Essen. „Vollkommen am Thema vorbei“: Verbände und Mütter in NRW kritisieren die von Justizminister Buschmann geplante Unterhaltsreform. Was sie fordern.
Die Reformpläne zum Unterhaltsrecht von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gehen Sozialverbänden und alleinerziehenden Müttern in NRW nicht weit genug. Buschmann hatte angekündigt, Elternteile in Trennungsfamilien künftig finanziell entlasten zu wollen, die zwar nicht den Hauptteil der Kinderbetreuung übernehmen, sich aber dennoch stark einbringen. Meistens sind das Väter. Was Buschmann plane, gehe „vollkommen am Thema vorbei“, kritisierte Horst Vöge, Vorsitzender des Sozialverbands VdK in NRW, gegenüber dieser Redaktion.
Benachteiligt würden vor allem Frauen, die meist die Hauptbetreuung der Kinder übernähmen. „Alleinerziehende Mütter sind überdurchschnittlich hoch von Armut betroffen“, so Vöge. Um ihre Situation zu verbessern, müssten Väter in erster Linie mehr in die Pflicht genommen werden, ihrer Unterhaltspflicht grundsätzlich nachzukommen.
Viele Väter zahlen in NRW keinen Unterhalt
Vöges Forderung wird gestützt durch die hohe Zahl der Mütter, die von ihrem Ex-Partner nur eingeschränkt oder gar keinen Unterhalt gezahlt bekommen: So trat das NRW-Familienministerium 2022 nach eigenen Angaben für mehr als 175.600 Kinder, die bei ihrer Mutter leben, in Vorleistung, weil die Väter nicht zahlten. Zum Vergleich: In knapp 16.800 Fällen floss der Unterhaltsvorschuss für Kinder, die bei ihrem Vater leben. Insgesamt hat das Land demnach im vergangenen Jahr rund 176,6 Millionen Euro aufgewendet.
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„Die Reform darf keine finanziellen Nachteile für alleinerziehende Mütter und deren Kinder mit sich bringen“, sagt auch Mattias Veit, Sprecher des Sozialverbands SoVD (NRW). Viele von ihnen seien auf den Unterhalt als „Einkommensposten“ angewiesen.
„Die Kosten für uns Alleinerziehende sind enorm“
Eine Situation, die Alleinerziehende wie Christiane P. aus Gelsenkirchen kennen. Sie hat lange Zeit Sozialleistungen erhalten, weil sie Arbeit und Kind nicht vereinbaren konnte. Den Unterhalt, den ihr Ex-Partner nur widerwillig und mit Hilfe des Jugendamtes zahlt, konnte die Mutter nicht frei nutzen, er wurde vom Jobcenter verrechnet. „Die Kosten für uns Alleinerziehende sind enorm“, sagt sie. Die Reform sei daher nur sinnvoll, wenn sich Mutter und Vater die Kinderbetreuung zur Hälfte aufteilen würden.
Minister Buschmann bestreitet, dass die Reform zum Nachteil von hauptbetreuenden Müttern ausfalle. „Wenn wir Väter dazu motivieren, sich stärker in der Betreuung der Kinder zu engagieren, hilft das auch den Müttern“, so Buschmann.
NRW-Justizministerium: „konkrete Ausgestaltung“ fehlt
Das NRW-Justizministerium wollte die Reformpläne auf Anfrage noch nicht bewerten, da vom Bund noch eine „konkrete Ausgestaltung“ fehlt, wie ein Sprecher sagte.
Es gibt weitere Vorschläge für eine Reform: Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter NRW schlägt ein Stufenmodell vor, das neben der reinen Betreuungszeit die tatsächliche Entlastungswirkung auf den hauptbetreuenden Elternteil berücksichtigt. Die AWO NRW sieht einen Anreiz für mehr Beteiligung an Betreuung etwa in steuerlichen Entlastungen.
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