Geldstrafen.
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