Berlin. Der Deutsche Jamshid Sharmahd wurde 2020 vom iranischen Geheimdienst verschleppt und inhaftiert. Nun wurde er hingerichtet – Tochter reagiert.

Die Augen starr und weit geöffnet, die Lippen geschlossen: Neben all dem Trotz und der stillen Wut strahlt der Blick die tiefe Trauer einer Tochter aus, die ihren Vater an ein grausames Regime verloren hat – und damit den Kampf, den sie seit vier Jahren führt. Gazelle Sharmahd schweigt in diesem Video, das sie auf dem Online-Portal X hochgeladen hat. Als ob sie nach all den Gesprächen, Kampagnen und Petitionen genug hat vom gesprochenen Wort. Von ihren Reisen unter Lebensgefahr, ihren Auftritten in Talkshows und ihren Interviews.

In den vergangenen vier Jahren hat Gazelle Sharmahd immer wieder an die US-Regierung appelliert und den vollen Einsatz von Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock gefordert. Am Ende war ihr Kampf offenbar vergeblich: Das iranische Regime hat nach eigenen Angaben ihren Vater, den deutschen Staatsbürger Jamshid Sharmahd, hingerichtet. Nach vier Jahren Haft, Folter und Isolation. Ihrem stummen Video setzt sie nun die schriftliche Forderung hinterher: Sie will handfeste Beweise für den Tod und die Rückführung der Leiche. Aber vor allem: „Eine schwere Strafe für das mörderische islamische Regime.“

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Es war im Sommer 2020, als der Aktivist und Geschäftsmann Jamshid Sharmahd von seinem Wohnsitz in Los Angeles zu einer kurzen Reise nach Indien aufbrach. Die Corona-Pandemie war auf ihrem Höhepunkt. Flüge wurden umgeleitet oder fielen aus. Jamshid Sharmahd strandete in Dubai und rief seine Frau von einem Hotelzimmer an. Danach brach der Kontakt ab. Die Familie konnte nur noch per Google-Tracking verfolgen, dass „Jimmy“ Sharmahd verschleppt wurde. Kurz danach veröffentlichte das Regime ein Video des inhaftierten Vaters. „Die Augen waren verbunden, sein Gesicht geschwollen“, erinnerte sich Tochter Gazelle vor wenigen Monaten in einem Video.

Gazelle Sharmahd: Wir hatten furchtbare Angst vor den Plänen des Regimes

„Wir hatten furchtbare Angst vor dem, was das Regime vorhatte.“ Ein Regime, das junge Männer hinrichtet, weil sie an Protesten teilgenommen haben. Das Frauen ermordet, weil sie ihre Haare offen zeigen. „Was würden sie mit jemandem machen, der sie seit 16 Jahren kritisiert?“

Gazelle Sharmahd
Ein Bild aus glücklichen Tagen: Gazelle Sharmahd mit ihrem Vater vor seiner Entführung im Jahr 2020. © privat | Privat

Sie erzwangen ein Geständnis unter Folter, das zu seinem Todesurteil führte. Jamshid Sharmahd erklärt darin, für einen Anschlag im Jahr 2008 in der Stadt Schiras verantwortlich gewesen zu sein. Seine Familie weist den Terrorvorwurf zurück, auch die UN sind davon überzeugt, dass die Verhaftung willkürlich war. Zumal selbst die staatliche Nachrichtenagentur „Fars News“ zugab, es sei kein Anschlag gewesen, sondern explodierende Munition aus dem Iran-Irak-Krieg.

Jamshid Sharmahd wurde 1955 in Teheran geboren. 1962 zog sein Vater mit ihm nach Deutschland und heiratete eine Deutsche. Das Kind Jamshid wuchs in Peine und Hannover auf, studierte, wurde Elektroingenieur. 1995 schließlich bekam er die deutsche Staatsangehörigkeit. Im Jahr 2003 zog Jamshid Sharmahd mit seiner Familie in die USA und gründete dort ein Software-Unternehmen. Für eine exil-iranische Oppositionsgruppe baute er einen Radiosender auf, er engagierte sich für Menschenrechte und informierte über die Verbrechen des iranischen Regimes, so erklärte es seine Tochter immer wieder während ihres vierjährigen Kampfes.

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Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal, die seit Jahren mit ihrer Organisation Háwar.help den Kampf von Gazelle Sharmahd für ihren Vater unterstützt, macht nun der Bundesregierung, allen voran dem Bundeskanzler, schwere Vorwürfe. „Deutschland hat Gazelle Sharmahd im Stich gelassen“, sagte sie dieser Redaktion. „Olaf Scholz hat keinerlei Interesse gezeigt, den Fall des deutschen Staatsbürgers zur Chefsache zu machen.“ Für Mariam Claren, Tochter der deutschen Geisel Nahid Taghavi, die seit 2020 im Teheraner Evin-Gefängnis sitzt, ist klar: „Dieser staatliche Mord hätte verhindert werden können, wenn die Bundesregierung selbst wirklich gewollt hätte. Das Blut von Jamshid Sharmahd klebt nicht nur an den Händen der Islamischen Republik.“

Linken-Chef Jan van Aken wirft Scholz und Baerbock „Heuchelei“ vor

Von der Bundesregierung selbst kommen andere Töne. Das Auswärtige Amt habe sich in den vergangenen Jahren täglich für die Freilassung Sharmahds eingesetzt, mehrfach sei ein hochrangiges Team in den Iran entsandt worden. „Dabei haben wir Teheran unmissverständlich klargemacht, dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsbürgers schwerwiegende Folgen haben wird.“ Ähnlich äußerte sich Omid Nouripour gegenüber dieser Redaktion: Das iranische Regime habe mehr Angst vor einer Stimme als vor brutaler Gewalt. „Dieses Verbrechen wird harte Konsequenzen haben“, sagte der Ex-Grünen-Chef, der selbst iranische Wurzeln hat. Der so heftig kritisierte Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte auf X, die Hinrichtung Sharmahds sei ein „Skandal“.

Für Linken-Chef Jan van Aken sind diese Statements pure Heuchelei, solange Menschen in den Iran abgeschoben würden. Vor der Willkür des Terrorregimes sei niemand sicher. Die Bundesregierung mache sich zum Mittäter.

Als erste Reaktion der Bundesregierung wurde der iranische Botschafter einbestellt. Welche Folgen die Hinrichtung eines deutschen Staatsbürgers für die Bundesregierung tatsächlich hat – diese Antwort blieb das Auswärtige Amt zunächst schuldig. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) fordert ganz konkrete hoheitliche Maßnahmen: die Einstellung der Finanztransfers, Schließung iranischer Banken, Ausweisung aller Diplomaten bis auf einen Geschäftsträger. IGFM-Geschäftsführer Matthias Boehning: „Appeasement kostet Menschenleben.“