Paris. Die Afrikaner fordern eine Unterbringung in Unterkünften. Die skurrile Situation wirft ein Schlaglicht auf das Migrationsthema.
Die „Gaîté Lyrique“ stammt aus dem 18. Jahrhundert und war jahrzehntelang bekannt als Operettenbühne. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Stadt das Musiktheater. Seither zeichnet es sich durch ein betont politisches Programm aus, das sich selber „zwischen Kreation und Engagement“ ansiedelt. Am 10. Dezember lud die Direktion Flüchtlinge und Zugewanderte ein, „an einem Fresko der Migration“ teilzunehmen. 200 vor allem männliche Afrikaner besuchten die Veranstaltung, die auch über die „neue Gestaltung“ der Flüchtlingsaufnahme debattieren sollte. Gesagt, getan: Am Ende der Veranstaltung blieben sie in dem geheizten Gebäude; dann beschlossen sie, es zu besetzen. Seither verbringen sie Tag und Nacht in der „Gaîté Lyrique“.
Zuerst genossen die Besetzer die Zustimmung oder zumindest Billigung der Theaterleitung. Nun erklärte aber ein Sprecher, durch die Besetzung habe sie schon „mehrere hunderttausend Euro verloren“ und müsse womöglich bald die Bilanz hinterlegen. Die Zahl der Anwesenden ist inzwischen von 200 auf 300 gestiegen. Die meisten bezeichnen sich als minderjährig, womit sie unabhängig von jedem Asylverfahren Anspruch auf Beherbergung hätten
Die konservative Opposition wirft der sozialistischen Bürgermeisterin Anne Hidalgo vor, sie sei mitverantwortlich für die unhaltbare Situation. Die Radiostation Europe 1 unterstellt der Gaîté Lyrique „Naivität“. Aus den sozialen Medien ergießt sich Spott über die Verantwortlichen: Am Ursprung der Besetzung seien nicht frierende Afrikaner, sondern Franzosen eines „dekolonialen und antirassistischen“ Kollektivs aus dem Pariser Belleville-Viertel; und die angeblichen Minderjährigen seien in Wahrheit fast alle erwachsen, wie nun auch die rotgrüne Stadtregierung einräumen muss.
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Gaîté-Direktorin: „Leute mitten im Winter auf die Straße zu setzen, erscheint uns inakzeptabel“
Gaîté-Direktorin Juliette Donadieu „erduldet“ die Besetzung nach eigenen Worten, auch wenn sie das Gebäude im 3. Stadtbezirk kürzlich ganz schließen musste. „Wir erachten die Forderungen, einen Schlafort für 300 Personen zu finden, für legitim. Diese Leute mitten im Winter auf die Straße zu stellen, erscheint uns inakzeptabel und undenkbar.“
Sämtliche Veranstaltungen in der Gaîté Lyrique werden momentan abgesagt, verschoben oder an andere Orte verlegt. Solange das Theater aber keine polizeiliche Evakuierung verlangt und die Stadtbehörden keine Lösung anbieten, könnte die Lage darüber hinaus anhalten. Die scharfe Kontroverse um die „Gaîté“ zeigt auf, dass die Migration heute auch in Frankreich das erste politische Reizthema ist.