Düsseldorf. Warum viele Lebensmittel so teuer geworden sind, ist unerklärlich. Der Verbraucherschutz warnt. Die SPD-Landtagsfraktion fordert Transparenz.

Die Preise für Lebensmittel sind in den vergangenen zwei Jahren stark gestiegen. Viele Teuerungen lassen sich etwa auf höhere Energie- und Transportkosten zurückführen. Aber über ein Drittel der Preissteigerungen im Lebensmitteleinzelhandel sind laut Verbraucherschützern sind nicht erklärbar.

Lebensmittelexperte Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale NRW sagte dieser Redaktion auf Nachfrage: „Wir vermuten, dass Handelsketten austesten, wie lange sie die Preisschraube nach oben drehen können, bis es eine Kaufzurückhaltung gibt.“ Es sei einiges „mysteriös“ in der Preisauszeichnung. Man könne Preisabsprachen unterstellen. Sie seien aber schwer nachzuweisen.

Kürzlich erst kritisierte die Europäische Zentralbank die Lebensmitteleinzelhändler in der EU, ihre Preise künstlich zu verteuern. Seit einem Jahr fordert die Verbraucherzentrale, dass das Kartellamt aktiv wird, um ungerechtfertigten Preissteigerungen von Lebensmitteln nachzugehen. In Deutschland bilden die vier größten Unternehmen Aldi, Edeka, Lidl und Rewe ein „Oligopol“: Sie halten seit Jahren konstant über 85 Prozent der Marktanteile, kontrollieren also weitgehend den Markt.

Werden Lebensmittelpreise künstlich überteuert? Neues Gesetz für Bundeskartellamt

In der vergangenen Woche hatte der Bundestag Änderungen beim Gesetz gegen Wettbewerbseinschränkungen beschlossen. Während Untersuchungen des Bundeskartellamts bisher nur mit einem Bericht endeten, kann die Behörde künftig auch Maßnahmen anordnen – zum Beispiel, indem sie Marktzugänge erleichtert, Konzentrationstendenzen auf regionalen Märkten stoppt oder Unternehmen entflechtet.

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Im Fall von Kartellrechtsverstößen wird die Abschöpfung der daraus entstandenen Vorteile für das Bundeskartellamt deutlich erleichtert. Die Verbraucherzentrale NRW hofft, „dass das ein Signal für Handelsketten ist, das zu Veränderungen führt“, so Burdick.

Lebensmittelpreise: SPD kritisiert intransparente Wertschöpfungskette

Die SPD-Landtagsfraktion sprach sich am Mittwoch für eine neue Abteilung „Markt und Ernährung“ im Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz nach Vorbild Baden-Württembergs aus. Sie soll sich mit Lebensmittelpreisen, Marktmacht und Ernährungsarmut befassen und die Daten öffentlich zur Verfügung stellen.

Für ein Pressegespräch hatte die Fraktion zuvor in vier Supermärkten (Aldi, Lidl, Edeka, Rewe) eine Reihe von alltäglichen Produkten eingekauft. Auf den vier Kassenbons standen immer die gleichen Lebensmittel: Zucker, Weizenmehl, Pflanzenöl, Nudeln, Tüten-Bolognese, Schlagsahne, Speisequark, Butter und Margarine.

Was sofort auffiel: „Die Produkte sind auf den Cent genau gleich“, sagte der Vize-Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Alexander Vogt. Bei allen Händlern kostete Zucker 1,49 Euro, Weizenmehl und Nudeln 79 Cent, Butter 1,45 Euro, und so weiter. Vogt fragte: Wie kann das sein?

Schätzungsweise 800.000 Menschen in NRW von Ernährungsarmut betroffen

Der SPD-Vize-Vorsitzende forderte außerdem von der Landesregierung, dass sie intensiver mit Tafeln und Wohlfahrtsverbänden zusammenarbeitet - und dass es kostenloses Mittagessen in Kitas und Schulen gibt. Denn Schätzungen zufolge seien in Deutschland drei Millionen Menschen von Ernährungsarmut betroffen. In NRW hätten damit im Schnitt rund 800.000 Menschen zu wenig Geld, um sich gesund zu ernähren.

Die Ursache: Die Lebensmittelinflation übersteigt die Gesamtinflationsrate. Die Verbraucherzentrale NRW schreibt: Im Februar 2023 hatte die Teuerungsrate für Lebensmittel im Vergleich zum Vorjahresmonat durchschnittlich ein Plus von 21,8 Prozent – demnach war sie mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Inflationsrate von 8,7 Prozent. Manche Produkte würden von heute auf morgen sogar um 40, 50 oder 100 Prozent teurer werden. Vor allem Produkte der Eigenmarken seien deutlich stärker gestiegen als die von Markenherstellern, sodass es für Verbraucher kaum Ausweichmöglichkeiten gibt.